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Beirat des Finanzministeriums warnt Brisantes Gutachten zur Finanztransaktionssteuer

Der Beirat des Finanzministeriums warnt vor den Plänen zur Börsensteuer von Olaf Scholz. Sie sei „aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll“.
29.01.2020 - 16:04 Uhr 4 Kommentare
Der Finanzminister hat die möglichen Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer bereits verplant. Quelle: AFP/Getty Images
Olaf Scholz

Der Finanzminister hat die möglichen Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer bereits verplant.

(Foto: AFP/Getty Images)

Berlin Mit aller Macht versucht Olaf Scholz (SPD) derzeit, eine EU-Finanztransaktionsteuer durchzusetzen. Seit Jahren hat die Bundesregierung die Einführung versprochen, der sozialdemokratische Bundesfinanzminister hat zugesagt, nun endlich zu liefern. Allerdings trifft er auf harten Widerstand, insbesondere aus Österreich. Ob die Steuer dieses Jahr noch kommt, ist höchst fraglich.

Kritik kommt allerdings nicht nur aus dem Ausland, sondern auch aus dem Umfeld des Ministers. So hält auch Scholz’ ökonomischer Beraterkreis vom Vorschlag des Bundesfinanzministers nichts. Dies geht aus einer unveröffentlichten Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

„Insgesamt ist festzuhalten, dass die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Aktiengeschäfte aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll ist“, lautet das harsche Urteil des Gremiums, in dem viele namhafte deutsche Ökonomen sitzen. Die Autoren ziehen sogar die Verfassungsmäßigkeit der Steuer in Zweifel.

Scholz’ Plan sieht vor, Aktiengeschäfte künftig mit einem Steuersatz von 0,2 Prozent zu belegen. Doch trotz des vermeintlich geringen Satzes warnt der Beirat vor gravierenden Folgen. „Die Ausweichreaktionen der Handelsteilnehmer auf die Steuer sind erheblich“, schreiben sie. Handelsaktivitäten würden eingeschränkt, Handel verlagert auf steuerlich nicht erfasste Börsenplätze.

Diese Wirkungen existieren laut den Ökonomen keineswegs nur in der Theorie, sondern seien ganz konkret in den Ländern zu beobachten, in denen bereits eine Finanztransaktionssteuer eingeführt worden sei, wie etwa in Frankreich. Dort sei das Handelsvolumen um satte zehn Prozent gesunken. Als Folge musste die Regierung mit deutlich weniger Einnahmen auskommen als geplant. Für 2013 wurden Einnahmen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro erwartet, tatsächlich wurden jedoch nur 756 Millionen Euro erzielt.

Beispiele im Ausland zeigen, dass die Ziele nicht erfüllt wurden

Die Befunde für Frankreich „legen den Schluss nahe, dass die mit der Einführung der Finanztransaktionssteuer verbundenen Ziele nicht erfüllt werden“, heißt es in der Beirats-Stellungnahme. Die Ironie daran: Scholz’ Argument für einen auch möglichen nationalen Alleingang ist, dass andere Länder wie Frankreich eine Finanztransaktionssteuer bereits erfolgreich eingeführt hätten.

Die Ökonomen fürchten aber noch Schlimmeres: Eine Steuer könnte zu einer echten Gefahr für die Finanzmarktstabilität werden. Würde aufgrund geringer Einnahmen die Steuer angehoben, könnten Marktteilnehmer koordiniert auf Börsen ausweichen, wo die Steuer nicht erhoben wird – „mit dem Ergebnis, dass die Liquidität von Börsen innerhalb der EU plötzlich und deutlich abnehmen würde“, warnt der Beirat.

Eine solch desaströse Erfahrung habe Schweden 1984 bei Einführung der Steuer gemacht. Fluchtartig wurde Handel nach England verlagert, die schwedischen Märkte brachen „stellenweise zusammen“. Erschwerend komme hinzu, dass die Steuer vor allem auf Eigenkapitalinstrumente anfalle. Dabei sei eine zentrale Lehre aus der Finanzkrise gewesen, die Eigenkapitalbasis wirtschaftlicher Akteure zu stärken, so der Beirat.

Die befürchteten Ausweichreaktionen könnten zudem nicht nur wirtschaftliche, sondern auch verfassungsrechtliche Folgen haben. Da es keine rechtliche Grundlage gebe, die Steuer auch im EU-Ausland durchzusetzen und sich viele Investoren einer Besteuerung so entziehen könnten, „kann dies letztlich aufgrund eines möglichen strukturellen Vollzugsdefizits auch die Verfassungsmäßigkeit der Steuer infrage stellen“, schreibt der Beirat.

Die Ökonomen hatten ihre Stellungnahme eigentlich bereits im November 2019 fertiggestellt, veröffentlicht hat sie das Finanzministerium bislang noch nicht. Denn für Scholz kommt das Gutachten zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Erst vor wenigen Tagen hatte der österreichische Finanzminister Gernot Blümel am Rande des Treffens der Euro-Finanzminister den Plan seines deutschen Kollegen hart kritisiert. „Das ist das Gegenteil dessen, was ursprünglich intendiert war“, sagte Blümel. Die Steuer treffe in ihrer jetzigen Ausgestaltung überwiegend normale Anleger und nicht wie ursprünglich geplant Investoren, die mit hochspekulativen Papieren zocken.

Sollte eine Lösung in der EU scheitern, will Scholz die Steuer auf nationaler Ebene einführen. Er hat die Einnahmen von schätzungsweise 1,5 Milliarden Euro fest zur Finanzierung der Grundrente eingeplant. Doch da ist die Union skeptisch. Mit der Analyse des Beirats bekommt sie nun neue Munition. Genau das hätte das Finanzministerium offenbar gern vermieden. Eine Übergabe des Gutachtens an das Finanzministerium und die Veröffentlichung waren erst für März geplant. Bis dahin soll die Steuer längst beschlossen sein.

Mehr: Verzögert sich die Finanztransaktionssteuer, fehlen die Einnahmen zur Gegenfinanzierung der Grundrente.

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4 Kommentare zu "Beirat des Finanzministeriums warnt: Brisantes Gutachten zur Finanztransaktionssteuer"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • @Herr Mühl,

    Ihr Kommentar beschreibt genau das herrschende Verständnisproblem zur Besteuerung. Während der Normal-Sparer die Steuer einfach zahlt ( ggf. zahlen muss), gibt diese Großinvestoren und institutionelle Anleger nur einen weiteren Grund außerhalb Deutschlands tätig zu werden. Unabhängig von der Höhe der Steuer reicht dafür schon der weitere nötige Verrechnungsaufwand. Neben der Tatsache das dadurch die erwünschte " Umverteilung" gerade eben verhindert wird, entgehen den Staat gleich weitere Einnahmen durch die fehlende Versteuerung der aus dem Handel gewonnen Kapitalerträge. Jede progressive Steuer führt unausweichlich dazu, dass gerade bei großen Anlagesummen Standortwechsel und verschiedene Steuervermeidungskonstrukte lukrative werden. Ideologien wie "Vermögen muss mindestens gleich viel Steuer bedeuten wie Arbeit" haben mit ihrer Umsetzung als Kapitalertragsteuer immer nur zu einer Belastung des kleinen Mannes geführt. Bezüglich der Scheuklappen kann ich dem Vorredner nur zustimmen...

  • Die Einnahmen dienen einem guten Zweck, der Finanzierung der sog. Grundrente, das "BGE-Rente". Und was sind schon 0,20% vom Umsatz? Das sind bei ETF die TER für ein Jahr. Peanuts. Kleines Geld für den Klingelbeutel.

  • „Das ist das Gegenteil dessen, was ursprünglich intendiert war“, sagte Blümel. Die Steuer treffe in ihrer jetzigen Ausgestaltung überwiegend normale Anleger und nicht wie ursprünglich geplant Investoren, die mit hochspekulativen Papieren zocken:"
    Der letzte SPD-Minister mit wirtschaftlicher Vernunft und ohne ideologische Scheuklappen war eben doch Karl Schiller ...

  • Für mich hat sich Herr Scholz damit endgültig diskreditiert; die Verbissenheit geht ja in Richtung des Maut-Debakel der Herren Dobrindt/Scheuer/Seehofer,

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