Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Alarmierende Studie Diese Zahlen zeigen das ganze Ausmaß des Homeschooling-Desasters in Deutschland

Auch in der dritten Virus-Welle lernen deutsche Schulkinder kaum mehr als im Frühjahr 2020, zeigt eine Ifo-Studie. Knapp 40 Prozent haben maximal einmal pro Woche Distanzunterricht.
20.04.2021 - 10:00 Uhr 3 Kommentare
Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, waren die Schulen in der Pandemie häufig geschlossen. Quelle: dpa
Lehrerin und Kinder im Homeschooling

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, waren die Schulen in der Pandemie häufig geschlossen.

(Foto: dpa)

Berlin Seit Mitte Dezember sind die Schulen in der Corona-Pandemie wieder weitgehend geschlossen. Trotz vieler Monate Vorbereitungszeit scheint das Homeschooling nicht wesentlich besser zu funktionieren als im Frühjahr 2020, als die erste Virus-Welle die Schulen kalt erwischte.

Das zeigt eine Umfrage des Münchener Ifo-Instituts. In den Monaten Februar und März wurden demnach 2122 Eltern von Schulkindern befragt, die Ergebnisse wurden anschließend mit einer ersten Umfrage aus dem Frühjahr 2020 verglichen.

Somit ist die tägliche durchschnittliche Lernzeit zwar immerhin seit dem ersten Lockdown um eine Dreiviertelstunde auf 4,3 Stunden gestiegen – allerdings sind das noch immer drei Stunden weniger als an einem üblichen Schultag vor Coronazeiten. 

„Besonders bedenklich ist, dass 23 Prozent der Kinder sich nicht mehr als zwei Stunden am Tag mit der Schule beschäftigt haben“, sagt der Leiter des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik, Ludger Wößmann.

Immerhin: Zumindest ein Viertel der Schüler hatte zuletzt täglich gemeinsamen Unterricht mit der ganzen Klasse, etwa per Video. Im Frühjahr 2020 waren das lediglich sechs Prozent. Noch immer erhalten 39 Prozent der Schüler und Schülerinnen jedoch maximal einmal pro Woche Videounterricht, müssen also fast ausschließlich alleine zu Hause lernen.

Laut der Studie unterscheidet sich der Online-Unterricht zudem je nach Schulformen deutlich: Von den Gymnasiasten hatte mehr als ein Drittel der Schüler täglichen Online-Unterricht, an anderen weiterführenden Schulen waren es gerade einmal 31 Prozent. Bei den Grundschülern hatten nur 15 Prozent täglichen Unterricht.

Kinder verbringen während des Lockdowns weniger Zeit mit Lernen

Höchstens einmal pro Woche Online-Unterricht bekamen 58 Prozent der Grundschüler, 20 Prozent der Gymnasiasten und 30 Prozent der Schüler an anderen weiterführenden Schulen. 

Konzepte zum Distanzunterricht „nicht gelungen“

Insgesamt denkt eine Mehrheit von 59 Prozent der Eltern, dass ihr Kind während der Schulschließungen Anfang 2021 viel weniger gelernt hat als sonst. Dieser Wert unterscheidet sich nur leicht vom Frühjahr 2020. Dass die Kinder zu Hause „viel mehr“ oder „eher mehr“ lernen, denkt lediglich ein Fünftel der Eltern.

„Insgesamt gibt es also weiter massive Lernzeitverluste“, erklärt Ifo-Bildungsökonom Wößmann. Die Verluste seien vermutlich auch noch deutlich größer, als die geringere Lernzeit vermuten lässt: Denn die meisten Eltern meinen, das die Kinder zu Hause weit weniger effektiv lernen. Jedes zweite Kind hat demnach zu Hause Konzentrationsschwierigkeiten.

„Den zuständigen Akteuren ist es also auch mit langer Vorlaufzeit und nach eindringlichen Appellen von Eltern und Wissenschaft nicht gelungen, Distanzunterrichtskonzepte zu etablieren, die eine angemessene Beschulung aller Kinder und Jugendlichen sicherstellen“, kritisiert das Ifo-Team in der Studie.

Da auch in den nächsten Monaten erneut viele Schulschließungen zu erwarten seien, „bleibt zu befürchten, dass die entstandenen Lernverluste nicht nur nicht ausgeglichen werden, sondern noch weiter ansteigen, mit enormen Folgekosten für die betroffenen Kinder und die Gesellschaft insgesamt“.

Anfang 2021 hatte das Ifo-Institut berechnet, dass der Schulausfall in Deutschland langfristig mehr als drei Billionen Euro kosten könnte. Das Institut der deutschen Wirtschaft geht davon aus, dass in neun Wochen Homeschooling ein halbes Schuljahr verloren geht.

Insgesamt hat bisher auch nur ein Fünftel der Schüler und Schülerinnen Förder- oder Nachhilfeunterricht genossen oder an einem Ferienprogramm teilgenommen, um Versäumtes nachzuholen. 

Um Schülern, die besonders weit zurückgefallen sind, zu helfen, fordert Wößmann weit umfangreichere Zusatzangebote, wie etwa Nachhilfeunterricht oder studentische Mentoren. Besonders wichtig sei, diese Hilfen nun auch auf die bisher Benachteiligten zu konzentrieren.

Denn bisher wurden mit den Sondermaßnahmen vor allem Akademikerkinder erreicht: Unter ihnen erhielten etwa 14 Prozent Förderunterricht, gegenüber lediglich acht Prozent der Nicht-Akademiker-Kinder. „In der Summe haben 82 Prozent der Nicht-Akademiker-Kinder keinerlei Unterstützungsmaßnahme erhalten, während dies bei den Akademiker-Kindern 69 Prozent sind“, fassten die Ifo-Experten zusammen. 

Die Unterschiede zwischen leistungsschwachen und leistungsstarken Schülern hingegen sind im Vergleich zu 2020 fast ganz verschwunden. Die Umfrage zeigt: Mittlerweile werden schwächere Kinder auch im Distanzunterricht fast ebenso gut – oder schlecht – erreicht wie andere. 

Als immerhin „relativ gut“ bewertet das Ifo-Institut die technische Ausstattung der Kinder: Nur fünf Prozent haben zu Hause keinerlei Zugang zu einem Computer oder Tablet. Elf Prozent können nur zeitweise ein Gerät nutzen, etwa weil sie es mit Geschwistern oder Eltern teilen müssen. 

Gut jedes zweite Kind hat einen eigenen Computer, jedes dritte kann immerhin ein anderes Gerät nutzen. Von der Schule haben sechs Prozent aller Kinder einen Laptop geliehen bekommen. Dafür hatte der Bund 2020 eine halbe Milliarde Euro bereitgestellt. 

Jeder dritte Schüler hat Probleme, die Lernplattform zu erreichen

Problematisch ist allerdings weiter die technische Anbindung: Ein Drittel hatte regelmäßige Probleme bei der Nutzung digitaler Lernplattformen, also etwa beim Login, wegen Serverüberlastung oder Absturz. Ein Fünftel der Schulkinder erhielt Aufgaben weiterhin in Papierform. 

Ein Großteil der Eltern gibt an, ihr Kind habe zumindest in Einzelfällen die Möglichkeit, Lehrer per Telefon, E-Mail oder WhatsApp zu kontaktieren, etwa für Hilfe bei den Aufgaben. 40 Prozent der Schulkinder hatten mindestens einmal pro Woche Kontakt – im Frühjahr 2020 waren es nur 33 Prozent. Fast ein Drittel der Eltern gibt an, dass ihr Kind während der Schulschließungen 2021 nie ein individuelles Gespräch mit einer Lehrkraft hatte. 

Insgesamt ist die Meinung zu den Schulen gespalten: 61 Prozent sind mit den Aktivitäten der Schule in diesem Frühjahr sehr oder eher zufrieden, 2020 waren es 57 Prozent. 33 Prozent der Eltern hingegen sind sehr oder eher unzufrieden – gegenüber 39 Prozent vor einem Jahr. 

Neben allen Problemen sehen die Eltern allerdings auch positive Folgen der Pandemie: So sagen zwei Drittel, dass ihr Kind durch die Schulschließungen gelernt hat, mit digitalen Geräten besser umzugehen. Eine Mehrheit von 56 Prozent ist auch der Meinung, dass es gelernt hat, sich eigenständig Unterrichtsstoff zu erarbeiten. Ein gutes Drittel stimmt dem aber nicht zu. Ebenfalls mehr als die Hälfte der Eltern findet darüber hinaus, dass ihr Kind während der Pandemie gelernt hat, mit Krisen gut umzugehen. 

Mehr: Die Homeschooling-Bilanz ist vor allem für die Bildungspolitiker peinlich, kommentiert Barbara Gillmann.

Startseite
Mehr zu: Alarmierende Studie - Diese Zahlen zeigen das ganze Ausmaß des Homeschooling-Desasters in Deutschland
3 Kommentare zu "Alarmierende Studie: Diese Zahlen zeigen das ganze Ausmaß des Homeschooling-Desasters in Deutschland"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • https://www.das-dass.de/

  • Hatte irgendjemand im Ernst erwartet, dass Online-Home-Schooling auch nur annähernd so effektiv wie vor-Ort-Schule sein könnte? Und an all die IT-kann-alles-Optimisten: Es ist egal wie viel Geld man da reinsteckt. Ein Gehirn in der Entwicklung braucht menschlichen Kontakt/Austausch. Ein guter Lehrer (mit Rückendeckung von Oben - daran scheitert es häufig) ist durch nichts zu ersetzen.

  • Jetzt erlebt der Staat mal am eigenen Leib, was die DSGVO täglich in den Unternehmen anrichtet.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%