Arbeitsmarkt Im Handwerk fehlen 65.000 Fachkräfte – Vor allem Gesellen-Mangel ist riesig

Besonders groß sind die Fachkräfteengpässe unter anderem in Bauberufen.
Berlin Keine Urlaubsreisen, geschlossene Restaurants, Homeoffice – in der Pandemie verbringen die Bürger gezwungenermaßen viel Zeit zu Hause. Da liegt es nahe, anstehende Renovierungen anzugehen. Endlich ein neuer Anstrich im Wohnzimmer, endlich die hässliche alte Treppe im Flur ersetzen. Das Problem: Acht bis neun Wochen Wartezeit auf einen Handwerker müssen Kunden einkalkulieren, im Baubereich noch deutlich mehr.
Das hat auch damit zu tun, dass Fachkräfte im Handwerk trotz der Coronakrise weiter rar sind. Aktuell fehlen knapp 65.000, hat das Kompetenzzentrum Fachkräfte (Kofa) am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Studie ermittelt. In Berufen mit Handwerksanteilen kommen noch einmal 12.000 fehlende Fachkräfte hinzu.
Zwar ist die Zahl der offenen Stellen bei den überwiegend handwerklichen Berufen 2020 im Vergleich zum Vorjahr um gut 14 Prozent gesunken – etwas schwächer als bei allen Berufen für qualifizierte Tätigkeiten. Doch noch immer ist es äußerst schwer, sie zu besetzen.
So gibt es für mehr als jede dritte offene Stelle (35,9 Prozent) keinen verfügbaren Arbeitslosen mit einer entsprechenden Qualifikation. Die sogenannte Stellenüberhangsquote ist im Handwerk damit größer als über alle Berufe hinweg (27,4 Prozent). 2019, im Jahr vor Corona, lag sie allerdings noch bei rund 50 Prozent.
Im Tiefbau kommen auf 100 offene Meister-Stellen nur 17 entsprechend qualifizierte Arbeitslose
Von den knapp 65.000 fehlenden Fachkräften entfallen allein 54.000 auf Gesellinnen und Gesellen. Meisterinnen und Meister werden nicht so häufig gesucht, sind aber auch besonders schwer zu finden.
Für rund jede zweite Meister-Stelle (46,6 Prozent) gibt es keinen entsprechend qualifizierten Arbeitslosen, bei den Gesellen liegt die Quote bei gut einem Drittel (34,7 Prozent). Der Mangel an Meistern sei besonders kritisch, „wenn es um die Unternehmensnachfolge geht, für die zunehmend geeignete Personen fehlen“, heißt es in der Studie.
Besonders groß sind die Fachkräfteengpässe in Fertigungs- und Bauberufen, etwa in der Bauelektrik, in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik oder in der Kraftfahrzeugtechnik. Auch im Verkauf von Fleischwaren oder im Holz-, Möbel- und Innenausbau fehlen Gesellinnen und Gesellen.

In dem Beruf herrscht ein großer Mangel an Fachkräften mit Meistertitel.
Meister sind beispielsweise knapp in der Medizin-, Orthopädie- und Rehatechnik und ebenfalls in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Bei Meisterberufen im Tiefbau kommen nur 17 entsprechend qualifizierte Arbeitslose auf 100 offene Stellen. Regional sind die Fachkräfteengpässe im Handwerk in Bayern, Baden-Württemberg und Teilen Niedersachsens am größten.
Nach der Studie kommt das Handwerk etwas besser durch die Coronakrise als andere Berufsbereiche. So fiel, wie bereits ausgeführt, der Rückgang der offenen Stellen etwas geringer aus als in der Gesamtwirtschaft, und ab Mitte vergangenen Jahres stieg das Angebot wieder an. Ende 2020 lag die Zahl der offenen Stellen aber immer noch gut zehn Prozent unterhalb des Niveaus vom Jahresbeginn.
Das hat auch damit zu tun, dass zumindest zeitweise stark durch den Lockdown beeinträchtigte Betriebe etwa im Friseurgewerbe oder der Augenoptik mit Umsatzeinbußen zu kämpfen hatten und sich entsprechend bei der Personalsuche zurückhielten. Im Bauhandwerk lag dagegen die Arbeitskräftenachfrage bereits im Dezember 2020 wieder über dem Vorkrisenniveau. Und auch bei personennahen Dienstleistungen wird eine rasche Erholung erwartet, sobald die pandemiebedingten Restriktionen wegfallen.
Wirtschaftsminister Altmaier fordert gezieltere Berufsorientierung in den Schulen
„Es ist deutlicher denn je geworden, wie attraktiv und verlässlich Handwerksberufe sind, denn sie bieten auch in Krisenzeiten eine sichere Perspektive“, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) die Studie. Die Schulen stünden jetzt in der Pflicht, noch breiter über Karriere- und Fortbildungschancen im Handwerk zu informieren.
„Der Fachkräftebedarf ist riesig“, sagte der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer. Ein Meistertitel sei die denkbar beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit.
Die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze im Handwerk ist zwar seit 2018 angesichts der schwächelnden Konjunktur und dann auch infolge von Corona zurückgegangen, das Minus fiel aber schwächer aus als in der Gesamtwirtschaft. Gesunken ist das Ausbildungsplatzangebot auch in einigen der am stärksten vom Fachkräftemangel betroffenen Bereiche, etwa der Bauelektrik, der Kraftfahrzeugtechnik oder im Metallbau.
Im vergangenen Jahr haben Handwerksbetriebe knapp 130.000 neue Ausbildungsverträge geschlossen, etwa 10.000 weniger als im Vorjahr. Knapp 22.000 Ausbildungsplätze konnten nicht besetzt werden - bei rund 18.000 unversorgten Bewerbern. Damit liegt der Anteil der unbesetzten an allen gemeldeten Ausbildungsstellen im Handwerk höher als in anderen Wirtschaftsbereichen.
Die Kofa-Experten empfehlen, durch eine verbesserte Berufsorientierung an Schulen sowie eine breitere Aufklärung von Eltern und Lehrern stärker für die duale Berufsausbildung zu werben. Weil in Corona-Zeiten kaum Praktika oder Ausbildungsmessen stattfinden könnten, müssten hier auch neue digitale Wege erprobt werden. Außerdem sollten auch kleine und mittelständisch geprägte Betriebe eine vorausschauende Personalbedarfsplanung erstellen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.