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Außenhandel Wie gefährlich Deutschlands Export-Abhängigkeit werden kann

Ob China oder USA – der Hang zum Protektionismus nimmt zu. Das ist gerade für die deutsche Wirtschaft problematisch, die wie kaum eine andere vom Export abhängt.
02.08.2021 - 04:00 Uhr Kommentieren
Der Export deutscher Waren nach China nimmt ab. Quelle: dpa
Hafen in Qingdao

Der Export deutscher Waren nach China nimmt ab.

(Foto: dpa)

Berlin Deutschland ist wie kaum eine andere Industrienation abhängig vom Außenhandel – und deshalb besonders gefährdet durch protektionistische Tendenzen. Das belegen aktuelle Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die dem Handelsblatt vorliegen.

Die Kölner Forscher ermitteln für die Bundesrepublik eine Außenhandelsquote – das Volumen der gesamten Ein- und Ausfuhren gemessen am Bruttoinlandsprodukts (BIP) – von 88 Prozent. Im Mittel der in der Industrieländerorganisation OECD zusammengeschlossenen Staaten liegt der sogenannte Offenheitsgrad nur bei 59 Prozent. Allein Polen erreicht mit 106 Prozent einen höheren Außenhandelswert als Deutschland.

Staaten mit vergleichbarer Wirtschaftsleistung und ähnlich aufgebauter Industrie – wie Frankreich oder Großbritannien – weisen Außenhandelsquoten von 65 beziehungsweise 64 Prozent auf. Japan kommt nur auf 35 Prozent, in den USA sind es 26 Prozent.

Auf den ersten Blick ist das keine neue Erkenntnis. Deutschland hat kaum Rohstoffressourcen, ist also auf Importe angewiesen. Es werden mehr Waren und Dienstleistungen aus Deutschland exportiert, als sie eingeführt werden. Die hohe Exportquote war bereits vor vielen Jahren intensiv diskutiert worden. Inzwischen ist die Diskussion abgeebbt.

Protektionistische Maßnahmen der weltgrößten Wirtschaftsmächte USA und China könnten nun der Debatte, ob Deutschland seine wirtschaftliche Entwicklung zu sehr vom Ausland abhängig macht, neue Nahrung geben.

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Die USA halten an Maßnahmen fest, die die eigene Wirtschaft schützen und deutschen Exporteuren schaden. China wiederum koppelt sich von den Weltmärkten ab und reguliert Unternehmen so, dass ganze Wertschöpfungsketten in das Reich der Mitte verlegt werden.

Ihr hoher Offenheitsgrad mache die deutsche Volkswirtschaft verwundbar, konstatieren die IW-Forscher: „So macht die hohe Exportneigung abhängiger vom Absatz auf ausländischen Märkten.“ Auch in Zukunft drohe das deutsche Exportmodell durch Protektionismus, Abkoppelungstendenzen und höhere Unsicherheiten weiter unter Druck zu geraten.

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IW-Forscher Jürgen Matthes sieht Deutschland am Scheideweg. „Der weltweite Protektionismus nimmt nicht ab, er nimmt zu. Die Corona-Pandemie hat das noch verstärkt“, sagt der für internationale Wirtschaft und Konjunktur verantwortliche Ökonom. Während der Pandemie konnten Lieferketten nicht aufrechterhalten werden.

Der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum warnt zudem davor, dass der deutsche Außenhandel durch weitere Infektionswellen auch kurzfristig wieder eingeschränkt werden könnte: „Viele für Deutschland wichtige Absatzmärkte wie Indien oder Brasilien leiden weiterhin erheblich unter Corona.“

Bislang scheint das die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht allzu sehr einzuschränken. Im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 1,5 Prozent. Die Bundesbank rechnet damit, dass die Wirtschaftsleistung schon im dritten Quartal auf das Vorkrisenniveau zurückkehren könnte.

Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Leiter des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), befürchtet aber, dass die Abhängigkeit von ausländischen Märkten den Aufschwung schon alsbald wieder bremsen könnte. „Der Protektionismus baut sich gerade weltweit wieder auf. Für Deutschland mit seiner exportorientierten Industrie ist das ein besonders großes Problem“, sagt er.

Die nachgeholten Investitionen, die während der Corona-Hochphase ausgeblieben waren, würden diese Entwicklung noch überdecken. „Mittelfristig wird sich das aber ändern“, mahnt Dullien.

Besonders Abkopplung Chinas kann problematisch werden

Diese These stützen auch die Zahlen des IW sowie des Statistischen Bundesamts. Selbst wenn das Krisenjahr 2020 ausgeklammert wird, zeigt sich ein Rückgang deutscher Exporte in die wichtigsten Zielländer. Beispielsweise lieferte die deutsche Wirtschaft seit 2000 Jahr für Jahr mehr Waren und Dienstleistungen nach Russland aus – ausgenommen 2009 als Nachwirkung der Weltwirtschaftskrise.

Doch ab 2013 waren die Zahlen erst rückläufig und stagnierten zuletzt nahezu. Besonders drastisch zeigt sich diese Entwicklung im Handel mit China. Lagen die Wachstumsraten deutscher Exporte in die Volksrepublik in den Nullerjahren in der Regel zwischen zehn und 30 Prozent, betrug das Wachstum 2019 gegenüber dem Vorjahr bloß noch 3,2 Prozent.

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Die chinesische Abkopplungsstrategie ist die wohl größte Gefahr für das deutsche Exportmodell. Die asiatische Wirtschaftsmacht setzt gezielt Anreize, dass deutsche Firmen Beschäftigung, Wertschöpfung und Forschung dort ansiedeln anstatt in Deutschland. Und China setzt immer mehr auf eigene Produktstandards, was Exporte aus Europa erschwert.

Die chinesische Regierung wirbt zudem mit Subventionen, etwa in Form von günstigen Grundstücken oder Steuervorteilen. Eine Umfrage der Außenhandelskammer in China bestätigt: 72 Prozent der befragten in China ansässigen deutschen Unternehmen wollen dort mehr investieren.

Gleichzeitig verschärfen die USA die Gefahren für das deutsche Exportmodell. Die Aufmerksamkeit darauf mag seit dem Abgang von Ex-Präsident Donald Trump gesunken sein. Doch auch sein Nachfolger Joe Biden setzt weiterhin etwa auf Einfuhrzölle für Stahl und Aluminium.

Zudem hat die US-Administration eine Verschärfung ihres „Buy American“-Programms beschlossen. Bislang gilt die Regel, dass staatliche Stellen nur Waren kaufen dürfen, die zu mindestens 55 Prozent aus heimischer Produktion stammen. Dieser Anteil soll nun auf 60 Prozent und bis 2029 auf 75 Prozent steigen.

Reaktion der Politik gefordert

Das IW sieht nun Berlin sowie Brüssel am Zug und fordert eine Verschärfung der Anstrengungen für fairen Handel. Ökonom Matthes fordert eine Reform der Instrumente der Welthandelsorganisation (WTO) gegen Wettbewerbsverzerrungen. „Auch wenn China sich weiter dagegenstellen wird: Die EU muss da noch stärker gemeinsam mit den USA und anderen Marktwirtschaften aktiv werden“, sagt er.

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Das müsse auch die Bundesregierung verstehen und ihren Einfluss in Brüssel geltend machen: „Allein schon, um China hier stärker unter Druck zu setzen.“ Die EU solle zudem die Möglichkeit schaffen, den Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen für ausländische Firmen einzuschränken, wenn deren Heimatstaat seine Märkte nicht ausreichend für EU-Unternehmen öffnet.

Andererseits vertreten manche Ökonomen auch die Ansicht, dass das deutsche Exportmodell grundsätzlich auf den Prüfstand gehöre. Schließlich sorge eine geringere Abhängigkeit von ausländischen Märkten für mehr Sicherheit in den Lieferketten.

Mehr: Deutschlands Wirtschaft ist zurück auf Wachstumskurs – doch Risiken bleiben

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