Alterssicherung Was Deutschland vom Rentensystem in anderen EU-Ländern lernen kann

In internationalen Vergleichen schneiden Dänemark und die Niederlande regelmäßig ganz oben ab.
Berlin Alle drei Jahre legt die EU-Kommission einen Altersbericht vor, die Kernaussage bleibt stets gleich: Europa ergraut. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Mitgliedstaaten wird der demografische Wandel zur Belastungsprobe für die öffentlichen Finanzen.
Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings, dass die Systeme unterschiedlich gut für die Entwicklung aufgestellt sind. Wenn die am Mittwoch gestartete Rentenkommission ausländische Experten zu ihren Anhörungen einlädt, sollte sie vor allem in die Niederlande und nach Skandinavien schauen. Das von Linken und Gewerkschaften gelobte Modell Österreich gilt dagegen als wenig nachhaltig.
Der aktuellste EU-Bericht, der Ende Mai veröffentlicht wurde, sagt vielen Mitgliedstaaten „erhebliche“ fiskalische Herausforderungen durch die Alterungsprozesse in der Gesellschaft voraus. In der Prognose für die 27 EU-Mitglieder, ohne Großbritannien, klettern die öffentlichen Rentenausgaben von 11,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2016 auf 12,7 Prozent in 2040. Besonders deutlich wird sich der Anteil der Rentenkosten an der Wirtschaftsleistung demnach in Deutschland erhöhen, nämlich von 10,1 auf zwölf Prozent.
Rentenexperte Hermann Buslei vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht einen unzureichenden Mix zwischen der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente und kapitalgedeckten Zusatzsystemen als einen Grund dafür, dass sich der demografische Wandel in der Bundesrepublik stärker in den Staatsfinanzen niederschlagen dürfte.
Beide Verfahren sind mit unterschiedlichen Risiken behaftet: Das Umlagemodell kann ins Wanken geraten, wenn die Rentenansprüche infolge der veränderten Bevölkerungsstruktur einen immer größeren Teil der Erwerbseinkommen auffressen. Die Kapitaldeckung ist dagegen den Unwägbarkeiten der Finanzmärkte unterworfen.
„Insofern empfiehlt es sich, eine Mischung vorzunehmen“, sagt Buslei. „In Ländern wie Deutschland, wo die umlagefinanzierte Rente in den Alterseinkommen dominiert, spricht einiges dafür, die Verbreitung kapitalgedeckter Vorsorge zu stärken.“
Auch die Leiterin der Abteilung Sozialpolitik bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Monika Queisser, meint: „Es ist richtig, zu diversifizieren und nicht alles in die umlagefinanzierte Rente zu stecken.“
In internationalen Vergleichen wie dem Global Pension Index des Beratungsunternehmens Mercer schneiden Dänemark und die Niederlande regelmäßig ganz oben ab. Beide Länder kombinieren eine staatliche Grundrente mit einer starken kapitalgedeckten Absicherung, die vor allem über die betriebliche Altersvorsorge läuft.
Der EU-Altersbericht stellt fest, dass die private und betriebliche Säule in den meisten Mitgliedstaaten derzeit nur „einen Bruchteil“ der Rentenleistungen ausmacht. In Dänemark aber liege der Anteil kapitalgedeckter Pensionspläne an den Gesamtausgaben für die Rente bei 30 Prozent, in den Niederlanden sogar bei 44 Prozent.
Das Rentenniveau in beiden Ländern ist hoch. Während deutsche Rentner laut OECD-Zahlen im Schnitt nur 51 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens erhalten, sind es in Dänemark 80 Prozent und in den Niederlanden sogar 101 Prozent.
Ein Wechsel zum niederländischen Modell starker Betriebsrenten ließe sich für Deutschland aber nicht so leicht schultern. „Wenn man da hin will, müsste man das deutsche System erst einmal umstellen. Und das ist natürlich mit Belastungen für einen Teil der Übergangsgeneration verbunden“, sagt Buslei.
Auch das österreichische Pensionssystem, das mit hohen Rentenbeiträgen und üppigen Steuerzuschüssen finanziert wird, ist der OECD-Statistik zufolge mit einem Rentenniveau von 92 Prozent derzeit deutlich generöser als die Alterssicherung in Deutschland. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und Politiker der Linkspartei feiern die Alpenrepublik daher als Vorbild.
„Der Vergleich mit dem österreichischen System hat uns etwas verblüfft“, sagt OECD-Expertin Queisser. „Das kostet jetzt schon viel mehr Geld als das deutsche System, und die Alterung der Bevölkerung wird voranschreiten.“
Der EU-Altersbericht weist für Österreich öffentliche Rentenausgaben von 13,8 Prozent des BIP aus, bis zum Jahr 2040 wird ein Anstieg auf 14,9 Prozent prognostiziert. Die Option Österreich sei für Deutschland „nicht sehr realistisch“, meint Queisser. „Es sei denn, man beschließt, dass man sehr viel mehr Geld dafür ausgeben möchte.“
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.