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Bilanzskandal EY vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss: Es wird eng für die Wirtschaftsprüfer

Die Prüferaufsicht sieht Hinweise auf Straftaten, der Sondergutachter KPMG stellt EY ein schlechtes Zeugnis aus. Das Schweigen wird für EY gefährlich.
27.11.2020 - 09:47 Uhr 1 Kommentar
Dreizehneinhalb Stunden Zeugenbefragung bis 3.30 Uhr morgens. Quelle: action press
Sitzungssaal des Wirecard-Ausschusses in Berlin

Dreizehneinhalb Stunden Zeugenbefragung bis 3.30 Uhr morgens.

(Foto: action press)

Berlin Für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY war der gestrige Donnerstag ein denkwürdiger und folgenreicher Tag. Am Morgen wurde zunächst bekannt, dass die Aufsichtsbehörde Apas Straftatbestände bei der Abschlussprüfung von Wirecard sieht und dazu einen Bericht an die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin übermittelt hat.

Das Handelsblatt hatte exklusiv zuerst darüber berichtet, am Nachmittag bestätigten die Staatsanwaltschaften in Berlin und München den Eingang des Schreibens, sie werden nun weitere Schritte prüfen. Wenn schon die berufsrechtliche Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte für Fehlverhalten sieht, ist ein Ermittlungsverfahren wahrscheinlich.

Am Nachmittag dann trat der KPMG-Partner Alexander Geschonneck vor den Wirecard-Untersuchungsausschuss in Berlin. Er hat die Sonderprüfung der Wirecard-Bilanzen von 2016 bis 2018 und im Dezember 2019 geleitet und entscheidend dazu beigetragen, dass der Betrug bei dem Zahlungsdienstleister aufflog.

Geschlagene fünfeinhalb Stunden stand Geschonneck im Zeugenstand – was auch daran lag, dass er detailliert, deutlich und konsistent seine Sicht der Dinge darlegte und jede Frage ausführlich zu beantworten versuchte.

Und auch wenn Geschonneck stets eine direkte Bewertung der Abschlussprüferarbeit von EY bei Wirecard vermied: Seine Aussagen hinterließen nicht nur für die Ausschussmitglieder den schwerwiegenden Eindruck, dass EY nicht ausreichend genug geprüft hat – insbesondere was die Existenz der Treuhandkonten in Asien angeht.

„Es war keine Raketenwissenschaft, was wir da gemacht haben“

Geschonneck wiederholte es gebetsmühlenhaft: Nach Standards von KPMG hätten keine ausreichenden Prüfungsnachweise für die Konten vorgelegen. Nicht für die Treuhandkonten in Singapur in der Bilanz von 2018, die EY uneingeschränkt testierte, und nicht für die Konten auf den Philippinen im Jahr 2019, für das EY das Testat verweigerte (lesen Sie hier die genauen Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss).

Was besonders schwer in Geschonnecks Aussagen wiegt: Bisher war es ein Argument von EY, dass eine forensische Prüfung – wie sie KPMG machte – mit ganz anderen Methoden arbeiten kann als die gesetzlich festgeschriebene Abschlussprüfung. Heißt: Mit polizeilichen und ermittlungstechnischen Methoden kann Betrug überhaupt erst aufgeklärt werden.

Nun erklärte der KPMG-Partner in Berlin aber freimütig, dass das Sondergutachten zu Wirecard in Teilen gar nicht forensisch ausgerichtet war. Gerade bei der Prüfung der Treuhandkonten hätte KPMG mit Methoden gearbeitet, die auch jedem Abschlussprüfer zur Verfügung stünden.

„Es war keine Raketenwissenschaft, was wir da gemacht haben.“ Dieser Satz von Geschonneck wirkte wie ein Tritt in Richtung EY. Er machte wiederholt deutlich: Was der Abschlussprüfer beim Sondergutachten an Prüfungsbelegen vorlegte, habe KPMG nicht für ausreichend gehalten.

Geschonnecks Auskunftsfreude verleitete die Mitglieder des U-Ausschusses dazu, ihn auch noch als Sachverständigen zu Rate zu ziehen: Er sollte doch sagen, was man im Gesetz zur Prüferregulierung und Finanzmarktaufsicht besser machen könnte. Da lehnte dann der KPMG-Mann ein Statement ab.

Ganz anders der Auftritt der EY-Mitarbeiter: Sie konnten oder, besser gesagt, wollten nicht konkret zur Arbeit und Rolle bei Wirecard aussagen, weil sie sich nicht wirksam von der gesetzlich auferlegten Verschwiegenheitspflicht entbunden sehen. Das ist nicht nur ihr gutes Recht, auch wenn es die Ausschussmitarbeiter erzürnte. Es ist auch ihre Pflicht, wenn die Rechtslage in dieser Frage unsicher ist.

BGH soll über Verschwiegenheitspflicht entscheiden

Zwar gab EY-Mitarbeiter Christian Orth einige abstrakte Erklärungen am Beispiel eines fiktiven „Computerladens“, und die Ausschussmitglieder versuchten in ihren Fragen, diesen „Computerladen“ möglichst nahe an die Realität bei Wirecard zu rücken. Orth betonte stets die Grenzen, in denen sich die gesetzlich streng vorgeschriebene Abschlussprüfung bewege. Aber es blieb beim Kreisen um die eigentlich spannenden Fragen, zu denen es keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gab.

Für EY stellt sich die Lage am Freitagmorgen so dar: Es gibt jede Menge schwere Vorwürfe, mehr noch als in den vergangenen Wochen. Das Unternehmen weist diese scharf zurück, will oder kann aber öffentlich nicht zur Aufklärung beitragen. Dafür gibt es Gründe, auch mit Blick auf die drohenden Anlegerprozesse. Doch das Schweigen wird für EY immer gefährlicher.

Der Untersuchungsausschuss machte deutlich, dass er am Ball bleiben und die EY-Prüfer zur Aussage bringen will. Die Prüfer unterstrichen, dass sie detailliert aussagen wollen, wenn Rechtssicherheit geschaffen ist. Dazu verhängte der Ausschuss ein symbolisches Bußgeld von 1000 Euro gegen die schweigenden Zeugen.

Dies soll nun den Weg frei machen für eine neue Befragung. Die EY-Prüfer werden gegen den Bußgeldentscheid vor den BGH ziehen, der soll dann im Interesse aller über die Verschwiegenheitspflicht entscheiden. Doch es ist offen, wann der BHG eine solches Urteil fällen wird.

Für den Ausschuss selbst war der Donnerstag ebenfalls ein wichtiger Tag: Dreizehneinhalb Stunden bis 3.30 Uhr morgens haben die Mitglieder die Zeugen befragt und dabei bis auf wenige Momente, in denen sie sich in unnötigen Details verloren, Kenntnis, Hartnäckigkeit und Schärfe bewiesen. Das wird in diesem Verfahren für die Aufklärung auch weiter nötig sein.

Mehr: Premiere im Wirecard-Skandal: Kronzeuge entschuldigt sich bei Aktionären für „Desaster“.

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1 Kommentar zu "Bilanzskandal: EY vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss: Es wird eng für die Wirtschaftsprüfer"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Am Ende wird das die entscheidende Frage sein.
    Waren die Prüfungsnachweise für einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk ausreichend 2018 und 2019 bzw. für die Jahre mit Treuhandkonten in Asien ausreichend oder nicht.

    Meine nicht maßgebliche Meinung lautet im Hinblick auf die Größenordnung und das Verhältnis zum Eigenkapital "Nein". Aber das werden vermutlich Gerichte klären. Ob da noch leichtfertig oder am Ende Vorsatz war dürfte noch Bedeutung haben. Da werden einige WP´s bei EY unruhige Nächte haben.

    Der APAS würde ich hier keine Kompetenz zugestehen, die sind selbst in der Schusslinie und politisch involviert. Was von denen kommt dürfte zur Verteidigungsstrategie gehören und keine unparteiische Äußerung sein.

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