Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Ampel-Koalition Arbeitgeber sehen die 40-Prozent-Marke der Sozialabgaben in Gefahr

Die Ampel-Sondierer haben sich nicht zur Stabilisierung der Sozialbeiträge unterhalb von 40 Prozent bekannt. Nun warnt der Arbeitgeberverband Gesamtmetall.
20.10.2021 - 17:20 Uhr Kommentieren
Derzeit sind es vor allem die Gesundheitsausgaben, die immer weiter steigen. Quelle: dpa
Operationssaal

Derzeit sind es vor allem die Gesundheitsausgaben, die immer weiter steigen.

(Foto: dpa)

Berlin Auf kaum etwas haben die Arbeitgeber im Wahlkampf mehr gedrängt als auf die Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge. BDA-Präsident Rainer Dulger wollte die 40-Prozent-Marke sogar im Grundgesetz verankert sehen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu sichern.

Doch im Ergebnispapier, das SPD, Grüne und FDP nach ihren Ampel-Sondierungen veröffentlich haben, findet sich kein Wort zu einem Sozialabgaben-Deckel. Dafür finden sich umso mehr Wünsche und Vorhaben, die die Sozialausgaben weiter in die Höhe treiben könnten. Dazu zählen die langfristige Stabilisierung des Rentenniveaus oder eine Offensive für mehr Pflegepersonal.

Und obwohl die Gesetzliche Krankenversicherung 2022 voraussichtlich schon 28,5 Milliarden Euro Steuergeld benötigt, um die Beiträge stabil halten zu können, wird eine Ampel-Koalition wohl kaum den Mut aufbringen, im Gesundheitswesen zu kürzen.

Dass die „Sozialgarantie“ der Großen Koalition auch unter einer künftigen Bundesregierung Bestand haben wird, ist also unwahrscheinlich. Union und SPD hatten für das laufende Jahr gesetzlich festgeschrieben, dass pandemiebedingte Mehrausgaben in den Sozialkassen aus Steuermitteln ausgeglichen werden, um den Gesamtbeitrag aus Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung nicht auf mehr als 40 Prozent des Bruttolohns steigen zu lassen.

Gewerkschaften sehen kein Problem in steigenden Sozialbeiträgen

Sebastian Dullien, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), hätte gar nichts dagegen, wenn dieses Limit künftig temporär überschritten würde: „Die 40-Prozent-Marke ist eine willkürlich gegriffene Grenze, für die es keine ökonomische Rechtfertigung gibt.“

Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit seien nicht die Lohnnebenkosten, sondern die Lohnkosten relativ zur Produktivität. Und würde die Politik jetzt beispielsweise Gesundheitskosten durch eine Erhöhung der Zusatzbeiträge einseitig auf die Beschäftigten verlagern, wäre auch nichts gewonnen, weil die Gewerkschaften sich das in der nächsten Lohnrunde zurückholen würden.

Ähnlich argumentiert die IG Metall: „Der 40-Prozent-Deckel ist nichts anderes als eine Forderung der Arbeitgeber nach Sozialkürzungen durch die Hintertür“, sagt das für Sozialpolitik zuständige Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. Eine willkürliche Begrenzung der Sozialbeiträge sei ökonomisch nicht begründbar und angesichts bevorstehender gesellschaftlicher Herausforderungen unverantwortlich. Gerade im Wandel steige der Bedarf nach sozialer Sicherheit.

Doch der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wirft der Gewerkschaft vor, bewusst Nebelkerzen zu zünden und falsche Behauptungen aufzustellen. In einem zehnseitigen Thesenpapier, das dem Handelsblatt vorliegt, hebt er die Bedeutung der 40-Prozent-Marke hervor. So habe die Höhe der Sozialabgaben, anders als etwa von Dullien behauptet, sehr wohl Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit.

Um Preiserhöhungen für ihre Produkte zu vermeiden, könnten Unternehmer bei steigenden Sozialabgaben zwar an anderer Stelle sparen, etwa durch den – politisch nicht gewollten – Ausstieg aus der Tarifbindung. Oder sie könnten die Produktivität erhöhen, was aber nur noch begrenzt möglich sei.

Deshalb drohe die Gefahr, dass sich die Produktion hierzulande nicht mehr rechne. Das Prognos-Institut hatte schon 2017 in einer Studie gezeigt, dass jeder zusätzliche Beitragssatzpunkt rein rechnerisch rund 90.000 Arbeitsplätze in Deutschland kosten könnte.

Wovon die Akzeptanz des Sozialsystems abhängt

Zudem dürften Politik und Gewerkschaften nicht nur Leistungen ins Schaufenster stellen, ohne über deren Finanzierung zu reden, heißt es in dem Papier weiter. Denn dann werde die Lastenverschiebung zwischen den Generationen ausgeblendet. Bei ständigen Leistungsausweitungen müsse die jüngere Generation nicht nur deutlich höhere Beitragslasten schultern, sondern sich auch mit einem niedrigeren Sicherungsniveau zufriedengeben. Die 40-Prozent-Marke sei kein Dogma, heißt es in dem Papier.

Denn zum einen hänge die Akzeptanz des Sozialsystems auch davon ab, dass die Beitragszahler auf einen effizienten Umgang mit ihrem Geld vertrauen können. Zum anderen müssten alle heutigen und in Aussicht gestellten Leistungen auch dauerhaft finanziert werden. „Beitragszahlern die Diskussion darüber zu verweigern, was mit ihrem Geld geschieht, ist ein fragwürdiges Demokratieverständnis.“

Noch können SPD, Grüne und FDP in Koalitionsverhandlungen die Sozialabgaben stärker in den Blick nehmen. Vorbild könnte der Koalitionsvertrag der rot-grünen Bundesregierung sein, die sich 1998 zum Ziel setzte, die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren und die Sozialabgaben von gut 42 Prozent auf unter 40 Prozent zu senken.

„Die Entlastung der Arbeit durch eine Senkung der gesetzlichen Lohnzusatzkosten ist ein Eckpfeiler unserer Politik für neue Arbeitsplätze“, heißt es darin. Strukturreformen sollten damals helfen, „die Zielgenauigkeit und Wirtschaftlichkeit der sozialen Sicherungssysteme“ zu verbessern.

Mehr: Finanzierung von Investitionen und Rente: Scharfe Kritik von Top-Ökonomen an den Ampel-Verhandlern

Startseite
Mehr zu: Ampel-Koalition - Arbeitgeber sehen die 40-Prozent-Marke der Sozialabgaben in Gefahr
0 Kommentare zu "Ampel-Koalition: Arbeitgeber sehen die 40-Prozent-Marke der Sozialabgaben in Gefahr "

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%