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Agrarpolitik Agrarreform: Wie die EU die Landwirtschaft verändern möchte

Mit riesigen Beträgen unterstützt die EU ihre Bauern. Jährlich werden rund sechs Milliarden Euro verteilt – künftig allerdings anders als zuvor. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
25.06.2021 - 18:52 Uhr Kommentieren
Auch erste soziale Standards sollen in der neuen Agrarreform verankert werden. Quelle: dpa
Kartoffelernte in Rheinland-Pfalz

Auch erste soziale Standards sollen in der neuen Agrarreform verankert werden.

(Foto: dpa)

Brüssel Im Supermarkt nichts mehr zu essen einkaufen zu können zählt nicht zu den größten Ängsten der Europäer. Trotzdem investiert die EU so viel Geld in den Agrarsektor wie in keinen anderen Bereich. 270 Milliarden Euro stehen für die Jahre 2023 bis 2027 zur Verfügung.

Bisher wurden die Milliarden vor allem nach Fläche ausgeschüttet – unabhängig davon, wie ökologisch sie bewirtschaftet wird. Das soll sich zumindest etwas ändern. Künftig soll mehr Geld an Umweltauflagen geknüpft sein.

Zwischen den Abgeordneten des Europaparlaments und den Mitgliedstaaten hatte es während der monatelangen Verhandlungen heftigen Streit gegeben. Die Parlamentarier wollten den Agrarsektor stärker steuern, während die Staaten jeweils selbst entscheiden wollten, was mit dem Geld passiert.

Nun ist festgelegt, dass fast ein Viertel des Geldes nach ökologischen Kriterien verwendet wird. Auch sollen kleine Betriebe vergleichsweise mehr Geld bekommen als bislang. Auch Sozialstandards verankerte die EU. Die Reform soll auch dazu beitragen, dass der Treibhausgasausstoß der Landwirtschaft sinkt, was seit 2010 nicht mehr der Fall ist.

Vieles davon sind aber erst Ansätze. „Die Agrarwende bleibt aus“, sagte der Abgeordnete Martin Häusling (Grüne). „Die Einigung ist ein grün verpacktes Geschenk an die Agrarindustrie.“ Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Welche Auswirkungen hat die Reform für Verbraucher in Deutschland?

Durch die EU-Agrargelder wird maßgebend bestimmt, in welchem Rahmen europäische Lebensmittel hergestellt werden. Die Auswirkungen kann man am ehesten im Supermarkt beobachten. Beeinflusst werden kann zum Beispiel, wie teuer Lebensmittel sind und welche Tierwohlstandards eingehalten werden. Abseits des Supermarktes könnte man an Feldern beispielsweise öfter auf Blühstreifen für Bienen und andere Insekten stoßen.

Was bedeutet die Reform für deutsche Bauern?

Insgesamt werden in Deutschland jährlich rund sechs Milliarden Euro EU-Agrarfördermittel verteilt. Bislang war der größte Teil davon (78 Prozent) als Flächenprämie verfügbar, also weitgehend unabhängig von den Folgen für Umwelt und Landschaft. Künftig soll mehr Geld an Umweltauflagen geknüpft sein.

Wie diese Umweltauflagen konkret aussehen, steht noch nicht fest. Zudem sollen künftig auch Sozialstandards stärker im Fokus stehen. Ausländische Saisonarbeiter profitieren davon aber zunächst nicht.

Wie hoch ist das Budget der EU-Agrarpolitik?

Insgesamt umfasst die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die Zeit von 2021 bis 2027 ein Volumen von knapp 390 Milliarden Euro. Ab 2023 – für die Zeit, in der die Reform wirklich greifen soll – sind 270 Milliarden vorgesehen. Die GAP ist das einzige Politikfeld, das nahezu ausschließlich aus dem gemeinsamen EU-Haushalt finanziert wird. Das bedeutet, dass diese Mittel größtenteils nationale Ausgaben der EU-Länder ersetzen.

Wie sind die Gelder bislang strukturiert?

Die EU-Agrarpolitik ist im Grunde in zwei Töpfe aufgeteilt, was auch so bleibt. Zum einen werden jährlich Gelder ausgezahlt, die in den sogenannten Direktzahlungen zusammengefasst werden – sie werden auch die „erste Säule“ genannt.

Das sind bislang die Gelder, die anhand der Fläche eines Betriebs ausgezahlt werden. Aus diesem Topf sollen künftig auch die Ökoregelungen finanziert werden, die bis zu 25 Prozent ausmachen sollen.

Für 2023 bis 2025 sollen das mindestens 48 Milliarden sein. Zum anderen gibt es Geld für die Entwicklung des ländlichen Raums – die „zweite Säule“. Das sind Mittel, die für meist siebenjährige Programme zur Verfügung stehen und etwa für langfristige Umweltmaßnahmen genutzt werden können.

Wie umweltschädlich ist die Landwirtschaft in Europa?

Der Deutsche Bauernverband betont, dass Landwirte in den vergangenen Jahren bereits vieles erreicht hätten. Die Politik und Umweltorganisationen sehen jedoch erheblichen Verbesserungsbedarf. Der EU-Rechnungshof kritisiert, dass die Treibhausgasemissionen des Agrarsektors seit 2010 nicht gesunken seien.

„Die Landwirtschaft ist eine der Hauptursachen für den Verlust an Biodiversität“, sagte EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans im März. Schädlingsbekämpfungsmittel, Dünger und Monokulturen können der Tier- und Pflanzenwelt schaden. Auch für das Klima ist die derzeitige Landwirtschaft schädlich: Sie verantwortet laut Bundesumweltamt elf Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU.

Warum sehen Umweltorganisationen die Reform so kritisch?

Das Bündnis „Fridays for Future“ fordert schon länger, dass die Reform in ihrer jetzigen Form zurückgezogen wird. Die Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer haben kritisiert, dass die Reform so wie derzeit verhandelt nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sei. In dem Abkommen hat sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.

Auch andere Organisationen wie Greenpeace oder der WWF fürchten, dass die künftige GAP nur grün angestrichen ist, aber weiter umweltschädliche Praktiken finanziert. Das Europäische Umweltbüro etwa schätzt, dass auch nach der Reform rund drei Viertel des Geldes der Intensivlandwirtschaft zugutekommen, ohne dass effektiv mehr für die Umwelt gemacht wird. Der CDU-Abgeordnete Peter Jahr sieht das anders. „Wir bleiben ökonomisch, sozial und umweltgerecht“, sagte er nach der Einigung.

Warum gibt es die EU-Agrarpolitik?

Das ist historisch gewachsen: Mit der Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik 1962 war es eines der wichtigsten Ziele überhaupt, eine sichere Versorgung mit Nahrung zu gewährleisten. Niemand sollte nach den Schrecken des Krieges Hunger leiden müssen. Doch auch andere Ziele wie ein „angemessenes“ Einkommen für Bäuerinnen und Bauern, den Erhalt ländlicher Gebiete und später eine umweltverträgliche Landwirtschaft gehören zu den Vorgaben der GAP.

Mehr: EU-Länder und EU-Parlament einigen sich auf Agrarreform

  • chz
  • dpa
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