Kartellamt: Neues Gesetz zum Kampf gegen Praktiken von Facebook & Google
Benachrichtigung aktivierenDürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafftErlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviertWir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Anzeige
Andreas Mundt im InterviewKartellamt will weniger Kooperation
Andreas Mundt will, dass die Unternehmen mit dem Ende der Krise wieder mehr in Wettbewerb treten. Mit einem neuen Gesetz kämpft der Kartellamtschef gegen die Praktiken von Facebook und Google.
In der Coronakrise hat das Bundeskartellamt Kooperationen toleriert, die es sonst nicht zugelassen hätte, sagt der Chef des Amtes, Andreas Mundt, im Handelsblatt-Interview. Er werde darauf achten, dass diese Kooperationen nach der Krise auch wieder beendet werden. Als Beispiel nennt er gegenseitige Hilfen von Automobilzulieferern.
Mundt fordert, bei der Durchsetzung der geplanten europäischen Digitalregulierung einbezogen zu werden. Die großen Konzerne in dieser Branche will er aber nicht zerschlagen. Diese Möglichkeit zu schaffen wird immer wieder gefordert, etwa auch von sozialdemokratischen und grünen Politikern.
So etwas sei aber schwierig, langwierig und würde Klagen nach sich ziehen. „Wir in Bonn werden mit Sicherheit keinen Digitalriesen zerschlagen können“, sagte Mundt und verwies auf die USA, die als Standort der Konzerne andere Möglichkeiten haben.
Allerdings widersprächen solche Versuche der Logik auf digitalen Märkten: „Wenn Sie einen Digitalkonzern zerschlagen, ist es sehr gut möglich, dass ein neues marktstarkes Unternehmen nachwächst“, sagte er. „Das funktioniert anders als auf dem Markt für Holz oder Stahl.“
Ein modernes Wettbewerbsrecht hält er für effizienter. Die Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) lobte er: „Die Erweiterung der Missbrauchsaufsicht im deutschen Kartellrecht ist weltweit die fortschrittlichste, die wir kennen.“
Für sein Amt forderte Mundt weitere Befugnisse im Verbraucherschutz. So hätten die Kartellwächter bei Preisvergleichsportalen, Nutzerbewertungen, Smart-TVs und Apps Mängel aufgedeckt. Die Befugnisse, diese Mängel abzustellen, haben sie aber nicht. Die hervorragende Arbeit der Verbraucherschutzverbände stoße gerade im Internet an ihre Grenzen.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Andreas Mundt
Der Jurist ist seit 2009 Präsident des Bundeskartellamts.
(Foto: dpa)
Herr Mundt, dank der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) können Sie gegen die großen Digitalkonzerne vorgehen. Wie mächtig ist das Bundeskartellamt nun? Wir führen ja bereits seit vielen Jahren Verfahren gegen die großen Digitalkonzerne, und wir haben auch bereits einiges bewirkt. Aber die GWB-Novelle macht uns das Leben künftig leichter. Sie sorgt dafür, dass wir schneller, effektiver und zu einem früheren Zeitpunkt gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Digitalkonzerne einschreiten können als bislang. Das Gesetz enthält jetzt auch einen Katalog von Verhaltensweisen, die für bestimmte Unternehmen verboten werden können. Das macht es einfacher, unsere Entscheidungen vor den Gerichten durchzufechten.
Warum? Bei unserem Vorgehen gegen die großen Digitalkonzerne stellen sich rechtliche und ökonomische Fragen, zu denen es noch keine etablierte Rechtsprechung gibt, auf die wir uns vor den Gerichten beziehen können. Da müssen Sie dann schon mal, wie im Facebook-Fall, vom Oberlandesgericht zum Bundesgerichtshof und wieder zurück und dann noch zum EuGH, bis Sie ein Grundsatzurteil bekommen. Hier zu der zentralen Frage, ob und wie Daten Marktmacht begründen oder verstärken und wie wir das bewerten. Eine weitere wichtige Verbesserung durch die GWB-Novelle: Alle Verfahren im Zusammenhang mit der möglichen überragenden marktübergreifenden Bedeutung der Digitalkonzerne landen direkt in Karlsruhe beim Bundesgerichtshof, auch die Gerichtsverfahren werden schneller.
Also sind Sie nun vollends zufrieden mit dem aktuellen Wettbewerbsrecht? Die Erweiterung der Missbrauchsaufsicht im deutschen Kartellrecht ist weltweit die fortschrittlichste, die wir kennen. Die Novelle ist seit Anfang des Jahres in Kraft, und wir haben in den wenigen Monaten mehrere Verfahren gegen alle GAFA-Konzerne eröffnet. Ich bin mir sicher, dass wir mit diesen Verfahren wichtige Verbesserungen herbeiführen werden.
Was wir in puncto Digitalwirtschaft bei der GWB-Novelle nicht stark thematisiert haben, ist die Fusionskontrolle. Seit vier Jahren ist ja auch die Höhe des Kaufpreises relevant dafür, ob wir zum Beispiel die Übernahme eines Start-ups durch einen großen Digitalkonzern prüfen können, also insbesondere sogenannte Killer Acquisitions. Ich bin nicht sicher, ob das ausreichend ist, zumal die Hürden für die inhaltliche Prüfung solcher Übernahmen weiterhin hoch sind.
Vita Andreas Mundt
Andreas Mundt studierte in Bonn, Lausanne und Genf Rechtswissenschaften. Im Wirtschaftsministerium wurde er 1991 verbeamtet, ab 1993 arbeitete er als Referent für Arbeits- und Sozialrecht bei der FDP-Bundestagsfraktion.
Mundt kam im Jahr 2000 als Beisitzer in der Beschlussabteilung für Kreditinstitute und Lotteriewesen zum Bundeskartellamt. Bevor er 2009 Präsident des Bundeskartellamts wurde, leitete er ab 2005 die Grundsatzabteilung des Amtes. Zuvor war er vier Jahre Leiter des Referates für Internationale Wettbewerbsfragen.
Das ließe sich am leichtesten durch komplette Übernahmeverbote für die großen Digitalkonzerne regeln. Erzählen Sie das mal der Start-up-Szene oder anderen Unternehmen auf Investorensuche. Nein, das wäre ein über das Ziel hinausschießender Eingriff. Aber Anpassungen der bestehenden Fusionskontrolle, um die Übernahmen von jüngeren potenziellen Wettbewerbern durch etablierte digitale Ökosysteme besser kontrollieren zu können, sollten wir diskutieren.
Leidet die Fusionskontrolle unter dem verstärkten Blick auf die Missbrauchsaufsicht? Diese Verschiebung ist bei den Digitalkonzernen zwingend. Die Unternehmen sind zunächst vor allem intern rasend schnell gewachsen, wobei sie von Netzwerk- und Dateneffekten profitieren konnten. Richtig ist aber, dass wir auch die Übernahmen in diesem Bereich streng bewerten müssen. Das Kippen von Märkten hin zu einem Monopol hängt häufig entscheidend von Fusionen ab. Beispielsweise dürfte Facebook seine Position auch durch die Übernahmen von Instagram und WhatsApp ausgebaut haben.
Hätten Sie Fusionen in der Vergangenheit stärker in den Blick nehmen müssen? In Deutschland fehlte uns für diese Fälle schon die Zuständigkeit. Rückblickend war die Fusionskontrolle aber weltweit hier weniger stringent, als sie es hätte sein können. Hinterher ist man immer schlauer. Dieses Instrument ist aber auch besonders schwierig anzuwenden. Alle meinen, die entscheidenden Übernahmen, die „Killer Acquisitions“, muss man doch irgendwie in den Griff kriegen.
Aber die zielsichere Beurteilung ist schwierig zu einem Zeitpunkt, zu dem die Übernahmekandidaten noch in der Start-up-Phase sind und sich Marktpotenziale gerade erst entwickeln. Die Unternehmen wissen ja oft selbst nicht, ob sie gerade das Unternehmen kaufen, das den Wettbewerb eindampft. Da wird viel spekuliert. Das ist für eine Wettbewerbsbehörde sehr schwer zu beurteilen.
„Krisen-Kooperationen müssen nach der Krise wieder beendet werden“
Welchen Einfluss hatte die Pandemie auf Ihre Arbeit? Wir haben krisenbedingt viele Anfragen von Unternehmen und Verbänden bekommen, die nach Wegen gesucht haben, sich enger als sonst unter Wettbewerbern üblich miteinander abzustimmen und zusammenzuarbeiten. Wir haben in dieser Zeit Kooperationen toleriert, die wir sonst vermutlich nicht zugelassen hätten. Ordnungspolitik gilt natürlich auch in der Krise. Aber veränderte Wettbewerbsverhältnisse führen auch zu veränderten Bewertungen. Zentral war für uns, dass diese Kooperationen nicht unverhältnismäßig sind und den Wettbewerb komplett ausschalten, dass sie keine Unternehmen ohne Grund ausschließen, und, ganz wichtig, wir werden darauf achten, dass sie nach der Krise auch wieder beendet werden.
Können Sie ein Beispiel nennen? Als die Bänder in der Automobilindustrie wieder anliefen, konnten die Zulieferer nicht alle gleichzeitig bedienen. Da haben sich die Unternehmen entlang der Lieferkette gegenseitig ausgeholfen. Das ist kartellrechtlich unter normalen Marktbedingungen offensichtlich bedenklich.
Fusionskontrolle steht am Anfang, Verbraucherschutz am Ende der Prozesse. Sollte es am Anfang mal nicht so gut laufen, haben Sie dann genügend Möglichkeiten, um die Verbraucher zu schützen? Das Bundeskartellamt hat seit 2017 Befugnisse im Verbraucherschutz. Wir können Sektoruntersuchungen durchführen und haben im Bereich der Digitalwirtschaft bereits erhebliche verbraucherrechtliche Defizite aufgedeckt, ob bei Preisvergleichsportalen, Nutzerbewertungen, Smart-TVs oder sogenannten Mobile Apps. Das Problem: Wir können nicht mehr tun, als diese Dinge festzustellen. Wir haben bislang keine Befugnisse, die Unternehmen zu zwingen, ihr Verhalten zu ändern.
Wie lässt sich das ändern? Es ist kein Geheimnis, dass wir uns erweiterte Befugnisse für die Fälle wünschen würden, in denen der zivilrechtliche Verbraucherschutz nicht ausreicht. Dann nutzt es auch allen etwas, dass wir bessere Ermittlungsmöglichkeiten als zum Beispiel die Verbraucherschutzverbände haben.
Verbraucherschutz ist in Deutschland überwiegend Privatangelegenheit, unterstützt durch die hervorragende Arbeit der Verbraucherschutzverbände. Das funktioniert in vielen Bereichen bestens. Aber gerade im Internet stößt man damit an Grenzen. Mittels behördlicher Eingriffsbefugnisse könnten wir hier effektiver zu Lösungen der Probleme kommen.
Wie viel Sinn macht es bei den großen Konzernen, dass nationale Behörden zuständig sind? Braucht es nicht mindestens eine EU-weite Zuständigkeit? Eine weitere als eine EU-weite Zuständigkeit ist völlig unrealistisch. Diskussionen über ein Welt-Kartellamt waren immer rein akademische Überlegungen. Aber die Zusammenarbeit innerhalb der EU funktioniert seit Jahrzehnten einwandfrei. Es gibt eine sehr gute Arbeitsteilung zwischen nationalen Behörden und der EU-Kommission. Viele Entscheidungen der nationalen Wettbewerbsbehörden haben für ganz Europa und sogar weltweit Wirkung entfaltet, nehmen Sie zum Beispiel unsere Amazon-Verfahren.
Facebook-Europazentrale in Dublin
Wie der Macht der Digitalkonzerne beizukommen ist, dazu gibt es unterschiedliche Ansätze.
(Foto: REUTERS)
Trotzdem arbeitet die EU mit dem Digital Markets Act (DMA) an einem neuen Gesetz, um selbst den Wettbewerb zu regulieren. Mit dem DMA soll gesamteuropäisch die Aufsicht über die Digitalkonzerne erweitert werden. So funktioniert auch das klassische Kartellrecht. Wir haben in jedem Mitgliedstaat und auf der europäischen Ebene die gleichen Instrumente. Auf dieser Basis arbeiten wir hervorragend zusammen. Warum sollte das beim DMA anders sein?
Der DMA ist in der Sache ein wettbewerbsrechtliches Instrument, in das vor allem die Fallpraxis und das Know-how der Generaldirektion Wettbewerb und der nationalen Wettbewerbsbehörden eingeflossen ist. Es macht Sinn, dass die EU-Kommission festlegt, welche Unternehmen dem DMA konkret unterfallen sollen.
Aber die nationalen Wettbewerbsbehörden sollten dann an der konkreten Durchsetzung der Vorgaben für die Unternehmen beteiligt sein. Das ist in der Wettbewerbsaufsicht über Jahrzehnte eingespielte Praxis: Arbeitsteilung, Spezialisierung, Know-how-Transfer, nationale Besonderheiten etc. Wenn Brüssel allein verantwortlich ist, würden wir uns in Europa bei der Durchsetzung selbst schwächen.
„Wir haben in Deutschland ein wirklich fortschrittliches Kartellrecht“
Bei welchen Fällen wird der DMA helfen, bei denen Sie bisher mit Ihren Methoden an eine Grenze stoßen? Wir haben in Deutschland inzwischen ein wirklich fortschrittliches Kartellrecht. Der Entwurf des DMA hat eine ganz ähnliche Stoßrichtung und geht nicht wesentlich darüber hinaus. Das ist in anderen Ländern anders. Der DMA wird eine starke Wirkung entfalten, weil er in ganz Europa gilt.
Also bräuchten wir in Deutschland den DMA eigentlich nicht? Noch mal: Eine gewisse europäische Vereinheitlichung der wesentlichen auf Wettbewerb zielenden Instrumente ist absolut sinnvoll. Aber die Arbeiten sind ja auch noch nicht abgeschlossen. Es gibt noch laufende Diskussionen, etwa darüber, welche Unternehmen vom DMA erfasst werden sollen.
Wo würden Sie die Grenze setzen? Einerseits dürfen die Voraussetzungen nicht so eng gesetzt werden, dass nur ganz bestimmte Unternehmen darunterfallen. Das wäre dann ein Spezialgesetz und nicht zulässig. Andererseits müssen wir aufpassen, dass nicht Unternehmen erfasst werden, bei denen eine schärfere Regulierung keinen Sinn ergibt.
Werden nach Deutschland und der EU weitere Weltregionen folgen und verschärft gegen die Digitalmächte vorgehen – etwa die USA? Die Bereitschaft ist dort mit Sicherheit viel größer als in der Vergangenheit. Die jüngsten Personalentscheidungen der Biden-Administration unterstreichen das. Wie die Verantwortlichen konkret vorgehen werden, kann ich aber noch nicht sagen.
„Wir in Bonn werden mit Sicherheit keinen Digitalriesen zerschlagen können“
Glauben Sie, dass es zu einer Zerschlagung der Konzerne kommen wird? Man muss das unterscheiden: Zerschlagung ist ja nicht gleichzusetzen mit der Zerstörung oder Atomisierung eines Unternehmens. Gesetzliche Vorgaben, etwa darüber, dass ein digitaler Gatekeeper in einem bestimmten Bereich nicht gleichzeitig tätig sein kann, zum Beispiel als Anbieter auf seiner Plattform, würden schließlich auch strukturelle Folgen haben und damit Wirkungen erzeugen wie eine Zerschlagung.
Hinsichtlich einer einzelfallbezogenen Zerschlagung bin ich hingegen ein bisschen skeptisch, weil solche Verfahren unglaublich schwierig und langwierig wären. Wenn, dann könnten es wahrscheinlich nur die USA selbst durchsetzen – wir in Bonn werden mit Sicherheit keinen Digitalriesen zerschlagen können. Hinzu kommt: Zerschlagungen in Einzelverfahren würden enorme Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen.
Und wie entscheiden Gerichte in solchen Fällen? Ungewiss. Solche Fälle kennen wir ja noch gar nicht. Wie die Gerichte in den USA letztendlich auf die Maßnahmen der Wettbewerbsbehörden gegen die Digitalkonzerne reagieren werden, wissen wir bisher gar nicht, weil dort nur ganz wenige Fälle überhaupt vor Gericht gebracht worden sind.
Was müsste denn aus Ihrer Sicht noch passieren, damit Zerschlagungen gerechtfertigt sind? Hunderttausende Unternehmen sind von ganz wenigen Digitalkonzernen abhängig, die eine Machtfülle haben, wie man sie vor 20 Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte. Ganz generell kann die Zerschlagung eines Unternehmens immer nur die Ultima Ratio sein. Zunächst muss man alles unternehmen, um diese Unternehmen mit dem bestehenden Wettbewerbsrecht in den Griff zu bekommen. Wir hatten Erfolge, aber es bleibt noch viel zu tun. Der zweite Schritt sind Anpassungen und Modernisierungen des Wettbewerbsrechts. Das ist in Deutschland gerade mit dem neuen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen passiert, und in der EU geht der DMA in eine ähnliche Richtung.
Wird das ausreichen? Ich denke, dass die Ausgangsposition sehr gut ist. Aber ich verstehe, dass Gesetzgeber in verschiedenen Ländern angesichts des fortschreitenden Machtzuwachses einiger Digitalkonzerne auch schon über strukturelle Vorgaben nachdenken. Allerdings: Diese Marktstärke ist auch deswegen entstanden, weil es auf den digitalen Märkten Netzwerkeffekte gibt, die diese Machtkonzentration stark befördern. Dazu kommt, dass auch die Datensammlung einen erheblichen Beitrag leisten kann, dass Unternehmen mächtiger werden. Wenn Sie also einen Digitalkonzern zerschlagen, ist es sehr gut möglich, dass ein neues marktstarkes Unternehmen nachwächst. Das funktioniert anders als auf dem Markt für Holz oder Stahl.
„Es muss das Ziel sein, Waffengleichheit herzustellen“
Das Außenwirtschaftsrecht ist zuletzt mehrfach novelliert worden, im Prinzip ging es jeweils darum, den Einfluss chinesischer Investoren zu begrenzen. Ist man da nicht mittlerweile übers Ziel hinausgeschossen? Aus wettbewerblicher Sicht bin ich ein großer Freund von Reziprozität. Wenn keine vergleichbaren Bedingungen für wirtschaftliche Betätigung gegeben sind, besteht zwischen den Unternehmen kein Level Playing Field. Das kann man ja nicht einfach hinnehmen. Es muss das Ziel sein, Waffengleichheit herzustellen. Das ist ein völlig legitimes wirtschaftspolitisches Ziel.
An welchen Stellen fehlt die Waffengleichheit? Bei öffentlichen Aufträgen zum Beispiel. Es kann nicht sein, dass sich europäische Unternehmen nicht auf große Aufträge aus Ländern wie China bewerben können, während chinesische Unternehmen hier in Europa freie Bahn haben. Chinesische Unternehmen finden in Europa sehr gute Bedingungen für ihr Wachstum und für das Durchdringen von Märkten. Umgekehrt werden in China Schutzzäune um die heimischen Unternehmen aufgebaut. Gerade die Digitalunternehmen in China haben sehr davon profitiert, dass sie in ihrem Heimatland ideale Bedingungen vorgefunden haben, um ungestört zu wachsen und den kompletten chinesischen Markt aufzurollen.
Ist die ganze Globalisierungsidee an ihre Grenzen gestoßen? Die Globalisierung hat den Wettbewerb weltweit enorm verschärft. In der Pandemie haben wir gewisse Grenzen aufgezeigt bekommen. Aber das heißt ja nicht, dass die Globalisierung ein Fehler ist. Sie hat viel Positives für die Verbraucher hervorgebracht, die Produktionskosten sind gesunken, Länder sind aus der Armut gekommen. Aber wir müssen aufpassen, nicht in zu starke Abhängigkeiten zu geraten. Dass uns das bewusst wird, kann ein positiver Effekt der Pandemie sein. Herr Mundt, vielen Dank für das Interview.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.