Afghanistan Merkel gesteht Fehleinschätzung ein: „Das ist eine überaus bittere Entwicklung“

Die afghanische Armee habe „aus welchen Gründen auch immer“ kaum oder keinen Widerstand gegen die Taliban geleistet.
Berlin Wenn es in diesen Tagen gute Nachrichten aus Afghanistan zu berichten gibt, die Kanzlerin hatte eine dabei. 1900 der von der Bundeswehr in einer ersten Gruppe identifizierten Ortskräfte seien bereits in Deutschland oder sicheren Drittländern, sagte Angela Merkel am Montagabend bei einer Pressekonferenz, zu der das Kanzleramt erst am Nachmittag eingeladen hatte.
Doch die schlechte Nachricht kam gleich hinter. Nun versuche man unter anderem auch, die rund 1500 im Land noch wartenden Mitarbeiter der Entwicklungszusammenarbeit und von Nichtregierungsorganisationen aus Afghanistan auszufliegen. Es ist ein Tag, an dem die Nachrichten und vor allem die Bilder aus Kabul den großen Teil des Westens fassungslos zurücklassen.
Die fast kampflose Übergabe der Hauptstadt Kabul an die radikalislamistischen Taliban hat nicht nur die westliche Welt düpiert. Auch die „letzte Verteidigerin des freien Westens“, wie Merkel von der „New York Times“ 2016 ehrfurchtsvoll tituliert wurde, räumte wie ihr Außenminister Heiko Maas (SPD) zuvor ein, die Schnelligkeit des Vormarschs der Taliban völlig unterschätzt zu haben. „Wir haben alle – da übernehme ich auch die Verantwortung – die Entwicklung falsch eingeschätzt“, sagte die Kanzlerin.
Aus Merkels Sicht gibt es dafür vor allem einen Grund: Die afghanische Armee habe „aus welchen Gründen auch immer“ kaum oder keinen Widerstand gegen die Taliban geleistet. „Da haben wir eine falsche Einschätzung gehabt. Und das ist nicht eine falsche deutsche Einschätzung, sondern die ist weitverbreitet.“
Über die Schuldfrage dürfte in den kommenden Tagen und Wochen vor der Bundestagswahl noch eine heftige Debatte geführt werden. Das Blame-Game zwischen Union und SPD ist bereits im vollen Gang. Fakt ist, dass die Kanzlerin erst am Samstag den Rückzug aus Afghanistan zur Chefsache machte.
Merkel: „Möglichst viele Menschen außer Landes zu bringen, steht im Vordergrund“
Ob sie die Nachrichten über den Vormarsch der Taliban anders einschätzte als ihre Minister Heiko Maas, Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), ist nicht bekannt. Ihr Regierungssprecher versicherte am Montag, es gebe keinerlei Differenzen in der Bundesregierung. Die drei Tage von Samstag bis Montag haben jedenfalls nicht ausgereicht, um das Chaos beim Ausflug der Ortskräfte, die die Bundeswehr viele Jahre unterstützt hatten, zu verhindern.
Bittere Enttäuschung aus Merkels Sicht
Wie schon am Vormittag in den Spitzengremien der CDU bezeichnete die Kanzlerin den internationalen Einsatz in Afghanistan als Enttäuschung. Jenseits der Bekämpfung des Terrorismus sei alles „nicht so geglückt und nicht so geschafft worden, wie wir uns das vorgenommen haben“, so Merkel. „Das ist eine Erkenntnis, die ist bitter.“
Es seien „keine erfolgreichen Bemühungen“ gewesen. Daraus müsse man Lehren ziehen „und seine Ziele auch kleiner fassen“ bei derartigen Einsätzen. Die Taliban hätten das ganze Land erneut unter ihre Kontrolle gebracht. „Das ist eine überaus bittere Entwicklung“, sagte sie.
Eine Einschätzung, die man angesichts der Bilder vom Rollfeld in Kabul durchaus hätte härter formulieren können. Die Schwierigkeiten bei der Rettungsaktion werden jedenfalls nicht kleiner: Bereits während der Pressekonferenz gab es erste Meldungen, dass eine Bundeswehrmaschine beim Anflug auf Kabul abdrehen musste.
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Interessanterweise relativierte die Kanzlerin den Satz des früheren Verteidigungsministers Peter Struck (SPD), die deutsche Sicherheit werde auch am Hindukusch verteidigt. Wenigstens für die heutige Zeit. Wenn man vom damaligen Zeitpunkt Ende 2001 ausgehe, „da ging es um die Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika und damit auch um unsere Sicherheit“, sagte die Kanzlerin. Inzwischen habe sich die Frage aber etwas relativiert, weil die Terrororganisationen al-Qaida und Islamischer Staat „im Augenblick nicht so einen Stützpunkt haben“.
Sie sage aber „im Augenblick“, betonte Merkel. „Ich bin sehr vorsichtig mit weiteren Prognosen. Wäre das der Fall, hätten wir wieder eine terroristische Bedrohung.“ Insofern sei der Satz von Struck richtig gewesen. „Er ist im Augenblick vielleicht etwas relativiert. Aber er war aus der damaligen Perspektive von Herrn Struck richtig.“ Sie habe den Satz übernommen und wolle dies nicht in irgendeiner Weise relativieren.
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Leider irrte sich Frau Merkel nicht nur in der Afghanistan Politik. Mit der gleichen Chuzpe wie Politiker erst den falschen Einsatz und jetzt den falschen Abzug argumentierten, argumentieren Sie auch für die jetzige völlig unsinnige Coronapolitik und die Ausgrenzung gesunder ungeimpfter Menschen. Diese Leute sind schlicht ignorant und nicht lernfähig!