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Ampel-Koalition Absage an Steuersenkungen – und doch bleibt Hoffnung auf eine Reform

SPD, Grüne und FDP werden kaum über Steuern verhandeln – zu groß sind dort die Differenzen. Ökonomen haben nun einen Vorschlag, wie sich doch noch etwas bewegen könnte.
20.10.2021 - 17:47 Uhr 1 Kommentar
Robert Habeck (l-r), Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner: Die Sondierer sahen keinen Weg, in der Steuerpolitik einen gemeinsamen Weg einzuschlagen. Quelle: dpa
Pressekonferenz nach Sondierungsgesprächen

Robert Habeck (l-r), Annalena Baerbock, Olaf Scholz, Christian Lindner: Die Sondierer sahen keinen Weg, in der Steuerpolitik einen gemeinsamen Weg einzuschlagen.

(Foto: dpa)

Berlin Am Donnerstagnachmittag beginnen die Verhandlungsführer von SPD, Grünen und FDP im Hub27, einer Halle der Berliner Messe, ihre Gespräche über eine Ampelkoalition. In 22 Arbeitsgruppen wollen sie einen Koalitionsvertrag verhandeln. Schon vor der ersten Runde zeichnet sich nach Handelsblatt-Informationen ab, dass eine Arbeitsgruppe nur ein mageres Ergebnis zustande bringen dürfte: Finanzen und Haushalt.

Die Steuerpolitik werde keine große Rolle mehr spielen in den Koalitionsverhandlungen, heißt es aus allen drei Parteien. Größere Entlastungen seien genauso vom Tisch wie die von der FDP im Wahlkampf geforderte vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Darüber müsse man eigentlich nicht mehr sprechen, so die Einschätzung.

Dieser Stillstand in der Steuerpolitik ist das Ergebnis der Sondierungsgespräche und offenbar die einzige Möglichkeit, die großen Differenzen zwischen SPD und Grünen auf der einen Seite und der FDP auf der anderen Seite zu überbrücken. Das hatte sich bereits im Sondierungspapier abgezeichnet.

Der zentrale Satz beschreibt nur, was man nicht tun will: „Wir werden keine Substanzsteuern einführen und Steuern wie zum Beispiel die Einkommen-, Unternehmen- oder Mehrwertsteuer nicht erhöhen.“

Die Liberalen haben Sozialdemokraten und Grünen also abgerungen, dass sie auf die von ihnen im Wahlkampf geforderten Steuererhöhungen für Spitzenverdiener und Unternehmer verzichten. Der Preis dafür: Auch die von der FDP gewünschten Entlastungen werden nicht kommen.

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Die FDP setzt beim Soli lieber auf Plan B

Die FDP hätte im Gegenzug für einen Soli-Abbau Mehrbelastungen, etwa einen höheren Spitzensteuersatz, akzeptieren müssen. Dieser Preis war aus Sicht der Liberalen zu hoch: Schließlich stehen die Chancen nicht so schlecht, dass das Bundesverfassungsgericht den Fortbestand des Solis für einige in der nächsten Wahlperiode kippen wird. Die FDP kann also hoffen, ihr großes Ziel auf anderem Wege zu erreichen, ohne dafür SPD und Grünen entgegenkommen zu müssen. 

Auch wenn sich das steuerpolitische Patt im Sondierungspapier so andeutete: Der Stillstand mit Ansage passt nicht zum Erneuerungsimage, das sich eine Ampelkoalition gibt. Dass sich alle drei Parteien schon vor Start der Koalitionsgespräche offenbar damit arrangiert haben, nicht mehr über größere Steuerreformen verhandeln zu wollen, wird vor allem die Wirtschaft enttäuschen.

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Der Soli wird nur noch von den zehn Prozent Top-Verdienern gezahlt. Dazu zählen Personengesellschaften, etwa Handwerksbetriebe, die der Einkommensteuer unterliegen. Auch Kapitalgesellschaften müssen weiterhin den Soli als Zuschlag auf die Körperschaftsteuer abführen. „Die Streichung des Solis wäre ein erster Schritt, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen“, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Politik.

Dies unterstreicht eine aktuelle Umfrage des Münchener Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen und Politik unter 1500 Unternehmen, die dem Handelsblatt vorliegt. Demnach halten zwei Drittel der Familienunternehmen (67,9 Prozent) die Abschaffung des Solis für „sehr geeignet“ und „geeignet“, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Für die Unternehmen steht damit die Soli-Abschaffung in der Steuerpolitik an erster Stelle, noch vor einer Senkung der Einkommen- oder Körperschaftsteuer.

„Die nächste Bundesregierung sollte die Ungleichbehandlung beim Solidaritätszuschlag beenden“, fordert Kirchdörfer. Der Grund für diese Zusatzbelastung sei mit dem Auslaufen des Solidarpakts für Ostdeutschland im Jahr 2020 weggefallen. Zwar bestand zwischen dem Solidarpakt und der Erhebung des Soli keine rechtliche, aber doch eine politische Verknüpfung.

Trotz des sich abzeichnenden Stillstands haben aber auch Ökonomen die Hoffnung auf eine Steuerreform noch nicht ganz aufgegeben. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) spielt in einer Analyse durch, wie so eine Reform doch noch gelingen könnte: wenn sowohl Rot-Grün als auch die FDP sich etwas bewegen.

Ein Steuerreform-Plan für die Ampel

So schlägt das IW vor, den Grundfreibetrag auf 10.500 Euro anzuheben, wie es die Grünen fordern. Zugleich soll der Solidaritätszuschlag ganz wegfallen, wie es sich die FDP wünscht. Dazu sind sich alle Parteien einig, den Spitzensteuersatz von 42 Prozent erst ab einem höheren Einkommen greifen zu lassen. Nach dem IW-Vorschlag sollte er künftig nicht mehr bei rund 60.000, sondern erst ab 70.000 Euro gelten.

Um nicht einseitig vor allem Spitzenverdiener zu entlasten, schlägt das IW vor, noch einen neuen Steuersatz einzuziehen. Ab einem Einkommen von 90.000 Euro soll künftig ein Satz von 44,5 Prozent gelten. Gleichzeitig sollte der sogenannte „Reichensteuersatz“ von derzeit 45 auf 47 Prozent angehoben werden und fix ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 250.000 Euro greifen.

Größere Entlastungen für die Steuerzahler spielen in den Koalitionsverhandlungen kaum noch eine Rolle. Quelle: imago images/Michael Gstettenbauer
Düsseldorfer Königsallee

Größere Entlastungen für die Steuerzahler spielen in den Koalitionsverhandlungen kaum noch eine Rolle.

(Foto: imago images/Michael Gstettenbauer)

„Eine solche Reform würde – Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag zusammen betrachtet – keinen Steuerzahler stärker belasten als heute“, schreiben die IW-Forscher Martin Beznoska und Tobias Hentze.

Wer mit 25.000 Euro wenig verdient, hätte durch die Reform 107 Euro mehr im Jahr in der Tasche. Wer 80.000 Euro verdient, 1338 Euro, der Reichensteuersatzzahler mit 300.000 Euro Jahreseinkommen käme immerhin noch auf 1252 Euro.

Die Steuerreform würde nicht nur alle Steuerzahler entlasten, sie fiele mit Einnahmeausfällen von 17 Milliarden Euro im Jahr zugleich auch halbwegs moderat aus. Berücksichtigt man ein höheres Wachstum, das durch die Steuerreform entstünde, dürfe der Einnahmerückgang für den Fiskus noch „geringer ausfallen“, so das IW.

Konzentration auf andere Projekte

Doch die Sondierer sahen keinen Weg, in der Steuerpolitik einen solchen Weg einzuschlagen. In den Koalitionsverhandlungen wird man sich daher auf die Ausgestaltung der wenigen Kompromissmöglichkeiten konzentrieren, dazu zählen etwa die Superabschreibungen auf Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung sowie eine Vereinfachung der Steuerbürokratie.

„Auch die FDP musste einsehen, dass es keinen Sinn macht, einem nackten Seemann in die Tasche zu greifen“, heißt es aus Verhandlungskreisen. In der Haushaltsplanung klaffen gewaltige Lücken, nach den Sondierungen sind die Löcher noch größer geworden.

Bei vielen Vorhaben ist die Finanzierung unklar. Die Vorschläge, etwa Einnahmen aus einer besseren Bekämpfung von Steuerhinterziehung oder aus einer Mindeststeuer, sind bisher eher Hoffnungswerte. Und die Idee, die Schuldenbremse zu umgehen, ist umstritten.

Es ist vor allem der Haushalt, der in den Koalitionsverhandlungen viel Zeit und Kraft kosten dürfte. Insofern kommt auf die Unterhändler in der Gruppe Finanzen genug Arbeit zu. Nur geht es weniger darum, selbst durch Steuerpolitik zu gestalten, als vielmehr Spielräume im Haushalt zu suchen, damit die anderen Arbeitsgruppen ihre Projekte umsetzen können.

Mehr: Stillstand in der Finanzpolitik – Wo die Ampelkoalition eine GroKo 2.0 werden könnte

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1 Kommentar zu "Ampel-Koalition: Absage an Steuersenkungen – und doch bleibt Hoffnung auf eine Reform "

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  • Das Titelbild ist eigentlich schon aussagekräftig genug. Ein Habeck + Bärbock die komplett bedient sind weil sie sich mehr oder wenig kaum durchsetzen konnten, ein Scholz dem sowieso alles egal ist, hauptsache Kanzler und ein Lindner der grinst und den besten Deal bekommen hat.
    Genau so laufen die Verhandlungen. Glücklicherweise hat die FDP der Regierung somit wenigstens einen Hauch Realismus verpasst.

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