Besuch in der Ukraine Merkel warnt Russland, Nord Stream 2 als „politische Waffe“ zu nutzen

Seit mehr als sieben Jahren kämpfen ukrainische Regierungstruppen in den Gebieten Donezk und Luhansk gegen von Russland unterstützte Separatisten.
Kiew Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski haben Russland gewarnt, die neue Ostseepipeline Nord Stream 2 als „politische Waffe“ zu nutzen. Es werde Sanktionen gegen Russland geben, „wenn die Pipeline als Waffe eingesetzt wird“, sagte Merkel bei einem Treffen mit Selenski am Sonntag in Kiew.
Darauf hätten sich Deutschland und die USA verständigt. Selenski wird Ende des Monats auch US-Präsident Joe Biden in Washington treffen, um das Projekt zu bekämpfen. Die USA sind gegen die fast fertige Leitung.
„Ich halte das für eine gefährliche Waffe nicht nur für die Ukraine, sondern für ganz Europa“, sagte Selenski. Die Ukraine befürchtet, dass sie nach Inbetriebnahme von Nord Stream 2 als Transitland für russische Gaslieferungen nach Europa keine Rolle mehr spielt. Damit gingen dem Land Milliardeneinnahmen verloren, auf die es eigentlich angewiesen ist.
Merkel machte deutlich, dass Deutschland die Ukraine bei der künftigen Nutzung des Durchleitungsnetzes unterstützen wolle. So könnten die Leitungen etwa zum Transport von Wasserstoff genutzt werden. Im Gespräch ist demnach eine „Wasserstoff-Partnerschaft“ mit der Ukraine. Selenski meinte aber, dass der Übergang lange Zeit in Anspruch werde. Nord Stream 2 sei jedoch ein akutes Problem.
Deutschland hat zwar immer wieder auch erklärt, sich bei Russland für eine Fortsetzung des Gastransitvertrags durch die Ukraine einzusetzen. Allerdings machte dessen Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen mit Merkel in Moskau am Freitag deutlich, dass dies von der Nachfrage auf dem Markt abhängig sei. Den Transitvertrag bis 2024 werde Russland erfüllen.
Die Ukraine war lange das wichtigste Transitland für die Gaslieferungen von Russland nach Europa. Doch die Bedeutung nimmt seit Jahren ab – wegen der Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 1 vor etwa zehn Jahren, aber auch wegen der Umgehungspipelines durch Belarus und das Schwarze Meer. Wurden 1998 noch 141 Milliarden Kubikmeter durch die Ukraine gepumpt, waren es 2020 noch knapp 56 Milliarden Kubikmeter.
Das schlägt sich auf die für das Land wichtigen Einnahmen aus den Gebühren für den Transit nieder. Sie schrumpften von den einst umgerechnet mehr als zwei Milliarden Euro auf etwa 1,7 Milliarden im vorigen Jahr. Für dieses Jahr wird erwartet, dass sie nur noch bei etwas mehr als einer Milliarde liegen werden.
Merkel wirbt für neuen Ukraine-Gipfel
Die Kanzlerin sprach sich zudem für einen neuen Ukraine-Gipfel mit Beteiligung der Staatschefs aus Russland, Frankreich und der Ukraine aus. „Das würde uns Fortschritte bringen nach meiner Auffassung.“
Die Bilanz in den Versuchen für eine Lösung des Konflikts im Osten des Landes sei zwar nicht zufriedenstellend. Gleichwohl habe der Friedensplan Ruhe gebracht. Allerdings sei diese Ruhe nicht dauerhaft und auch nicht nachhaltig.
In einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenski wies Merkel darauf hin, dass etwa die geplanten Übergänge mit dem Separatistengebiet nicht gekommen seien. Der ukrainische Präsident forderte weiteren Druck auf Russland, um die Region zu befrieden.
Er dankte Merkel für Unterstützung. Deutschland und Frankreich vermitteln in dem Konflikt bereits seit mehreren Jahren. „Wir sind der deutschen Seite dankbar für die harte Position und die Unterstützung unserer Souveränität“, sagte Selenski.
Er forderte die Umsetzung der Beschlüsse des Ukraine-Gipfels vom Dezember 2019 in Paris. Einen Nachfolge-Gipfel sollte es bereits im vergangenen Jahr in Berlin geben – ein neues Treffen kam bislang aber nicht zustande. Merkel sagte nun, sie selbst und auch Selenski seien dazu bereit. Zugleich lobte sie die Ukraine für Reformanstrengungen.
Seit mehr als sieben Jahren kämpfen ukrainische Regierungstruppen in den Gebieten Donezk und Luhansk entlang der russischen Grenze gegen von Russland unterstützte Separatisten. UN-Schätzungen zufolge wurden seitdem mehr als 13.000 Menschen getötet. Ein Friedensplan liegt auf Eis.
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