Die meisten Informationen in dieser Übersicht stammen aus zwei aktuellen Büchern von renommierten Autoren: Keith Lowe: Der wilde Kontinent (Klett-Cotta Verlag, 526 Seiten); Richard Overy: Der Bombenkrieg (Rowohlt Berlin, 1053 Seiten).
Der Nutzen der Bombardements war bei weitem zu niedrig, um das angerichtete Leid von 600.000 zivilen Todesopfern auch nur ansatzweise zu rechtfertigen: „Bombenangriffe waren zu keinem Zeitpunkt eine kriegsentscheidende Strategie“, urteilt der fachkundige Historiker Richard Overy. Historisch bedeutend war die neue Technik dennoch über alle Maßen, denn Zivilisten waren nun direkter Teil des Kriegs und quasi „an der Front“. Nicht zuletzt deshalb, weil die Genauigkeit sehr begrenzt war und ständig Wohngegenden statt Industrieanlagen in Schutt und Asche verwandelt wurden.
Die Operation „Gomorrha“ war ein Luftangriff, wie es ihn bis dahin noch nie gegeben hatte: In der Nacht vom 27. auf den 28. Juli 1943 wurde in Hamburg ein Feuersturm entfacht. Das Ziel war laut Historiker Overy, „durch unkontrollierbare Brände so viele Verluste an Menschenleben wie möglich zu bewirken“. Die Verwundbarkeit der Stadt, günstiger Wind und eine geschickte Mischung aus Spreng- und Brandbomben forderten 18.474 Menschenleben. Legendär sind die Bilder, wie Elefanten aus dem Tierpark Hagenbeck Trümmer wegschaffen mussten. Die Wirtschaft erholte sich und arbeite wenig später wieder mit 70 Prozent der vorherigen Leistung.
Der „Orkan“ über Deutschland mit deutlich intensivierten Angriffen fand seinen Höhepunkt in der Nacht auf den 14. Februar 1945. Britische und amerikanisch Bomber zerstörten 75.000 der 200.000 Wohnungen der Stadt. Ob es wirklich 25.000 Tote waren, ließ sich nie genau ermitteln, weil der Feuersturm zahlreiche Leichen zu Asche verbrannte. Das Ziel der Bombardierung – die Moral der Deutschen Bevölkerung zu brechen und sie von den Nazis zu entfremden – wurde bei all dem nicht erreicht: Durch die Zerstörungen wurden die Menschen umso abhängiger von den Behörden der Reichsführung. Der britische Premierminister Winston Churchill wollte danach die Bombenpraxis „überprüfen“, doch die Amerikaner bewerteten den „Bombenterror“ als gerechtfertigt, weil der den Krieg verkürze. Eine Behauptung, die die allermeisten Historiker zurückweisen.
Der Historiker Overy kommt zu einem klaren Urteil: „Im Gegensatz zu Churchill und Roosevelt konnte sich Hitler wenig für den Luftkrieg begeistern und erkannte nicht, dass er neben der Propagandawirkung auch erhebliches politisches Potenzial besaß.“ Hermann Göring konnte Hitler nicht zu einer Neuausrichtung der Gesamtstrategie bewegen, die der Luftmacht mehr Bedeutung zugestanden hätte. So blieb der strategische Bombenkrieg „ein relativ unbedeutender Teil“ der deutschen Kriegsführung. Die Bevölkerung musste vor allem in den späten Kriegsjahren immens darunter leiden, dass die Briten und Amerikaner das anders sahen.
Die Bombardierung von nichtmilitärischen Zielen war durch Artikel 24 der „Haager Luftkriegsregeln“ verboten, denen Deutschland 1929 und Großbritannien 1930 zugestimmt hatten – die USA übrigens erst 1975. Der britische Historiker Richard Overy kommt in seinem großen Werk „Der Bombenkrieg“ zu dem Urteil, dass die Briten zuerst zivile Ziele bombardierten, während Hitlers Luftwaffe militärische und industrielle Ziele anvisierte. Während London als Ziel lange Zeit ausgeklammert war, flogen britische Bomber im Mai 1940 erstmals Angriffe auf zivile deutsche Ziele. Das britische Parlament und die Presse leugneten dies stets, allein schon um die Stimmung in der amerikanischen Bevölkerung nicht negativ zu beeinflussen.
Weder die Deutschen, noch die Briten und erst recht nicht die Amerikaner haben die moderne Fliegerbombe mit ihrer charakteristischen länglichen Form erfunden, sondern die Bulgaren: Im Balkankrieg von 1912 wurden modifizierte Granaten erstmals von einem Flugzeug abgeworfen. Sie trafen einen türkischen Bahnhof. Die Technik wurde rasche weiterentwickelt und holte die Bulgaren 1943 ein, als amerikanische Flugzeuge Sofia bombardierten.
Man muss den Bombenkrieg zum Teil als Wirtschaftskrieg verstehen: Es ging darum, die Produktion und Logistik des Gegners zu zerstören und auf der anderen Seite selbst möglichst viele Maschinen zu produzieren. Die Schäden für die deutsche Wirtschaft hielten sich lange in Grenzen: 1942 stieg die Waffenproduktion trotz der Angriffe sogar um 50 Prozent. Dies änderte sich aber durch die gemeinsame Bomberoffensive von Briten und Amerikanern ab 1943, auch weil die Produktion von mittleren auf schwere Bomber umgestellt wurde. Dann erwiesen sich Treibstoff und Transportwesen als besonders relevante Ziele.
Das Leid war groß und soll nicht verharmlost werden. Aber allein auf Rom wurden mehr Bomben abgeworfen als auf alle britischen Städte zusammengenommen. Einige Historiker behaupten, dass im Zuge der Bombenangriffe mehr Engländer bei Verkehrsunfällen als durch deutsche Bomben gestorben sein. Der Grund war, dass die Straßenlaternen und Schweinwerfer aus bleiben sollten, um den Bomberpiloten kein Ziel zu geben. Vor allem Industrieanlagen sollten so geschützt werden. Historisch zu belegen ist dies nicht. Fakt ist: Die Zahl der deutschen Zivilisten, die den Bombenangriffen zum Opfer fielen, war etwa genauso hoch wie die Gesamtzahl der britischen, belgischen und niederländischen Zivilisten und Soldaten, die im Krieg starben. In Großbritannien starben in den Kriegsjahren maximal knapp 7000 Menschen pro Monat durch deutsche Bomben.
Nach dem Krieg wurde das Verhalten der britischen Bevölkerung stilisiert: Das Volk habe den deutschen Angriffen mit großem Durchhaltevermögen getrotzt und sei gestärkt aus den Bombardements hervorgegangen. Die Wahrheit ist, dass es extrem unterschiedliche Reaktionen gab. Natürlich gab es heldenhaftes Verhalten, aber viel häufiger Schocks, Verwirrungszustände und Furcht. Die Einstellung gegenüber den Deutschen war sehr unterschiedlich: Natürlich gab es Wut, aber in der Breite wurde überraschenderweise der Aufruf zu Vergeltung zurückgewiesen.
In 150 Angriffen warf die deutsche Luftwaffe 28.700 Sprengbomben und 3116 Brandbomben auf britische Ziele ab – vor allem auf London, Liverpool und Birmingham. Das Ergebnis war im Vergleich zu den Erwartungen enttäuschend: Das Ausmaß der Schäden war deutlich geringer als von Hitler erhofft – der direkte Nutzen durch Beschädigung der britischen Produktion gering. Allerdings unterstützten die Angriffe die Wirkung der Seeblockade sowie der U-Boot-Angriffe und es band die britischen Kapazitäten im Mutterland, anstatt sie auf andere Kriegsschauplätze zu verteilen.
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