Allianz aus Industrie und Klimaschützern Bündnis: Ohne CO2-Speicherung keine Klimaneutralität

Auch China entwickelt die Technologie weiter, um industrielle Prozesse weniger klimaschädlich zu gestalten. In Deutschland herrschte bislang Skepsis.
Berlin Ein Bündnis aus Industrie und Klimaschützern fordert von der nächsten Bundesregierung ein klares Bekenntnis zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS).
Die CO2-Speicherung sowie die Abscheidung und Nutzung von CO2 (Carbon Capture and Utilization, kurz CCU) seien „zentrale Säulen auf dem Weg der Industrie zur Klimaneutralität“, heißt es in einer dem Handelsblatt vorliegenden Erklärung.
Diese wird von Industrieverbänden wie dem Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK), der Wirtschaftsvereinigung Stahl und dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) genauso unterstützt wie von der Stiftung 2 Grad und Bellona.
Unter dem Dach der Stiftung 2 Grad haben sich Unternehmen zusammengeschlossen, die sich zu ambitioniertem Klimaschutz bekennen. Dazu zählen Allianz, Deutsche Bahn, der Kupferhersteller Aurubis, Deutsche Wohnen, der Energiekonzern EnBW und Heidelberg Cement.
Bellona wiederum ist eine international aktive Umweltschutzorganisation mit Hauptsitz in Oslo. Bellona befasst sich seit vielen Jahren mit dem Thema CCS. Das kommt nicht von ungefähr: In Norwegen wird die Technologie bereits seit den 90er-Jahren angewandt.
Das Land ist damit einer der Vorreiter beim Thema CCS. Bellona betrachtet die Technologie als ein Instrument im Kampf gegen die Erderwärmung, auf dessen Einsatz man nicht verzichten dürfe. „Ohne CCS sind Nullemissionen in der Industrie nicht erreichbar“, sagte Erika Bellmann, Deutschlandchefin von Bellona. Die Bundesregierung dürfe das Thema nicht länger verschieben.
WWF offen für das Thema
Bellona ist nicht die einzige Klimaschutzorganisation, die sich für CCS ausspricht. Auch der WWF hat sich kürzlich offen für das Thema gezeigt. Zwar stehe die Vermeidung von Emissionen an erster Stelle.
„Wenn das nicht möglich ist, sollte geprüft werden, ob die entstehenden Kohlenstoffprodukte im Sinne einer Kreislaufwirtschaft an anderer Stelle klimafreundlich genutzt werden können, oder man sollte die Abscheidung und Speicherung der Kohlenstoffprodukte erwägen“, hatte der WWF im Frühjahr erklärt.
Es sei daher richtig, „schon heute in Forschung und Entwicklung von CO2-Entnahme und -Speicherungsmethoden zu investieren und praktische Erfahrungen zu sammeln“.
In der gemeinsamen Erklärung von Industrie und Klimaschützern heißt es, man fordere die künftige Bundesregierung auf, „eine deutsche CO2-Strategie und einen regulatorischen Rahmen für CO2-Abscheidung, -Transport und -Speicherung zu erarbeiten“.
Auch für die Industriebranchen, die es aufgrund ihrer Prozesse schwer hätten, Emissionen ganz zu vermeiden, seien verlässliche Perspektiven notwendig, sagte VIK-Hauptgeschäftsführer Christian Seyfert. „Und das sind CCU und CCS“, ergänzte er.
Über das Thema wurde in Deutschland lange gestritten. Im April 2009 verabschiedete die Bundesregierung einen ersten Entwurf für ein CCS-Gesetz. Es hätte die großtechnische Anwendung der CCS-Technologie in Deutschland ermöglicht.
Widerstand in der Bevölkerung
Nachdem erste Unternehmensaktivitäten zur CO2-Speicherung auf großen Widerstand in der Bevölkerung gestoßen waren, weil Leckagen und Grundwasserverunreinigungen befürchtet wurden, zog die Bundesregierung das Gesetz zurück.
Ein neuer Entwurf trat nach langen Debatten im August 2012 in Kraft. Das Gesetz unterscheidet sich ganz erheblich von dem Entwurf aus dem Jahr 2009. So engt es die Technik auf Demonstrations- und Pilotprojekte ein und begrenzt das zulässige Speichervolumen erheblich.
Allerdings haben sich die Vorzeichen verändert. Die Kritiker der CCS-Technologie hatten vor einem Jahrzehnt noch argumentiert, CCS diene vornehmlich dem Zweck, Kohlekraftwerken eine Überlebensperspektive zu geben. Tatsächlich gehörten damals Unternehmen wie RWE oder Vattenfall zu den Akteuren, die das Thema vorantrieben.
Doch das ist Geschichte, der Kohleausstieg in Deutschland ist beschlossene Sache. Aber auch ohne Kohleverstromung bleibt CCS ein Thema. Denn allein in Deutschland fallen in der Industrie jährlich rund 60 Millionen Tonnen sogenannter prozessbedingter CO2-Emissionen an, die sich nur einsparen ließen, wenn man die entsprechende Produktion einstellte.
Für prozessbedingte Emissionen gilt CCS als Mittel der Wahl. Das ist unter Klimaforschern unbestritten. Auch der Weltklimarat IPCC hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf verwiesen, dass sich Klimaneutralität nur erreichen lasse, wenn alle zur Verfügung stehenden Mittel der CO2-Reduktion genutzt werden, darunter auch CCS.
Sollten die Grünen an der nächsten Bundesregierung beteiligt sein, stehen die Aussichten für CCS-Projekte allerdings schlecht. Die Partei betrachtet das Thema skeptisch. Fachpolitiker der Grünen-Bundestagsfraktionen wollten sich am Mittwoch auf Anfrage des Handelsblatts nicht äußern.
Mehr: Warum Klimaschutzverträge die letzte Chance für die Stahlindustrie sein könnten
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Und woher kommt die Energie, die man braucht um CO2 aus der Atmosphäre abzuscheiden und in der Erde zu "verpressen"?
Wenn potentielle Lösungen mit einem Tabu belegt werden, kommen wir nicht weiter. CO2 ist in der Natur in diversen Formen bereits natürlich gespeichert. Man denke nur an das CO2 im Mineralwasser. Wird der Stoff in tiefe Erdschichten verpresst, verbindet er sich durch den dort vorherrschenden hohen Druck mit Gesteinsschichten oder löst sich im Wasser. Das wird in Norwegen, China und anderen Ländern bereits seit den 90er Jahren praktiziert. In Deutschland ist das bisher nicht durchsetzbar, da eine Naturschützerlobby, die das Konzept nicht verstanden hat in der Bevölkerung mit ihren Kampagnen erfolgreich war. Man muss nur durch Schleswig Holstein fahren und die gelben Totenkopfschilder am Straßenrand ansehen.
Das ist genauso wie mit den Elektrofahrzeugen bei denen es eine Festlegung auf batteriegetriebene Fahrzeuge gibt. Es wird komplett ausgeblendet, dass bis ca. 2035 bei der Herstellung des Stroms mehr CO2 und Stickstoff erzeugt wird, als anfallen würde, wenn diese Fahrzeuge einen modernen Dieselantrieb hätten.
Nur der lokale Schadstoffausstoße wird ins Kraftwerk verlagert.
In China, wo die Politik direkt die Erkenntnisse der Wissenschaft in Vorgaben umsetzt, ohne dass Lobbygruppen Tabus aufbauen, ist man wesentliche schneller unterwegs. Das wird uns in unserer Arroganz gegenüber Fakten noch böse aufstoßen.
@Hr. Leßmann: bei CSS geht es idR nicht um die Lagerung in Gascontainern, sondern vielmehr in die Rückführung in die Erdschichten, wo das CO2 dann "versteinert". Verschiedene Pilotprojekte hierzu gibt es bereits. Deshalb hinkt der Vergleich mit der Atomlagerendsuche ein wenig.
Dennoch haben Sie im Kern vollkommen Recht: Die Emissionen sollten zurück gehen und die Speicherung nur eine Möglichkeit darstellen.
Ich persönlich halte die Speicherung von CO2 eher kritisch'; es erinnert mich an die Endlagerdiskussion für Atommüll.
Wir sollte kein CO2 mehr emittieren, DAS ist das Ziel. Sonst können wir weitermachen wie bisher und das CO2 abscheiden und irgendwo lagern, bis auch der letzte Hinterhof mit Gascontainern zugestellt ist. Aber... was dann? Das Gas muss für alle Ewigkeit endgelagert werden, nicht nur für ein Weilchen. Das bedeutet wir überlassen unseren Kindern eine gewaltige Hypothek, die eigentlich nicht zu handeln ist für alle Ewigkeit.