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Aktuelle Forsa-Umfrage SPD überholt Union: Fünf Gründe für Scholz‘ Höhenflug

Zum ersten Mal seit 2006 ist die SPD in einer Umfrage stärkste politische Kraft in Deutschland. Die Wahlkampfstrategie der SPD scheint aufzugehen.
24.08.2021 - 15:39 Uhr 6 Kommentare
Plötzlich erscheint der Wahltriumph für den SPD-Kanzlerkandidaten in greifbarer Nähe. Quelle: dpa
Olaf Scholz

Plötzlich erscheint der Wahltriumph für den SPD-Kanzlerkandidaten in greifbarer Nähe.

(Foto: dpa)

Berlin Nach den vergangenen Tagen war es zu erwarten. Dennoch ist es ein politisches Erdbeben. Laut der neuesten Forsa-Umfrage ist die SPD in dieser Woche zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder stärkste politische Kraft in Deutschland.

Die SPD kann danach bei der nächsten Bundestagswahl mit 23 Prozent der Stimmen rechnen, die Union nur noch mit 22 Prozent. Die Grünen kommen auf 18 Prozent, die FDP auf zwölf, die Linke auf sechs und die AfD auf zehn Prozent.

Die SPD lag zuletzt im Oktober 2006 vor der Union. Damals kamen die Sozialdemokraten auf 32, die CDU/CSU auf 30 Prozent. Die jetzt für die Unionsparteien ermittelten 22 Prozent sind der schlechteste Wert, den Forsa jemals ermittelt hat.

Vier Dreierkoalitionen hätten momentan eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament, darunter drei unter Führung der SPD: die „Deutschlandkoalition“ aus SPD, Union und FDP, die „Ampelkoalition“ aus SPD, Grünen und FDP sowie das „Linksbündnis“ aus SPD, Grünen und der Linken. Ohne die SPD wäre eine „Jamaikakoalition“ aus Union, Grünen und FDP möglich.

Das politische Stimmungsbild hat sich damit binnen wenigen Wochen extrem gedreht. Noch im Juli war die Lage eine andere: Die Union kam damals laut Forsa auf 30 Prozent, die SPD dagegen nur auf 15 Prozent. Der Höhenflug der SPD hat vor allem fünf Gründe:

1. Olaf Scholz macht keine Fehler

Die SPD ging aus einer historisch schlechten Ausgangslage in den Wahlkampf. Sie hatte eigentlich nur eine Chance, wenn die anderen Parteien und Kandidaten Fehler machen. Genau den Gefallen haben Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) der SPD getan. Und zwar in einem Ausmaß, das wohl die optimistischsten Genossen nicht für möglich gehalten hätten.

Laschet machte in der Flutkatastrophe eine unglückliche Figur und lieferte insbesondere mit seinem Lacher im Hintergrund einer Rede des Bundespräsidenten unglückliche Bilder.

Bis heute kommt Laschets Wahlkampf zudem nicht ins Rollen. Auch, weil die Wahlkampfstrategie eigentlich vorsah, Scholz zu ignorieren. Nun muss Laschet sich als Landesvater mit dem Vizekanzler messen. Baerbocks Glaubwürdigkeit wiederum ist durch ihre Unschärfen im Lebenslauf und die Plagiate in ihrem Buch nachhaltig erschüttert.

Scholz dagegen fällt zwar bislang nicht durch große Initiativen oder begeisternde Reden auf. Aber er macht eben bislang keine Fehler. Das ist seine größte Stärke. Und eine Eigenschaft, die auch Angela Merkel auszeichnete.

2. Eine vorbereitete und gute Kampagne

Die SPD hatte sich geschworen, aus den Fehlern früherer Wahlkämpfe zu lernen. Nach der Wahl 2017 hatte sie sogar einen langen Bericht erstellen lassen, Titel: „Aus Fehlern lernen“. Und die Genossen hielten sich tatsächlich daran.

Schon im vergangenen Sommer rief die SPD Olaf Scholz als Kanzlerkandidat aus. Viele Beobachter hielten das damals für zu früh: Scholz könne sich zu schnell abnutzen. Die Wahlkampfstrategen in der SPD sahen das anders. Sie hatten nun Zeit, ihr Wahlkampfprogramm auf den Kandidaten abzustimmen.

Dies gelang durchaus. Es findet sich einige linke Folklore in dem Programm wie eine Vermögensteuer, aber andererseits auch nichts, weshalb die Wirtschaft den Untergang des deutschen Industriestandorts befürchten müsste. Auch die konkrete Wahlkampagne der SPD unterscheidet sich bislang positiv von anderen, etwa der CDU.

Die Plakate fallen auf und sind auf den Kandidaten zugeschnitten, anders als etwa bei den Grünen. Auch zeigt die sonst so verbissene SPD ein bisschen Ironie, indem sie sich in Werbeanzeigen die „Schuld“ dafür gibt, etwa den Mindestlohn eingeführt zu haben.

3. Die Geschlossenheit der SPD

Jahrelang hat sich die SPD so leidenschaftlich zerfleischt und intern bekriegt wie keine andere Partei in Deutschland. Seit über einem Jahr ist aber das Gegenteil zu beobachten. Die SPD ist geschlossen wie selten zuvor. Das ist einigermaßen erstaunlich eingedenk dessen, wo die Partei 2019 stand.

Damals gewannen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans das Rennen um den SPD-Vorsitz in einem Mitgliederentscheid gegen Olaf Scholz. Doch die Partei machte das Beste daraus, dass die beiden Parteivorsitzenden ausgerechnet gegen den eigenen potenziellen Kanzlerkandidaten die Wahl gewonnen hatten.

Die Parteispitze raufte sich zusammen und hielt im vergangenen Sommer sogar wochenlang dicht, als sie Scholz längst zum Kanzlerkandidaten gekürt hatte. Allein das war gemessen an früheren Verhältnissen eine Sensation.

Im Wahlkampf hält sich die Parteispitze nun völlig zurück. Insbesondere die Co-Vorsitzende Esken und Parteivize Kevin Kühnert gelten auch innerhalb der Partei als mögliche Risikofaktoren, die Mitte-Wähler abschrecken könnten. Doch sie haben sich bis zum Wahltag auf stumm gestellt.

4. Der Amtsbonus

Das Lager von Olaf Scholz wiederholt es seit einem Jahr immer wieder: Wartet ab, die Wahl entscheidet sich in den letzten Wochen vor der Wahl. Erst dann würde den Wählern dämmern, dass Angela Merkel tatsächlich nicht mehr zur Wahl steht. Erst dann würden sie sich ernsthaft mit den Kanzlerkandidaten auseinandersetzen.

Und dann würde Scholz Erfahrenheit ziehen. Knapp 20 Prozent der Stimmen könnten fürs Kanzleramt schon reichen, wenn die SPD vor den Grünen landet und es für eine Dreierkoalition langt.

Diese Strategie scheint nun aufzugehen. Lange lag Scholz in Umfragen bei seinen persönlichen Werten gleichauf oder nur knapp vor seinen beiden Kontrahenten. Doch in den vergangenen zwei Wochen ist Scholz deutlich davongezogen.

Scholz ist nicht der absolute Wunschkandidat der Deutschen fürs Kanzleramt. Aber bei der Frage, wen sich die Deutschen im Kanzleramt wünschen und wem sie das Amt zutrauen, liegt er inzwischen deutlich vor Laschet und Baerbock.

Seine Erfahrung als Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, als SPD-Generalsekretär, als Bundesarbeitsminister, als Hamburger Bürgermeister und jetzt als Bundesfinanzminister und Vizekanzler werde sich gerade gegenüber Baerbock auszahlen, die noch keine Regierungserfahrung hat, war immer das Kalkül in der SPD. Und auch gegenüber Laschet, der zwar das größte Bundesland führt, aber keine Regierungserfahrung auf Bundesebene hat.

5. Kein Schaden durch Afghanistan

Die Afghanistankrise hat den Wahlkampf kurzzeitig durcheinandergewirbelt. Auch die SPD gab keine rühmliche Figur ab. Scholz saß als Vizekanzler in allen Sitzungen des Krisenstabs mit am Tisch. Vor allem aber Außenminister Heiko Maas (SPD) steht wegen des Chaos in Kabul in der Kritik und sieht sich sogar mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Doch die neue Forsa-Umfrage zeigt: Bislang schadet die Afghanistankrise der SPD nicht, auch nicht die Diskussionen um Außenminister Maas. Die SPD hatte genau darauf gesetzt. Maas räumte zwar Versäumnisse ein. Allerdings sieht die SPD eine Kollektivverantwortung bei der Bundesregierung, dass nicht alle Ortskräfte rechtzeitig vor der Eroberung Kabuls durch die Taliban außer Landes gebracht werden konnten.

In der SPD heißt es nun vor allem: nicht in Euphorie verfallen und ruhig bleiben. Dennoch macht man sich Hoffnungen, schon bald den nächsten „Push“ zu erfahren. Am Sonntag steigt das erste TV-Triell der drei Kandidaten.

In der SPD gibt man sich zuversichtlich. Wenn jemand Fehler macht, dann sicher nicht Scholz, so die Einschätzung. Der SPD-Kanzlerkandidat wird sich deshalb auch nicht groß auf das Triell vorbereiten, er kommt nur einmal mit seinen Beratern zusammen. Scholz ist der Überzeugung: Seine Karriere habe ihn ausreichend auf genau solche Diskussionen vorbereitet.

Mehr: Viele Machtoptionen führen zu schärferen Attacken: Im Wahlkampf ist nun jeder gegen jeden

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6 Kommentare zu "Aktuelle Forsa-Umfrage: SPD überholt Union: Fünf Gründe für Scholz‘ Höhenflug"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Herr Metz wer wird den Bundeskanzler?
    Chrupalla oder so ähnlich?

  • Es scheint der Grundsatz zu gelten: Wer gar nichts macht, macht keine Fehler.
    Ein Totalausfall in der Finanzaufsicht? Egal, Hauptsache der macht eine gute Figur.

    Wer Scholz wählt, der wird die Eskens, Borjans und Kühnerts dieser Partei serviert bekommen.

  • Scholz als Kanzler und nur deswegen, weil die Konkurrenz Fehler macht und er einfach nur die Füße still hält? Ein potenzieller Kanzler, der selektive Gedächtnislücken hat (siehe Cum-Ex Skandal mit Warburg Bank). Scholz will ich nicht als Kanzler, Laschet aber auch nicht. Wenn Zwei sich streiten freut sich der Lindner.

  • Wenn die Nichtfehler die Wahl entscheiden ist das ein Armutszeugnis für die Wähler.Die Wähler sollten sich lieber Wahl- oder Parteiprogramme ansehen und auf realistische Machbarkeit prüfen.Die Grünen sind sogar relativ offen und sagen ,daß sie alles verbieten wollen und den Lebensstandard auf Steinzeit zurückstellen wollen.Wer das möchte ,bitte sehr.CDSU und SPD versuchen die Wähler zu täuschen ,obwohl sie dasselbe vorhaben.Da kommen dann so merkwürdige Aussagen wie :"Klimaschutz kann Spaß machen." (Für Masochisten vielleicht)

  • - Nachtrag -

    Ich muss präzisieren:
    Auch Söder würde niemals Bundeskanzler werden, wenn man jetzt nämlich ihn statt Laschet ins Rennen schicken würde...

  • (...) Beitrag von der Redaktion gelöscht. Unterstellungen oder Verdächtigungen ohne Bezug oder glaubwürdige Argument, die durch keine Quelle gestützt werden, sind nicht erwünscht.

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