Altersversorgung Wohlstandskluft zwischen Jung und Alt? Die junge Generation verliert das Vertrauen in die Rente

Der demografische Wandel setzt dieses Grundprinzip des Generationenvertrags unter Druck.
Berlin Das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland fußt auf einem Generationenvertrag. Die Jüngeren, die im Erwerbsleben stehen, finanzieren die Altersbezüge der Rentnerjahrgänge. Über Jahrzehnte hat das gut funktioniert, doch der demografische Wandel setzt das System unter Druck.
Kamen Anfang der 1960er-Jahre noch sechs Beitragszahler für einen Rentner auf, so sind es heute nur noch rund zwei. Und die Situation wird sich weiter verschärfen, wenn ab Mitte des Jahrzehnts sukzessive die Babyboomer in den Ruhestand gehen.
Daher ist es kaum verwunderlich, dass das Vertrauen in den Generationenvertrag bröckelt. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa-Consulere für den Fondsanbieter Fidelity International ist jeder Fünfte der unter 40-Jährigen überzeugt, mit ziemlicher Sicherheit keine gesetzliche Rente mehr zu erhalten. Weitere 32 Prozent halten das immerhin noch für wahrscheinlich.
Für die Erhebung, die dem Handelsblatt vorliegt, wurden Mitte Juli 2064 Personen ab 18 Jahren online befragt. 58 Prozent der unter 40-Jährigen sind überzeugt, dass es für die Generation ihrer Eltern einfacher war, ein finanzielles Polster für den Ruhestand aufzubauen als für sie selbst. Fast jeder dritte in der Altersgruppe hält die Umlagefinanzierung für ungerecht.
Warum die nächste Legislaturperiode entscheidend ist
FDP-Vize und Rentenexperte Johannes Vogel beschwichtigt zwar die Sorgen der jüngeren Generation, hält die Umfrageergebnisse aber dennoch für ein Alarmsignal: „Natürlich wird es auch künftig eine gesetzliche Rente geben, aber die Jüngeren spüren sehr zutreffend, dass das Umlagesystem in wirklich fundamentale Finanzierungsprobleme kommt, wenn die Babyboomer in Rente gehen“, sagte Vogel dem Handelsblatt. Die kommende Legislaturperiode sei die letzte, in der die Politik noch vorher handeln und das System zukunftssicher machen könne.
Soll das gesetzliche Rentenniveau nicht sinken, müsste mit höheren Beiträgen oder einem weiter anwachsenden Steuerzuschuss gegengesteuert werden, der aktuell schon bei mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr liegt. An eine Erhöhung des Renteneintrittsalters – gekoppelt an die Entwicklung der Lebenserwartung – traut sich im Bundestagswahlkampf keine Partei heran.
Das Vertrauen der jungen Generation in den Lösungswillen und die Lösungskompetenz der politischen Parteien ist allerdings gering ausgeprägt. 59 Prozent der 18- bis 39-Jährigen sind der Ansicht, dass die Interessen ihrer Generation in Bezug auf die Rente von keiner Partei ausreichend berücksichtigt werden.
„Misstrauensvotum gegen die Rentenpolitik“
Das sollte der Politik zu denken geben, hatte das Bundesverfassungsgericht doch erst vor Kurzem mehr Generationengerechtigkeit beim Klimaschutz angemahnt. Auch bei der Rente besteht die Gefahr, dass sich die Lastenverteilung immer stärker hin zur jüngeren Generation verschiebt, die dann mit höheren Beiträgen oder Steuern die Rentenleistungen finanzieren muss.
Die Umfrage mache deutlich, dass die Mehrheit der jungen Generation kaum noch Hoffnung auf eine vernünftige eigene Altersvorsorge hege, sagte die Vorsitzende des Verbands Die Jungen Unternehmer, Sarna Röser, dem Handelsblatt. „Die Zahlen sind aber auch ein Misstrauensvotum gegenüber den Rentenvorschlägen der Parteien und vor allem gegen die bisherige Rentenpolitik der Großen Koalition.“ Die Klientelpolitik von Union und SPD bei der Rente, die insbesondere auf die aktuelle Rentnergeneration abziele, stoße zu Recht auf Kritik. „Die finanziellen Lasten können nicht noch mehr auf die junge Generation abgewälzt werden.“
Röser fordert eine echte Reform bei der Rente im Sinne der Generationengerechtigkeit. Die Ergebnisse der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) eingesetzten Rentenkommission seien viel zu dürftig ausgefallen. „Längst könnte das gesetzliche Renteneintrittsalter perspektivisch an die Lebenserwartung gekoppelt werden.“
Weil aber dieses Tabuthema niemand anpacken will, zielen die meisten Parteien stattdessen auf den Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Säule bei der Rente ab. Die klassische private Riester-Vorsorge ist in den Augen von Kritikern gescheitert, sie gilt als zu bürokratisch, teuer und ineffektiv. Die Zahl der Riester-Verträge ist inzwischen sogar rückläufig und lag zuletzt noch bei 16,4 Millionen. Rund ein Fünftel davon wird nicht mehr aktiv bespart.
Wie die Parteien das Problem lösen wollen
Die Vorschläge der Parteien reichen von der Einführung eines einfachen Riester-Standardprodukts über einen staatlich verwalteten Bürgerfonds bis hin zur FDP-Idee einer Aktienrente nach schwedischem Vorbild innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Liberalen schlagen vor, dass jeder Rentenversicherte zwei Prozent seines Bruttoeinkommens in die Aktienrente einzahlt und sein Beitrag für das umlagefinanzierte System entsprechend reduziert wird.
„Wir müssen die gesetzliche Rente von der alleinigen Abhängigkeit vom Umlagesystem entkoppeln und auf zwei Beine stellen“, fordert FDP-Vize Vogel. Gerade Menschen mit geringen Einkommen würden so erstmals von den Chancen der globalen Aktienmärkte profitieren und zu Unternehmensteilhabern werden können.
Auch der Fondsanbieter Fidelity, der die Umfrage in Auftrag gegeben hat, setzt – natürlich nicht uneigennützig – auf eine stärkere Kapitaldeckung bei der Rente. „Wir dürfen keine Wohlstandskluft zwischen Alt und Jung zulassen“, sagt Alexander Leisten, der bei Fidelity das Deutschlandgeschäft leitet. Nur mit einer stärkeren Beteiligung am Kapitalmarkt könnten junge Menschen effektiv Vorsorgevermögen aufbauen. „Wer das ignoriert und Aktien sowie Fonds bei dauerhaft niedrigen Zinsen weiter stigmatisiert, handelt verantwortungslos.“
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