Arbeitsschutz Doch keine Pflicht für Schnelltests in Unternehmen

Über verpflichtende Tests in Unternehmen gab es Streit mit der Wirtschaft.
Berlin Die Unternehmen in Deutschland werden auch künftig nicht dazu verpflichtet, ihren Beschäftigten Corona-Schnelltests anzubieten. Stattdessen sagen die Spitzenverbände BDA, BDI, DIHK und ZDH in einem gemeinsamen Papier, das sie am Dienstag vorgelegt haben, zu, für eine Ausweitung des Testangebots in den Firmen zu werben.
„Die heutige Erklärung der Wirtschaft ist eine sehr gute und zentrale Basis, um so vielen Beschäftigten wie möglich ein Angebot zum Testen zu unterbreiten“, kommentierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), das Verbändepapier. Tests böten eine Chance, Lockerungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft zu ermöglichen, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). „Hierfür tragen jetzt Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam die Verantwortung.“
Im Vorfeld hatte es heftigen Streit über die Einbeziehung der Wirtschaft gegeben. Bei ersten Gesprächen am Dienstag vergangener Woche fühlten sich die Verbandsvertreter vom Kanzleramt überrumpelt und unter Druck gesetzt.
Dessen ungeachtet hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten dann am Mittwoch beschlossen, dass Unternehmen verpflichtet werden sollen, ihren Beschäftigten in Büros und Werkhallen mindestens einmal pro Woche einen kostenlosen Schnelltest anzubieten.
Eigentlich sollte bereits am vergangenen Freitag abschließend darüber beraten werden. Doch die Gespräche wurden abgesagt, weil die Wirtschaft sich erneut überrumpelt fühlte. „Die deutschen Unternehmen stehen umfassend zu ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung und wollen auch weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Pandemiebekämpfung und zum Bevölkerungsschutz leisten“, heißt es nun in der gemeinsamen Erklärung von BDA, BDI, DIHK und ZDH.
Bis allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne, wolle man die Teststrategie „mit aller Kraft“ unterstützen. „Vermehrte Tests sind eine wirksame Brücke, die mindestens bis Juni notwendig sein wird.“
Die Unterstützung „mit aller Kraft“ erschöpft sich aber in einem Appell: Zahlreiche Unternehmen führten im Rahmen ihrer Möglichkeiten bereits Testungen ihrer Mitarbeiter durch, und dieses Engagement sei schon kontinuierlich ausgeweitet worden. Die Spitzenverbände appellieren nun an die Unternehmen, „ihren Beschäftigten Selbsttests und, wo dies möglich ist, Schnelltests anzubieten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen“.
Merkel kündigt Überprüfung an
Die Verbände würden zudem „alles Erdenkliche dafür tun“, dass die Unternehmen diesem Aufruf folgen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Ausweitung der Tests in Deutschland leisten“, heißt es in dem gemeinsamen Papier. Außerdem sagen die Verbände zu, die Öffentlichkeit fortlaufend über ihre Aktivitäten und die teilnehmenden Unternehmen zu unterrichten.
Darauf werde man sehr genau achten und die Regelung im April überprüfen, sagte Kanzlerin Merkel am Dienstag. „Wir werden uns in der Regierung ganz genau angucken, was dabei rausgekommen ist“, betonte sie. Man erwarte, dass die Unternehmen sich „wirklich substanziell“ beteiligten.
Die Initiative der Wirtschaftsverbände sei zu begrüßen, sagt auch der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann. „Allerdings darf es nicht bei Appellen bleiben.“ Arbeitnehmer bräuchten Sicherheit. „Beschäftigten, die in Präsenz arbeiten, müssen kostenlose Tests angeboten werden“, forderte Hoffmann. Die Kosten für die Tests müssten vom Arbeitgeber getragen werden.
Die Spitzenverbände hatten vergangene Woche ein vierseitiges Papier mit offenen Fragen bei der Bundesregierung eingereicht. Dabei ging es beispielsweise um Fragen der Finanzierung und der Organisation von Testkampagnen in den Betrieben.
Ursprünglich hatte Arbeitsminister Heil schon in seiner Corona-Arbeitsschutzverordnung verpflichtende Tests in Unternehmen in Hotspots geplant, konnte sich damit aber nicht durchsetzen.
Der jetzt verabredete Beitrag der Wirtschaft ist Teil der erweiterten Teststrategie, mit der Bund und Länder die Lockerungen der Corona-Maßnahmen absichern wollen. Ursprünglich hatte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kostenlose Antigen-Schnelltests für die Bevölkerung zum 1. März einführen wollen, musste dann sein Konzept auf Drängen von Kanzlerin Merkel aber nachbessern.
In der vergangenen Woche beschlossen Merkel und die Ministerpräsidenten dann, dass allen Bürgern pro Woche ein kostenloser Schnelltest durch geschultes Personal ermöglicht werden soll. Die Kosten übernimmt der Bund. Die Regelung trat am Montag in Kraft, der Start der Massentests verlief aber holprig. Apotheker und Arztpraxen waren vielerorts noch nicht vorbereitet.
Kassenärzte sprechen von „Test-Chaos“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) sprach von einem „Test-Chaos“, die niedergelassenen Mediziner würden sich „überrollt fühlen“. Offen war auch die Frage, wie genau die kostenlosen Tests erfasst werden sollen, um Mehrfachtests einer Person pro Woche zu verhindern.
Die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening, sagte, dass es nicht möglich sein werde, die Testungen sofort und überall umzusetzen. Eine weitere Anlaufstelle sind Testzentren, die von den Ländern eingerichtet werden. Außerdem kamen nach einer Sonderzulassung die ersten Schnelltests zur Selbstanwendung in die Regale. Die Nachfrage in Discountern wie Aldi und Lidl war groß.
Um die Testkampagne zu beschleunigen, ermöglicht die Bundesregierung den Bundesländern, kurzfristig Antigen-Selbsttests bei Roche Diagnostics zu bestellen. So sei das Unternehmen ab dem 10. März bereit, „bis zu 1,5 Millionen Antigen-Selbsttests täglich auszuliefern“, wie Spahn und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), die gemeinsam die ins Leben gerufene Test-Taskforce leiten, in einem Brief an die Ministerpräsidenten mitteilen.
Damit hätten all jene Bundesländer ein „Starter-Paket“, die bisher noch keine Selbsttests angeschafft oder bestellt haben. Die Hilfe sei dazu gedacht, „die Zeit bis zu den ersten Lieferungen aus Ihren eigenen Ausschreibungen zu überbrücken“.
Schnelltest-Bestellung bei Roche Diagnostics
Die Länder haben bis Dienstagmittag Zeit gehabt, entsprechende Kontingente bei dem Unternehmen zu bestellen. Die Tests sollen entsprechend der Bevölkerungszahl verteilt werden. Melden sich nicht alle Länder, dann sollen die anderen Länder ihren Anteil aufstocken können.
Der Bund hat nach Aussagen Spahns und Scheuers eine Absichtserklärung von Roche Diagnostics erhalten. Demnach beträgt das Kontingent 10,5 Millionen Tests, die das Unternehmen direkt an die Bundesländer ausliefern würde. Der Preis je Test liegt bei „4,50 Euro zzgl. Umsatzsteuer (inkl. Lieferung)“ und sinkt bei einer Bestellung von mehr als eine Million Tests auf „vier Euro zzgl. Umsatzsteuer“.
„Wir sind überzeugt, dass der breite Einsatz von zuverlässigen Selbsttests, ergänzend zu PCR-Tests und Antigen-Schnelltests für den professionellen Gebrauch, ein wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Pandemie ist“, hieß es bei Roche Diagnostics auf Anfrage. „Wir freuen uns, durch die Bereitstellung der Antigen-Selbsttests einen weiteren Beitrag zur Umsetzung der Teststrategie des Bundes leisten zu können.“
Details zu den Bestellungen einzelner Bundesländer wollte das Unternehmen nicht bekanntgeben, erklärte aber: „Wir können alle Bestellungen der Länder vollständig bedienen.“
Die Minister Spahn und Scheuer koordinieren die bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene Taskforce Testlogistik, mit der zügig Selbst- und Schnelltests besorgt und verteilt werden sollen. Dazu sollte es am Dienstagmittag eine Runde mit dem Chef des Bundeskanzleramtes und den Chefs der Staatskanzleien der Länder geben. Es gebe „mehrere Ansätze“, wie das Ziel erreicht werden kann, heißt es in dem Brief.
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Bin mal gespannt, ob der öffentliche Dienst seinen Beschäftigten Testmöglichkeiten anbietet. Oder gilt hier etwa auch: Was ich von anderen erwarte, brauch ich selbst nach lang nicht zu tun...
in Sachsen klingt das anders:
SächsCoronaSchVO vom 5. März 2021
§ 3a
Testpflicht
(1) Arbeitgeber sind ab dem 22. März 2021 verpflichtet, ihren Beschäftigten, die an ihrem Ar-beitsplatz präsent sind, ein Angebot zur Durchführung eines kostenlosen Selbsttests mindes-tens einmal pro Woche zu unterbreiten.
(2) Alle Beschäftigten und Selbstständigen mit direktem Kundenkontakt sind ab dem 15. März 2021 verpflichtet, einmal wöchentlich eine Testung auf das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorzunehmen oder vornehmen zu lassen. Die Tests sind vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Die Testung muss die jeweils geltende Mindestanforderung des Robert-Koch-Instituts erfüllen. Der Nachweis über die Testung ist für die Dauer von vier Wochen aufzubewahren.
(3) Absatz 1 und 2 gilt nur, soweit ausreichend Tests zur Verfügung stehen und deren Be-schaffung zumutbar ist.