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Ausbildung Die Sorgen der „Generation Corona“

Sieben von zehn Jugendlichen sind der Ansicht, dass sich die Aussichten auf einen Ausbildungsplatz durch die Pandemie verschlechtert haben. Von der Politik fühlen sich viele im Stich gelassen.
29.04.2021 Update: 29.04.2021 - 11:49 Uhr Kommentieren

Berlin A

Jugendliche sollten sich nicht durch die Corona-Pandemie entmutigen lassen. Quelle: Imago
Auszubildender im Zimmererhandwerk

Jugendliche sollten sich nicht durch die Corona-Pandemie entmutigen lassen.

(Foto: Imago)

Es gibt viele prominente Warner. „Wir blicken dieses Jahr mit Sorge auf den Ausbildungsmarkt“, sagte der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, jüngst anlässlich der bundesweiten Woche der Ausbildung. „Wir müssen alles daransetzen, dass es keine Generation Corona gibt“, mahnt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD).

Aber wie bewerten Jugendliche, die an der Schwelle zum Berufsleben stehen, selbst ihre Ausbildungsperspektiven im zweiten Corona-Jahr? Nicht gerade rosig, zeigt eine Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Demnach sind 71 Prozent der Befragten der Ansicht, dass sich die Chancen auf einen Ausbildungsplatz durch die Pandemie verschlechtert haben. Das sind noch einmal gut zehn Prozentpunkte mehr als bei der vorherigen Befragung vor einem Dreivierteljahr.

Bei den Hauptschülern liegt der Anteil derer, die schlechtere Chancen sehen, sogar bei 78 Prozent. Dagegen glaubt nur knapp jeder vierte aller befragten Jugendlichen, dass die Aussichten auf einen Studienplatz jetzt schlechter sind als vor Corona. Für die Studie hat das Meinungsforschungsinstitut Iconkids & Youth vom 11. Februar bis zum 3. März 1743 repräsentativ ausgewählte 14- bis 20-Jährige befragt.

Zahl neuer Ausbildungsverträge ist stark gesunken

Dass die Sorge vor einer „Generation Corona“ auf dem Ausbildungsmarkt real ist, zeigt sich auch in der Statistik. Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 465.200 neue Ausbildungsverträge geschlossen – 9,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Von Oktober 2020 bis März dieses Jahres sank die Zahl der bei der BA gemeldeten Lehrstellen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um sieben Prozent.

Vor allem in Berufen, die vom Lockdown tangiert sind, wird weniger ausgebildet, etwa bei Friseuren, im Tourismus oder im Gastgewerbe. Die Zahl der Bewerber, die über Arbeitsagenturen und Jobcenter einen Ausbildungsplatz suchen, ist sogar um zwölf Prozent gesunken. Die BA führt das auch darauf zurück, dass klassische Wege der Berufsorientierung in Pandemiezeiten verbaut sind.

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Dies beklagen auch die im Auftrag der Bertelsmann Stiftung befragten Jugendlichen. Zwischen 70 und 80 Prozent berichten, dass Informationsveranstaltungen zur Berufsorientierung in der Schule oder in Betrieben, Ausbildungsmessen oder Praktika weniger als in Vor-Corona-Zeiten oder gar nicht mehr stattfinden.

Die Bundesregierung hat zwar Ausbildungsprämien aufgelegt und wird sie ab Juni noch aufstocken und erweitern, damit Unternehmen trotz der Pandemie weiter ausbilden. Bis März haben knapp 26.000 Betriebe diese Prämien beantragt.

Doch von den Jugendlichen fühlt sich gut jeder zweite im Stich gelassen: 41 Prozent gaben an, die Politik habe eher wenig für Ausbildungsplatzsuchende getan, es sollte viel mehr sein. Knapp jeder achte hat sogar den Eindruck, die Politik habe gar nichts gemacht.

DGB spricht von „Weckruf für alle Demokraten“

Die Zahlen müssten ein „Weckruf für alle Demokraten sein“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Elke Hannack, dem Handelsblatt: „Es ist Gift für unsere Gesellschaft, wenn sich Jugendliche ohne Ausbildung nicht mehr gesehen und gehört fühlen.“

Wer keine abgeschlossene Ausbildung habe, dem drohten schlecht bezahlte Kurzfristjobs und immer wieder lange Phasen der Arbeitslosigkeit. Nach Angaben des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) haben schon heute mehr als zwei Millionen der Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren keine abgeschlossene Berufsausbildung. Von den Hauptschulabsolventen in der Altersgruppe trifft das auf jeden dritten zu.

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Hannack fürchtet, dass sich die Situation infolge der Coronakrise weiter verschärfen könnte. Denn von den an einer Ausbildung interessierten Schülerinnen und Schülern sind 29 Prozent sich nicht so sicher oder sogar pessimistisch, eine ihren Vorstellungen und Erwartungen entsprechende Lehrstelle zu finden. Unter den Hauptschülern liegt der Anteil mit 39 Prozent noch deutlich höher.

Damit keine verlorene Generation entsteht, macht sich Hannack für eine Ausbildungsgarantie nach dem Vorbild Österreichs stark. Finden Jugendliche keine betriebliche Lehrstelle, bekommen sie im Nachbarland zunächst für ein Jahr einen staatlich finanzierten Ausbildungsplatz angeboten. Gelingt danach kein Wechsel in eine betriebliche Ausbildung, kann beim entsprechenden Bildungsträger auch ein Abschluss gemacht werden.

Bertelsmann Stiftung wirbt für Ausbildungsgarantie

Dieses Modell hält auch Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, für vorbildlich: „Wir müssen jedem jungen Menschen eine Ausbildungsperspektive geben, gerade in der Krise“, sagt er. Denn jede Krise vernichte dauerhaft Ausbildungsplätze.

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Die Studie zeige, dass die Chancen auf einen Studienplatz durch Corona kaum beeinträchtigt, die Perspektiven für eine betriebliche Ausbildung aber deutlich eingetrübt seien, sagt Dräger: „Wer das Abitur hat, besitzt quasi eine Studiengarantie. Jugendliche mit niedrigeren Schulabschlüssen lassen wir in Krisenzeiten allein. Das ist nicht gerecht.“

Der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, ermuntert alle Ausbildungsinteressenten, sich durch Corona „keinesfalls beruflich ausbremsen zu lassen“. Die Ausbildungsbereitschaft im Handwerk sei ungebrochen: „Unsere Betriebe stehen bereit und bieten Ausbildungsplätze an.“

Tausende dieser Ausbildungsplätze seien jedoch leider im vergangenen Jahr nicht genutzt worden, was sich in diesem Jahr keinesfalls wiederholen dürfe, sagte Wollseifer dem Handelsblatt. Auch die Bundesagentur für Arbeit meldet aktuell trotz des gesunkenen Platzangebots weiter einen Lehrstellenüberhang: Im März standen knapp 260.000 unbesetzten Ausbildungsplätzen rund 197.000 noch unversorgte Bewerber gegenüber.

Umso wichtiger sei es nun, die Berufsorientierung an den Schulen und gerade auch in den Gymnasien wieder zu intensivieren und Jugendliche für eine Ausbildung zu gewinnen, betont der ZDH-Präsident.

Arbeitsminister Heil sagte am Donnerstag, es sei eine „nationale Kraftanstrengung“ erforderlich, um eine Krise auf dem Ausbildungsmarkt zu verhindern. Diese sei „wichtig und notwendig, weil wir uns keinen verlorenen Corona-Jahrgang leisten können“. Heil rief die Sozialpartner auf, in jeder Stadt und jedem Landkreis Bündnisse für Arbeit zu bilden und die lokalen Arbeitsagenturen eng einzubinden.

Mehr: Die Wirtschaft darf das Ausbildungsniveau nicht sinken lassen.

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