Aktuelle Corona-Lage RKI-Vizechef: „Für Entwarnung ist es zu früh“ – Zehn Prozent der Erkrankten leiden an „Long Covid“

Appell zu Solidarität mit noch ungeimpften Gruppen.
Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und der Vizechef des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade, haben in der dritten Corona-Welle weiterhin zu Solidarität aufgerufen. Vor allem sei aktuell auf die noch ungeimpften jüngeren Gruppen in der Bevölkerung zu achten. Viele jüngere Menschen hätten sich in der Pandemie stark eingeschränkt und so gefährdete Ältere und Risikopatienten geschützt, sagte RKI-Vizepräsident Lars Schaade am Freitag auf der turnusmäßigen Pressekonferenz des RKI zur Corona-Lage in Deutschland in Berlin.
Nach Zahlen vom Freitag haben die Gesundheitsämter in Deutschland dem RKI binnen eines Tages 27.543 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Am Freitag vor einer Woche hatte die vergeleichbare Zahl bei 25.831 Corona-Neuinfektionen gelegen.
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner stieg laut RKI am Freitagmorgen auf 164,0 nach 161,1 am Vortag. In den Krankenhäusern nahm vor allem die Zahl der betroffenen 35- bis 59-Jährigen zu.
„Wir müssen uns bitte noch weiter einschränken, damit auch diese Personen eine Chance haben, sich impfen zu lassen, bevor das Virus sie erwischt“, appellierte Schaade. Auch für die Jüngeren und Gesunden sei das Virus nicht harmlos, betonte der RKI-Vizepräsident. Auch sie könnten schwere Verläufe erleiden; zudem drohten Langzeitfolgen (Long Covid). Nach einer aktuellen Studie leiden somit wohl zehn Prozent der Erkrankten am Langzeitsyndrom des Coronavirus.
Zur aktuellen Lage erklärte Schaade: „Die Fallzahlen scheinen im Moment nicht mehr so rasant anzusteigen.“ Sie seien aber immer noch auf zu hohem Niveau. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz habe sich auf einem hohen Niveau eingependelt.
Der Effekt könne mit geringerer Mobilität über Ostern zu tun haben. Viele Menschen seien den Daten zufolge nicht verreist. „Damit haben Sie alle das Virus etwas gebremst“, sagte Schaade.
Spahn: Bereiten Änderung der Einreisevorschriften für Geimpfte vor
Inzwischen habe die Mobilität aber wieder zugenommen, es bestehe durchaus die Gefahr eines Wiederanstiegs der Fallzahlen. „Für Entwarnung ist es also zu früh.“ Pro Woche sterben so etwa in Deutschland 1000 Menschen an Covid-19.
Auch Gesundheitsminister Jens Spahn hat zum Inkrafttreten neuer bundesweit verbindlicher Regeln für schärfere Corona-Maßnahmen zu weiteren Einschränkungen bei Kontakten aufgerufen. „Das ist hart, das fällt schwer, jedem von uns. Aber das ist für eine Übergangszeit notwendig“, sagte der CDU-Politiker. Es gehe darum, die dritte Corona-Welle zu brechen und dann gestützt auf mehr Tests auch mehr Bereiche öffnen zu können.
Spahn betonte, dass die am Freitag in Kraft getretenen Änderungen im Infektionsschutzgesetz eine „Notbremse“ seien. Dies sei also etwas, wo auch schon zuvor gebremst worden sein sollte. Vorgesehene nächtliche Ausgangsbeschränkungen in Regionen mit hohem Infektionsgeschehen lägen auch schon seit Anfang März nach einem entsprechenden Bund-Länder-Beschluss im Instrumentenkasten.
Die Bundesregierung arbeite laut Spahn zudem daran, die Einreiseverordnung für Geimpfte zu ändern. Ziel sei es, die Testauflagen für Personen mit Impfschutz zu reduzieren, sagte der CDU-Politiker.
Indische Corona-Variante fachlich und politisch im Blick
Mit Blick auf die Corona-Impfungen bekräftigte Spahn, dass auf Basis der Lieferprognosen im Juni mit einem Ende der bisherigen festen Reihenfolge zu rechnen ist. Er betonte, gemeint sei „im Verlauf des Juni“, nicht ab 1. Juni. Das heiße auch nicht, dass sich im Juni schon alle impfen lassen könnten. Dies werde bis in den Sommer hinein gehen.
Spahn warnte zudem, die dritte Welle lasse sich nicht wegtesten und man könne auch nicht gegen sie animpfen.
Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Klaus Cichutek, betonte zudem, der neue Impfstoff von Johnson & Johnson sei sicher und wirksam, vor allem bei Personen im Alter von über 60 Jahren. „Wir freuen uns auf vier zugelassene Impfstoffe“, sagte Cichutek. Die Melderate von Schäden beim Mittel von Astra-Zeneca sei weiter „sehr gering“ und noch geringer bei Johnson & Johnson.
Indes ist die indische Corona-Variante nach Spahns Worten in Deutschland fachlich und politisch im Blick. Bei „entsprechender Erkenntnislage“ seien Maßnahmen wie die Einstufung Indiens und möglicherweise anderer Länder als Virusvariantengebiet nicht ausgeschlossen.
Der Gesundheitsminister verwies auch auf die engen Bande zwischen Indien und Großbritannien. Als Virusvariantengebiet sind derzeit unter anderem Südafrika und Brasilien ausgewiesen, wo jeweils als besorgniserregend eingestufte Varianten des Coronavirus kursieren.
RKI-Vize Schaade sagte, es sei denkbar, „dass uns die Variante vor neue Herausforderungen stellt“. Aber die Belege seien noch nicht da. „Wir müssen da hinschauen, Warnungen müssen ernst genommen werden.“
Infektionsgeschehen in Indien derzeit sehr stark
Es gehe auch darum, die weitere Einschleppung der Variante nach Deutschland zu vermeiden. Die Zahl der bisherigen Nachweise liegt bei 21, wie das RKI bereits in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht geschrieben hatte. „Wir sehen im Moment noch keine Tendenz zur großen Verbreitung innerhalb von Deutschland. Aber wir haben das im Blick“, betonte Schaade.
Die Mutante werde als „Doppelvariante“ bezeichnet, weil es zwei besondere Mutationen im sogenannten Spike-Protein gebe, führte Schaade aus. Es werde vermutet, dass eine dieser Mutationen die Antikörper-Antwort etwas unterlaufe und die andere Mutation den zweiten Arm der Immunantwort. Das sei eine Theorie vor dem Hintergrund von Beobachtungen bei anderen Varianten mit solchen Mutationen. Das sei aber nicht belegt, es gebe dazu keine gesicherten Daten.
Das Infektionsgeschehen in Indien sei derzeit sehr stark, die Mutante sei dabei in einigen, aber nicht allen Landesteilen verbreitet, sagte Schaade. Man könne aber nicht verkürzt sagen, die Variante habe die Lage allein verursacht. „Es gibt noch andere Faktoren im Moment in Indien, die deutlich zur Infektionsdynamik beitragen.“ Es gebe keinen Lockdown, große Veranstaltungen mit vielen Millionen Menschen könnten stattfinden, was Infektionen begünstige.
Man könne jetzt noch nicht sagen, dass sich die Mutante besonders stark verbreite und dass es eine sogenannte Immunescape-Variante sei. „Beides sind Möglichkeiten, deswegen haben wir diese Variante auch unter Beobachtung.“
Als besorgniserregende Variante werde sie mangels Belegen noch nicht eingestuft. Bei Varianten mit Immunescape (Immunflucht) ist die Wirkung der Impfung und der Immunität nach durchgemachter Infektion abgeschwächt.
Mehr: Die Regierung sollte den Hausärzten beim Impfen freie Hand lassen
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"Spahn warnte zudem, die dritte Welle lasse sich nicht wegtesten und man könne auch nicht gegen sie animpfen." --> erneute Falschnachrichten, die die Maßnahmen der Regierung als alternativlos darstellen sollen!!!!
Gerade in ländlichen Regionen mit wenigen Einwohnern können groß angelegte Testwochenenden das Infektionsgeschehen eindämmen. Außerdem bestätigt jeder Mediziner die Effektivität des Impfens (Herdenimmunität).
Darüber hinaus liegen die Langzeitfolgen einer schweren Lungenentzündung sogar über 10%..