Arbeitszeit Metaller treten kürzer – 190.000 wollen mehr Urlaub statt mehr Geld

IG-Metall-Aktion während der Tarifrunde im Januar
Berlin Mit dem Slogan „Mein Leben, meine Zeit“ war die IG Metall in die jüngste Tarifrunde gestartet. Das Ziel: „Arbeitszeiten, die zum Leben passen.“ Nach Warnstreiks mit Hunderttausenden Beschäftigten hatten sich die Gewerkschaft und die Arbeitgeber dann im Februar auf einen Tarifabschluss geeinigt, der auch eine Wahloption zwischen mehr Geld und mehr Freizeit vorsah.
Nun hat die IG Metall eine erste Zwischenbilanz gezogen. Demnach haben bereits 190.000 Metaller beantragt, im kommenden Jahr statt mehr Geld lieber acht zusätzliche freie Tage in Anspruch zu nehmen. Diese Wahloption können bestimmte Schichtarbeiter, Eltern kleiner Kinder oder Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen ziehen.
Für die Auswertung hat die IG Metall Betriebsräte in rund 2.800 tarifgebundenen Betrieben angeschrieben, rund die Hälfte hat bisher geantwortet. Einige Großunternehmen wie Audi oder Bosch sind aber noch nicht eingeflossen. Vollständigere Zahlen will die Gewerkschaft erst auf ihrer Jahrespressekonferenz im Januar präsentieren.
Vor allem unter den Schichtarbeitern ist das Bedürfnis nach mehr Freizeit groß: In den befragten Betrieben entschieden sich bis zum Ablauf der Antragsfrist Ende Oktober 140.000 für den zusätzlichen Urlaub – laut IG-Metall-Chef Jörg Hofmann entspricht das je nach Unternehmen zwischen 70 und 80 Prozent der Anspruchsberechtigten.
„Wir freuen uns, dass die neue tarifliche Regelung von den Beschäftigten so gut angenommen wird“, sagte Hofmann in Frankfurt. 40.000 Antragsteller wollten die neue Regelung nutzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben. 10.000 Beschäftigte gaben als Grund die Pflege von Angehörigen an.
Weniger gut kommt bei den Metallern die von der IG Metall massiv beworbene „kurze Vollzeit“ an – also die Option, die Arbeitszeit für bis zu 24 Monate auf 28 Wochenstunden zu reduzieren und danach zum ursprünglichen Volumen zurückzukehren. Hiervon wollen nach den bisherigen Erkenntnissen im kommenden Jahr rund 8.000 Beschäftigte Gebrauch machen.
Unternehmen wie Bosch oder Siemens führen das geringe Interesse auch darauf zurück, dass sie auch vor dem jüngsten Tarifabschluss schon Modelle zur Arbeitszeitflexibilisierung angeboten haben.
Dennoch wird es nun darum gehen, das in den Unternehmen ausfallende Arbeitszeitvolumen zu ersetzen. So sind etwa am Standort Sindelfingen des Autobauers Daimler bis Ende Oktober knapp 7.200 Anträge auf freie Tage statt Geld eingegangen – 5.800 davon von Beschäftigten im Schichtbetrieb.
„Für die Umsetzung in Sindelfingen ist unser klares politisches Ziel: Wer will, der kann“, sagte der Betriebsratschef des Mercedes-Standorts, Ergun Lümali. „Das wird der Unternehmensseite sicher nicht gefallen, aber unser Interesse gilt den Arbeitnehmern.“
Im Tarifvertrag hatten die Sozialpartner auch zusätzliche Möglichkeiten für die Betriebe verankert, das Arbeitszeitvolumen nach oben auszudehnen. Außerdem können die Arbeitgeber Freizeitwünsche ablehnen, wenn innerbetrieblich kein Ausgleich des Arbeitsvolumens gewährleistet ist.
Auch bei der verkürzten Vollzeit greift ein Überforderungsschutz. Betriebe können sie Beschäftigten verwehren, wenn bereits zehn Prozent der Belegschaft in kurzer Vollzeit sind oder 18 Prozent schon kürzer arbeiten, als die tarifliche Wochenarbeitszeit vorsieht.
Nach dem Tarifvertrag haben die Arbeitgeber bis Ende des Jahres Zeit, um gemeinsam mit den Betriebsräten Lösungen für eine praktikable Umsetzung der Freizeitwünsche zu finden. „Mit einer vorausschauenden Personalpolitik lassen sich die ausfallenden Arbeitszeiten ausgleichen“, sagte der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Meinhard Geiken.
Wahloptionen zwischen mehr Geld und mehr Freizeit liegen im Trend. Bei der Deutschen Bahn hatten sich die Tarifparteien schon 2016 ein entsprechendes Modell vereinbart, das die Gewerkschaften gerne in der derzeit laufenden Tarifrunde noch erweitern wollen.
In der chemischen Industrie wollte die Gewerkschaft IG BCE in der letzten Runde durchsetzen, dass die Beschäftigten einen Teil des Urlaubsgelds in Freizeit umwandeln können. Zwar konnte sie sich damit noch nicht durchsetzen, doch vereinbarten beide Seiten, bis zur nächsten Tarifrunde Möglichkeiten einer weiteren Arbeitszeitflexibilisierung auszuloten.
Der Anfang Februar dieses Jahres besiegelte Metall-Tarifabschluss sieht vor, dass Beschäftigte, die bis zu acht Jahre alte Kinder erziehen, nahe Angehörige pflegen oder langjährig in Schicht arbeiten, einen Teil des neuen tariflichen Zusatzgeldes in Höhe von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts in acht freie Tage umwandeln können.
Außerdem haben Beschäftigte die Möglichkeit, mit einem halben Jahr Vorlauf ihre Arbeitszeit für bis zu 24 Monate auf bis zu 28 Wochenstunden zu verkürzen. Im Westen gilt in der Metall- und Elektroindustrie mit ihren insgesamt rund vier Millionen Beschäftigten die tarifliche 35-Stunden-Woche, im Osten sind es 38 Stunden.
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