Autogipfel VW, BMW und Daimler zieren sich bei Merkels Datenplattform – denn sie haben eigene Pläne

Die Daten der Verkehrsteilnehmer werden immer wichtiger.
Berlin Per Videoschalte wird Angela Merkel (CDU) an diesem Dienstagabend gemeinsam mit den Automobilbossen, Gewerkschaftern und Wissenschaftlern nicht nur über den Strukturwandel, Arbeitsplätze und staatliche Überbrückungshilfen reden. Zum Ende ihrer Amtszeit geht es der Kanzlerin auch um das, was viele für den Rohstoff des 21. Jahrhunderts halten: Daten.
Anfang November 2019 hatte die Runde auf dem Autogipfel auf Merkels Wunsch beschlossen, dass private wie öffentliche Mobilitätsanbieter „bis Ende 2021 gemeinsam ein umfassendes Datennetzwerk Mobilität schaffen“. Nahverkehrsbetriebe wie auch Autobauer sollten „die erforderlichen Daten rasch zur Verfügung stellen“ und „schnell ein Verfahren vereinbaren“.
Das Projekt steuert auf Geheiß der Kanzlerin die Akademie der Technikwissenschaften Acatech und deren Präsident Karl-Heinz Streibich, einst Vorstandschef der Software AG.
Das Ziel liegt auf der Hand: Google und andere Techriesen sind im Datengeschäft mit dem Endkunden zwar längst führend. Die Autobauer sollen hingegen mit Daten Fahrzeuge vernetzen, Trainingsdaten autonomer Fahrsysteme teilen und so schneller forschen, entwickeln, validieren, zertifizieren und die Digitalisierung der Mobilität maßgeblich im Autoland Deutschland vorantreiben. Verkehrsmanagementsysteme sollen dadurch besser arbeiten sowie Transport und Logistik optimiert werden.
Ein Jahr und vier Monate nach dem Start zieht jedoch kaum ein privates Unternehmen mit. Sie aber gelten als „erfolgskritisch“, sind sie doch die entscheidenden Datenlieferanten, damit überhaupt ein Marktplatz entstehen kann.
Acatech wird „bis April“ eine gemeinnützige GmbH gründen, an der sich Unternehmen beteiligen und in den Datenraum investieren sollen. Der Bund stellt 18 Millionen Euro bereit, in fünf Jahren soll sich die Plattform selbst tragen, wie es in einem Arbeitspapier heißt, das dem Handelsblatt vorliegt.
Pro Jahr rechnet Acatech mit Kosten von sechs Millionen. Die Trägergesellschaft soll die Verträge schließen und Entgelte für Transaktionen sowie Mitgliedsbeiträge erheben, das System selbst soll ein externer Dienstleister betreiben. Doch gibt es offiziell zumindest noch kein Angebot eines Unternehmens, Gründungspartner werden zu wollen.
Die HUK-Coburg betritt den Datenraum
Wie das Handelsblatt aus Branchenkreisen erfuhr, hat sich als erstes Unternehmen die HUK-Coburg Versicherung bereit erklärt, teilnehmen zu wollen. Darüber hinaus hatten zuvor Volkswagen und Here Technologies – die Datenplattform von Audi, BMW und Daimler – aktiv beim Aufbau des Datenraums mitgeholfen und im Handelsblatt angekündigt, sich direkt zu beteiligen.
Das Kernproblem des geplanten Datennetzwerks beschreibt Acatech in seinem Statusbericht: Die Teilnahme am Datenraum werde „komplementär zu anderen partiellen Datenraum-Aktivitäten gesehen“. In der Tat arbeiten sowohl Here als auch Volkswagen parallel an eigenen Datenplattformen. Und BMW hat eine Allianz mit SAP, der Deutschen Telekom und seinen wichtigsten Zulieferern angekündigt, um entlang der gesamten Wertschöpfungskette Daten auszutauschen.
Es gibt indes einen Hoffnungsschimmer für das Projekt: Alle Unternehmen orientieren sich wie auch Acatech an der Technologie, auf der das europäische Cloud-Projekt Gaia-X basiert. Somit könnte jeder weiter seine Daten auf eigenen Servern belassen und würde über Schnittstellen der Referenzarchitektur des International Dataspace (IDS) nur die Daten freigeben, die er tauschen oder verkaufen will. „Die Datensouveränität bleibt beim Datengeber“, beschreibt Acatech das Prinzip.
Überzeugende Geschäftsmodelle fehlen noch
Welche Geschäftsmodelle mit den Daten entstehen können, ist noch unklar. Mögliche Datenlieferanten halten sich auch hier bedeckt. So nennt BMW als mögliches Geschäftsmodell dynamische Verkehrszeichen, bei denen teilautomatisiert oder automatisiert fahrende Autos Verkehrszeichen erfassen und in Echtzeit zur Verfügung stellen könnten. Audi plant, Gefahreninformationen im Straßenverkehr direkt aus den Fahrzeugen heraus anzubieten. Und Daimler spricht davon, über die Schnittstelle Daten über den Straßenzustand weiterzuleiten. Vom smarten Parken ist die Rede (Fiware) und auch von Prognosen zur Luftqualität, wie sie der Zulieferer ZF Friedrichshafen plant, um „bei mangelnder Luftqualität Verkehrsleitsysteme entsprechend zu schalten und den Verkehrsfluss basierend auf der Abgasbelastung zu steuern“.
Im Gegensatz zu den privaten Mobilitätsanbietern sind öffentliche Unternehmen zwangsläufig im Datenraum dabei. Dazu gehört der Deutsche Wetterdienst oder die Deutsche Bahn AG. Angeblich haben auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Interesse signalisiert.
Mitte April sollen mögliche Teilnehmer Verträge unterzeichnen können. Ende August will Acatech erste Anwendungen präsentieren. 2022 „oder früher“ soll dann der Datenraum in den Regelbetrieb gehen.
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