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Afghanistan-Krise Fünf Millionen Menschen auf der Flucht? Seehofers Zahlenspiel sorgt vor dem Treffen der EU-Minister für Kritik

Europa will heute über mögliche Flüchtlingsankünfte beraten. Der deutsche Innenminister macht sich mit Spekulationen angreifbar.
18.08.2021 - 12:01 Uhr Kommentieren
Die Schätzung des Bundesinnenministers zur Zahl der Flüchtlinge wird angezweifelt. Quelle: dpa
Horst Seehofer

Die Schätzung des Bundesinnenministers zur Zahl der Flüchtlinge wird angezweifelt.

(Foto: dpa)

Brüssel, Berlin Seit die Taliban auch die afghanische Hauptstadt Kabul eingenommen haben, versuchen westliche Armeen, Menschen aus dem Land zu retten. Bisher sind es wohl einige Hundert bis Tausend, die auf diese Weise das Land verlassen konnten. Was mit diesen Menschen geschieht, wird auch Thema beim Treffen der EU-Innenminister an diesem Mittwochnachmittag sein.

Der Umgang mit den aus Afghanistan geretteten Personen wird den Innenministern wohl kaum größere Probleme bereiten. „Die EU braucht eine gemeinsame Position für diejenigen, die sich für Menschenrechte und Demokratie engagiert haben und nun von den Taliban bedroht werden“, sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Dietmar Köster. „Sie müssen geschützt werden.“ Schwieriger ist es bei der Frage, wie die EU mit einer Massenbewegung von Flüchtlingen umgehen sollte, sofern eine solche entsteht.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte gesagt, dass 300.000 bis fünf Millionen weitere Afghanen nun die Flucht ergreifen könnten. Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter erwartet, dass sich Menschen über den Iran und die Türkei Richtung Europa aufmachen. Er spricht sich für Vereinbarungen mit den betroffenen Ländern aus, damit dort Flüchtlinge versorgt werden und möglicherweise dort bleiben können.

Spitzen der Unionsparteien warnten wiederholt vor einem Szenario wie 2015, das sich „nicht wiederholen“ dürfe. Damals schafften es Hunderttausende Menschen bis nach Deutschland. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet präzisierte, dass nun mehr in humanitäre Hilfe in anderen Ländern investiert werden müsse als zum damaligen Zeitpunkt.

Woher aber die Schätzungen Seehofers kommen, ist unklar. Der Migrationsforscher Gerald Knaus hält sie für „aus der Luft gegriffen“. Immerhin seien die Grenzen für Afghanen geschlossen. Auch zum Flughafen lassen die Taliban derzeit nur Menschen mit ausländischem Pass vor.

Konfliktforscher: Kaum große Zahlen zu erwarten

Auch der Konfliktforscher Gerrit Kurtz von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hält es nicht für sicher, dass in Europa Flüchtlinge in größerer Zahl zu erwarten sind. Zwar werde es Fluchtbewegungen geben, allerdings eher innerhalb der Region, sagte er dem Handelsblatt.

Die FDP verlangt eine Klarstellung: „Ich fordere Kanzlerin Merkel auf, klarzustellen, ob das tatsächlich die Positionen der Bundesregierung ist, worauf die Schätzung basiert und was das konkret für unser Land bedeutet“, sagte Fraktionsvize Michael Theurer dem Handelsblatt. Die Ankündigung von Bundesinnenminister Seehofer sorge nur für zusätzliche Verunsicherung.

Theurer fordert von Merkel, Führung und Handlungsfähigkeit zu zeigen, um weiteren Schaden für Betroffene und das Land zu verhindern. „Merkel muss den unübersehbaren Auflösungserscheinungen ihrer Regierung entschlossen entgegentreten“, sagte Theurer. „Das skandalöse Versagen der Minister Maas, Kramp-Karrenbauer und Seehofer ist das Eine. Das Laufenlassen der Kanzlerin ist das Andere“.

Politiker fordern „Koalition der Willigen“

Die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ist seit Jahren ein Streitthema. Einen gegen Widerstand durchgesetzten Beschluss zur Verteilung ignorieren Staaten wie Polen und Ungarn.

Evakuierte aus Kabul: „Deutschland hilft nur den Ortskräften – und mehr nicht“

Sollten wieder größere Zahlen an Flüchtlingen verteilt werden müssen, fordern manche Politiker darum eine „Koalition der Willigen“, in der diejenigen Staaten miteinander zusammenarbeiten, die zur Aufnahme bereit sind. Das setzt aber voraus, dass sich ausreichend Länder beteiligen.

Eigentlich ist das Treffen an diesem Mittwoch angesetzt, um eine gemeinsame Reaktion auf das Verhalten Weißrusslands zu finden. Präsident Alexander Lukaschenko lässt Flüchtlinge in sein Land einreisen und will ihnen dann beim Übertreten der Grenze ins EU-Land Litauen helfen. Mehr als 4000 Menschen sollen in den vergangenen Monaten auf diese Weise in die EU gekommen sein. 

Normalerweise liegen die illegalen Grenzübertritte an der 680 Kilometer langen litauischen EU-Außengrenze bei nicht einmal 100 pro Jahr. Lukaschenkos Aktion wird allgemein als Racheakt für gegen ihn verhängte Sanktionen gesehen.

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