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Arbeitsmarkt Hohe Inflation weckt Sorgen vor Lohn-Preis-Spirale

Die Jahre 2010 bis 2020 waren geprägt von einer „angemessen“ Tarifpolitik, zeigt eine IW-Studie. Doch die Dekade lohnpolitischer Zurückhaltung könnte jäh zu Ende gehen.
21.12.2021 - 17:02 Uhr Kommentieren
In den kommenden Tarifrunden dürfte angesichts des starken Preisauftriebs das Entgelt im Vordergrund stehen. Quelle: imago images/HärtelPRESS
Plakat der IG Metall

In den kommenden Tarifrunden dürfte angesichts des starken Preisauftriebs das Entgelt im Vordergrund stehen.

(Foto: imago images/HärtelPRESS)

Berlin Die derzeit hohen Inflationsraten ärgern nicht nur die Kunden im Supermarkt oder an den Tankstellen, sondern machen auch den Gewerkschaften Sorgen. Wenn die Preise so weiter stiegen, dann müsse es in der Metall-Tarifrunde im kommenden Jahr „eine satte Entgelterhöhung“ geben, forderte Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger jüngst bei einer tarifpolitischen Fachtagung.

Auch die IG BCE will in der anstehenden Chemie-Tarifrunde die Kaufkraft der Arbeitnehmer nachhaltig sichern: Diese seien mit rapide steigenden Preisen konfrontiert, während die meisten Unternehmen satte Gewinne einstrichen, sagte der Vizevorsitzende Ralf Sikorski. Beides seien starke Argumente dafür, dass die Beschäftigten „deutlich mehr verdienen“ sollen.

Der starke Preisauftrieb sorgt dafür, dass die gestiegenen Bruttolöhne im dritten Quartal vollständig von der Inflation aufgezehrt worden sind, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Für die Tarifverdienste erwarten die Wiesbadener Statistiker für das laufende Jahr ein Plus von 1,3 Prozent, das wäre der niedrigste Anstieg seit 2010. Die Verbraucherpreise dürften dagegen um rund drei Prozent zulegen, sodass die Beschäftigten trotz Lohnerhöhung real weniger in der Tasche haben.

Epoche der lohnpolitischen Zurückhaltung geht zu Ende

Viel spricht dafür, dass im kommenden Jahr eine Dekade relativer lohnpolitischer Zurückhaltung der Gewerkschaften zu Ende geht. Zwar sorgte der Abbau der Arbeitslosigkeit nach der Finanzkrise für eine dynamische Lohnentwicklung in den Jahren 2010 bis 2020, wie eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt.

Doch legten die Tariflöhne mit 27 Prozent weniger stark zu als die Bruttoverdienste, die neben dem steuerpflichtigen Arbeitslohn auch Sonderzahlungen sowie steuerfreie Zuschüsse und Zuschläge umfassen. Diese stiegen um 35 Prozent.

In der Studie, die dem Handelsblatt vorliegt, interpretiert IW-Forscher Hagen Lesch diese sogenannte positive Lohndrift dahingehend, dass die im untersuchten Zeitraum abgeschlossenen Tarifverträge nicht überzogen waren und den Unternehmen Raum für eine übertarifliche Bezahlung ließen. Dies ist beispielsweise wichtig, um bei Engpässen auf dem Arbeitsmarkt mit betrieblichen Lohnprämien Beschäftigte gewinnen oder halten zu können.

In den 2000er-Jahren waren die Tarifverdienste noch stärker gestiegen als die Bruttoverdienste. Gesamtwirtschaftlich betrachtet sei die Tarifpolitik in den Jahren 2010 bis 2020 demnach also „angemessen“ gewesen, schreibt Lesch.

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Eine ausgeprägte positive Lohndrift war aber vor allem im Dienstleistungssektor zu beobachten, während im produzierenden Gewerbe die Tariflöhne etwas stärker zulegten als die Bruttoverdienste insgesamt. Im Vergleich zur vorangegangenen Dekade hat sich die Tariflohndynamik in beiden Sektoren allerdings angeglichen.

So waren in den 2000er-Jahren die Tariflöhne in der Industrie noch deutlich schneller gestiegen als im Dienstleistungssektor. Allerdings entkoppelt sich die Lohndynamik bei den Dienstleistern zunehmend von der Produktivität, was Lesch auch auf die Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 zurückführt.

Preisbereinigt legten die Effektivlöhne um 19,1 Prozent zu

Die Inflation konnte den Beschäftigten im untersuchten Zeitraum wenig anhaben, preisbereinigt legten die Effektivlöhne um 19,1 Prozent zu. Die Lohnstückkosten der Unternehmen sind um 22,6 Prozent gestiegen, die Arbeitskosten wuchsen also deutlich stärker als die Produktivität.

Unternehmen haben in diesem Fall die Möglichkeit, steigende Lohnkosten aus ihren Gewinnen zu finanzieren, die Preise zu erhöhen oder zu rationalisieren, also beispielsweise Arbeitsplätze abzubauen.

Dass die Lohnstückkosten preisbereinigt nur um 3,8 Prozent gestiegen sind, deutet darauf hin, dass die Firmen einen Teil der höheren Lohnkosten an ihre Kunden weitergeben konnten. Dies gilt aber nur gesamtwirtschaftlich und kann auf der Ebene einzelner Unternehmen ganz anders aussehen.

Mit Blick in die Zukunft erwartet das IW kräftige Lohnsteigerungen, die sich schon allein aus dem durch die Coronapandemie nur kurz gedämpften Fachkräftemangel und der daraus resultierenden größeren Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer ergeben.

Auch könne die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro Auswirkungen auf untere Tariflohngruppen haben und den Lohndruck erhöhen. Und dann kommt noch die Inflation hinzu.

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„Angesichts des aktuell beschleunigten Preisauftriebs ist von der Lohnpolitik ein besonderes Augenmaß gefragt, um eine Lohn-Preis-Spirale mit negativen Wirkungen für Investitionen und Wachstum zu vermeiden“, mahnt Lesch. So sollten die Gewerkschaften bei ihrer Forderungsdiskussion beispielsweise berücksichtigen, dass bestimmte Preistreiber keine höheren Lohnforderungen rechtfertigen, weil sie – wie etwa die höheren Energiepreise – Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen träfen.

„Die Fehler nach den Ölpreisschocks der 1970er-Jahre, als versucht wurde, den Wohlstandsverlust der Arbeitnehmer über höhere Löhne auszugleichen und auf die Arbeitgeber abzuwälzen, sollten nicht wiederholt werden.“

Auch litten die Beschäftigten zwar aktuell unter der hohen Inflation. Über beide Coronajahre 2020 und 2021 hinweg seien die Tariflöhne aber stärker gestiegen als die Verbraucherpreise, sodass die Reallöhne mehr als gesichert worden seien. „Das können die Gewerkschaften als Erfolg ihrer Tarifpolitik verbuchen.“

Mehr: Bundesbank erwartet für 2022 eine noch höhere Inflation als in diesem Jahr

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