Arbeitskampf Arbeitgeber dürfen Streikbrechern hohe Prämien zahlen

Trotz Streik wird weitergearbeitet – und dafür extra gezahlt. Solche Prämien hat das Bundesarbeitsgericht nun gebilligt.
Berlin Das Streikrecht ist lange immer weiter zulasten der Arbeitgeber verschoben worden. Unterstützungsstreiks haben ebenso den höchstrichterlichen Segen gefunden wie Flashmob-Aktionen. Auch gegen kollektive Krankmeldung – wie zuletzt in größerem Stil bei der Pleite-Fluggesellschaft Air Berlin – können sich Unternehmen kaum wehren.
Der Gesetzgeber hat die Waffengleichheit im Arbeitskampf zuletzt ebenfalls zugunsten der Arbeitnehmer verschoben: Er verankerte im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz das Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen.
Nun aber hat das Bundesarbeitsgericht die Arbeitgeberseite gestärkt und entschieden, dass Streikbruch-Prämien ein zulässiges Mittel im Arbeitskampf sind – selbst wenn sie den Tagesverdienst des Beschäftigten um ein Mehrfaches überschreiten.
„Die Feststellung der Rechtmäßigkeit dieser Streikbruchprämien ist nicht überraschend und aus Arbeitgebersicht zu begrüßen“, kommentierte Bernd Pirpamer, Partner im Arbeitsrecht bei der Kanzlei Eversheds Sutherland in München, die Entscheidung. Streikbruchprämien eigneten sich zur Verringerung der Streikschäden oder sogar zur Durchsetzung eines Streikabbruchs. Sie könnten deshalb im konkreten Einzelfall wirtschaftlich und streiktaktisch ein sehr effektives Instrument sein.
Geklagt hatte ein Verkäufer eines Einzelhändlers in Niedersachsen, der 1.480 Euro brutto im Monat verdiente. Das Unternehmen wurde von der Gewerkschaft Verdi bestreikt, die mit dem Arbeitskampf einen Tarifvertrag zur Anerkennung regionaler Einzelhandelstarifverträge erzwingen wollte.
Der Arbeitgeber lobte für alle Arbeitnehmer, die sich nicht am Streik beteiligten, eine Prämie von 200 Euro brutto pro Tag und später in einem zweiten Aushang von 100 Euro aus. Der Verkäufer folgte dennoch dem Aufruf der Gewerkschaft und legte an mehreren Tagen die Arbeit nieder.
Trotzdem verlangte er anschließend eine Prämie von insgesamt 1.200 Euro brutto und berief sich dabei auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Demnach darf ein Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen nicht ohne sachlichen Grund von begünstigenden Regelungen ausnehmen oder sie schlechterstellen. Das Arbeitsgericht in Braunschweig und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatten die Klage abgewiesen.
Auch mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht hatte der Kläger keinen Erfolg. Dass er die Prämie nicht bekommen habe, stelle zwar eine Ungleichbehandlung zwischen streikenden und nicht streikenden Beschäftigten dar, urteilte der Erste Senat in Erfurt. Diese sei aber aus arbeitskampfrechtlichen Gründen gerechtfertigt.
Der Einzelhändler habe mit der freiwilligen Sonderleistung Störungen im Betriebsablauf möglichst gering und damit dem Druck der Gewerkschaft etwas entgegenhalten wollen. „Vor dem Hintergrund der für beide soziale Gegenspieler geltenden Kampfmittelfreiheit handelt es sich um eine grundsätzlich zulässige Maßnahme des Arbeitgebers“, teilte das Gericht mit.
Auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das in jedem Arbeitskampf gewahrt werden müsse, sei durch die Höhe der Prämie nicht verletzt. Selbst wenn diese – wie im aktuellen Fall – den Tagesverdienst um ein Mehrfaches übersteige, sei sie doch nicht unangemessen.
„Dies gibt den Arbeitgebern bei der Festlegung der Höhe einer Streikbruchprämie mehr Sicherheit“, sagte Anwalt Pirpamer. Immerhin müsse die Streikbruchprämie hoch genug sein, damit ein Mitarbeiter von der Teilnahme absehe.
Wegen der einschränkenden Regelungen zum Einsatz von Zeitarbeitern zur Streikabwehr sei durchaus denkbar, dass Arbeitgeber zukünftig die Belegschaften noch stärker durch finanzielle Anreize von der Teilnahme am Streik abhalten würden, glaubt Pirpamer. Dies könne im Einzelfall günstiger sein, als etwaige Streikschäden über sich ergehen zu lassen.
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