Arbeitsmarkt Verdi-Chef Werneke will Aufstockung des Kurzarbeitergelds beibehalten

Für viele Beschäftigte ist die Aufstockung des Kurzarbeitergelds eine existenzielle Frage.
Berlin Die Große Koalition sollte nach Ansicht von Verdi-Chef Frank Werneke nicht nur die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate verlängern, sondern auf jeden Fall auch die Aufstockung auf bis zu 80 Prozent des Nettoeinkommens beibehalten. „In Wirtschaftszweigen wie dem Luftverkehr, dem Tourismus oder dem Veranstaltungsmanagement werden wir so schnell keine Rückkehr zur Normalität haben“, sagte Werneke dem Handelsblatt. Deshalb sei es so immens wichtig, dass die Bezugsdauer des Kurzarbeitergelds auf 24 Monate verlängert werde.
Die Spitzen von Union und SPD wollen sich am Dienstag im Koalitionsausschuss mit dem Thema beschäftigen. Die Sozialpartner sind eng in den Dialog eingebunden. Die Union will aber einer Verlängerung der Bezugsdauer nur unter Bedingungen zustimmen: „Einfach so die bisherige Regelung zu kopieren und ohne Nachdenken zu verlängern, das wird mit der Union nicht gehen“, sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) im Interview mit dem Handelsblatt.
Zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hatte die Große Koalition die Voraussetzungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld gesenkt. So müssen beispielsweise nur zehn Prozent und nicht ein Drittel der Belegschaft von Arbeitsausfall betroffen sein, damit ein Betrieb die Leistung beantragen kann. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erstattet zudem die Sozialversicherungsbeiträge für Kurzarbeiter, die die Arbeitgeber sonst allein zu tragen hätten.
Ferner hat die Bundesregierung eine Aufstockung des Kurzarbeitergelds durchgesetzt. Anfangs gibt es für die Ausfallstunden 60 Prozent des früheren Nettoeinkommens, bei Beschäftigten mit Kindern sind es 67 Prozent. Ab dem vierten Monat zahlt die Arbeitsagentur dann 70 beziehungsweise 77 Prozent, ab dem siebten Monat 80 beziehungsweise 87 Prozent.
Derzeit ist die Bezugsdauer noch auf zwölf Monate begrenzt. Beschäftigte aus Unternehmen, die schon vor der Coronakrise in Kurzarbeit waren, können die Leistung aber bereits bis zu 21 Monate beziehen.
Für Brinkhaus ist die Aufstockung auf bis 80 Prozent eine der „Stellschrauben“, über die bei einer Verlängerung zu reden sein wird. Es gebe Arbeitnehmer im Niedriglohnbereich, die zu 100 Prozent in Kurzarbeit seien. „Für die ist die Aufstockung eine existenzielle Frage“, sagte der Fraktionschef.
„Existenzielle Frage“
Das sieht auch der Verdi-Chef so und nennt als Beispiel die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen, wo es auf absehbare Zeit keine Rückkehr zum Normalbetrieb geben wird. „Die Fortführung der Aufstockung des Kurzarbeitergeldes im Jahr 2021 würde einige 100 Millionen Euro kosten. Bei einem Konjunkturpaket von 150 Milliarden Euro hätten die Betroffenen wenig Verständnis, wenn dafür kein Geld vorhanden sein sollte“, sagte Werneke. Die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen von Kurzarbeit, von der die Arbeitgeber profitierten, sei um ein Vielfaches teurer.
Fraglich sei aber, ob das Kurzarbeitergeld auch für Mitarbeiter von Unternehmen mit guten Tarifverträgen und Kurzarbeit in geringerem Umfang weiter aufgestockt werden solle, betonte Brinkhaus. Vor der gesetzlichen Regelung hatten zahlreiche Unternehmen die staatliche Leistung mit eigenen Mitteln aufgestockt.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat in einer nicht repräsentativen Umfrage rund 240 Beschäftigte nach ihrer Haltung zum Kurzarbeitergeld befragt. Kernergebnis: Aus Sicht der Befragten sollte die Lohnersatzquote nicht im Zeitablauf steigen, sondern bei einem geringeren Verdienst höher ausfallen.
Innerhalb der Koalition wird auch darüber debattiert, ob der Bezug des Kurzarbeitergelds stärker mit Qualifizierung verknüpft werden sollte – vor allem in Branchen wie der Automobilindustrie, die mitten im Strukturwandel stecken.
Verknüpfung mit Qualifizierung
Zwar ist nach einer Erhebung des Ifo-Instituts das Gastgewerbe weiter am stärksten von Kurzarbeit betroffen. Im verarbeitenden Gewerbe ist der Anteil der Beschäftigten in Kurzarbeit nach Ifo-Schätzung von 33 Prozent im Juni auf 30 Prozent im Juli gefallen. Im Fahrzeugbau oder in der Metallindustrie liegt er mit 38 beziehungsweise 45 Prozent aber deutlich höher, im Maschinenbau und in der Elektroindustrie ist die Zahl der Kurzarbeiter zuletzt sogar wieder gestiegen.
Dort, wo es sinnvoll sei, könne die Fortführung des Kurzarbeitergelds mit Weiterbildungsangeboten verknüpft werden, sagte Verdi-Chef Werneke. „Ich halte jedoch wenig davon, das zu einer Vorbedingung zu machen.“
Ähnlich hatte sich zuvor auch der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, geäußert: Der Staat dürfe Weiterbildung nicht verordnen, hatte Kampeter der „Rheinischen Post“ gesagt – „auch nicht mithilfe von eindeutigen finanziellen Anreizen“.
Der Verdi-Chef forderte den Gesetzgeber auf, das für das laufende Jahr erwartete Defizit der Bundesagentur für Arbeit auszugleichen und ihr auch im kommenden Jahr nicht nur ein Darlehen, sondern einen Zuschuss zu gewähren. „Sonst kann die BA für das kommende Jahr keinen geordneten Haushalt aufstellen, um die Dinge zu finanzieren, die über Kurzarbeit hinaus zur Krisenbewältigung nötig sind“, sagte Werneke. „Denn wir brauchen jetzt auch eine Qualifizierungsoffensive.“
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