Bildung Digitalpakt Schule: Kommunen klagen über bürokratische Hürden und drohende Zusatzkosten

Die Digitalisierung in deutschen Schulen kommt nur schleppend voran.
Berlin Beim Digitalpakt Schule schieben sich Landespolitiker und Kommunen gegenseitig die Schuld zu: Wer ist dafür verantwortlich, dass seit Mitte 2019 nur ein Achtel der 6,5 Milliarden Euro bis Mitte des Jahres abgeflossen sind? Landespolitiker beklagen die Untätigkeit der Kommunen. Diese argumentieren wiederum, dass die Vorgaben der Kultusminister zu bürokratisch seien – und ein Risiko hoher Anschlusskosten bestehe.
Der Bund stellt für den Digitalpakt Schule 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Er besteht mittlerweile aus vier Töpfen: fünf Milliarden Euro für die digitale Infrastruktur und jeweils 500 Millionen für Schüler-Laptops, Dienstlaptops für Lehrkräfte und IT-Administratoren in den Schulen. Doch der Bericht der Länder an den Bund zum Stichtag 30. Juni 2021 zeigt, das bisher kaum Mittel abgeflossen sind.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte dem Handelsblatt: „Die Verfahren für den Digitalpakt sind zu kompliziert, die Fristen für die Bearbeitung in den Verwaltungen häufig sehr knapp.“ Man brauche einfachere und flexiblere Lösungen. Allein die Bearbeitung der Förderprogramme binde viel Personal.
Umstritten ist, wer die hinderliche Bürokratie verursacht hat. Die FDP warf Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) „ministerielles Totalversagen“ vor: Sie habe sich nicht mal bemüht, die Verfahren zu entbürokratisieren und so den Abfluss zu beschleunigen. Diesen Vorwurf hört man aus den Ländern nicht.
Der Städte- und Gemeindebund sieht dagegen die Länder in der Verantwortung: „Sie haben bei den Vergaberegeln unnötige Bürokratie aufgebaut“, sagte Alexander Handschuh, der dort den Bereich Digitalisierung leitet. „Oft wurde da eine Schleife extra gedreht und Zusatzanforderungen gestellt, die der Bund gar nicht verlangt.“ Das sei im Einzelfall verständlich, „bremst aber den ohnehin mühseligen Prozess zusätzlich“.
Bayern gehört zu den Schlusslichtern
Ein deutliches Indiz dafür, dass das größte Problem bei den Ländern liege, sei „dass der Abfluss der Digitalpaktmittel in den Stadtstaaten, wo es die Trennung zwischen Land und Kommune so nicht gibt, viel schneller geht“, sagte Handschuh. In der Tat liegen Hamburg, Bremen und Berlin hier an der Spitze – alle anderen folgen mit deutlichem Abstand.
Obwohl Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Anfang des Jahres deutlich mehr Tempo forderte, gehört der Freistaat zu den Schlusslichtern. Dort sind bis Mitte 2021 erst 0,8 Prozent der Mittel abgeflossen. Auch der bayrischen Städtetag verweist auf die Bürokratie: „Wir haben von Anfang an auf den viel zu hohen Verwaltungsaufwand aufmerksam gemacht, ohne dass dem Rechnung getragen wurde“, sagte dessen Geschäftsführer Bernd Buckenhofer dem Handelsblatt.
Im Juli habe man bei Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) erneut auf Fristverlängerung und Pauschalierungen gedrängt. Dieser habe zwar Verständnis gezeigt, aber auf den engen „Korridor der Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund“ verwiesen. Dieser sei in der Förderperiode nicht zu ändern.
Hinzu kommt: Als der Digitalparkt Mitte 2019 startete, forderte der Bund noch Medienkonzepte von den Schulen, bevor die Gelder beantragt werden konnten. Dieser Umstand hat den Abfluss der Mittel laut Handschuh ebenfalls erschwert. In der Corona-Pandemie wurde die Auflage dann gelockert: Die Konzepte sollen nun nachgeliefert werden.
Zu viele Einrichtungen – zu wenig IT-Personal
Ein zentrales Problem der Kommunen ist der Mangel an IT-Personal: „Der Markt für IT-Fachkräfte ist leer gefegt“, sagte Dedy. Zudem könnten die Kommunen kaum mit der Privatwirtschaft konkurrieren. Und: Sie können nicht damit werben, sichere Jobs zu bieten. Denn die Kommunen wissen laut dem Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags nicht, wie sie die zusätzlichen IT-Kräfte nach 2024 bezahlen sollen. Dann endet nämlich der Digitalpakt.
Der IT-Fachkräftemangel betreffe aber auch die Schulen selbst. Bislang betreuen dort vor allem Lehrer die IT neben dem Unterricht. Laut Dedy brauchen die Einrichtungen aber Fachpersonal für die umfangreichen Aufgaben, die von der Vergabe der Passwörter bis hin zur technischen Betreuung reichen.
Eine Kleinstadt mit 25.000 Einwohnern hat laut Dedy im Schnitt bis zu zwölf Grundschulen und etwa vier bis sechs weiterführende Schulen. Dementsprechend hoch ist der Bedarf an IT-Administratoren selbst in kleinen Kommunen. Aber: „Das Personal haben wir schlicht nicht“, weiß der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags.
Aber auch die Marktsituation für die digitale Ausstattung ist schwer kalkulierbar: Benötigte und bewilligte technische Geräte wie Router, Rechner oder Peripherieprodukte sind in größeren Stückzahlen oft nicht von jetzt auf gleich verfügbar. Auch wegen der bundesweit hohen Nachfrage gibt es Lieferengpässe, heißt es beim Städtetag.
Praktiker vor Ort sind verärgert
Praktiker vor Ort sind zunehmend frustriert. Gert Fischer, Schul-Dezernent von Mönchengladbach, lobt zwar die Hilfe durch den Digitalpakt, ärgert sich aber über die Abläufe: „Bund und Länder behandeln uns wie der letzte Dreck. Der Bund stellt die Schecks aus, die Länder drücken die Verantwortung nach unten und dann heißt es: Die doofen Kommunen rufen das Geld nicht ab.“
Bund und Länder argumentieren, dass die Kommunen beim Digitalpakt immerhin die Möglichkeit des „vorzeitigen Maßnahmenbeginns“ haben – also direkt loslegen und später abrechnen können. Das ist laut Fischer aber nur die halbe Wahrheit. „Wenn wir verhindern wollen, am Ende auf Kosten sitzen zu bleiben, müssen wir vieles vorab mit dem Land absprechen, beispielsweise ob und in welchem Umfang wir Präsentationstechnik einkaufen dürfen.“ Das dauere oftmals ewig.

Die Schulen wollen nicht allein auf den Kosten für die Technik sitzen bleiben.
Und: „Wenn dort ein Sachbearbeiter wechselt, kann es sein, dass wir von vorn anfangen.“ Also beauftrage man zu Beginn „nur das absolut Unstrittige“. Vorfinanzierungen könnten sich zudem ohnehin nur große oder reiche Kommunen leisten, heißt es bei den Kommunalverbänden.
Mönchengladbach erhält aus dem Digitalpakt bis 2024 15 Millionen Euro. Doch schon jetzt kalkuliert Fischer mit Folgekosten von zweieinhalb Millionen, die die Stadt nach Auslaufen der verschiedenen Förderprogramme zusätzlich für Wartung und Ersatz braucht.
Allein die künftigen Mehrkosten für die Datenübertragung der Schulen schätzt der Dezernent auf einen sechsstelligen Betrag pro Jahr. „Und da ist noch keinesfalls freies WLAN mit drin“, stellt er klar, „Das wäre bei 38.500 Schülern, die während der Schulzeit beliebig im Netz surfen, rechtlich bedenklich und unbezahlbar.“
Länder fürchten Klagen
Die Länder fordern schon lange einen Digitalpakt 2.0 vom Bund – doch darüber dürfte die nächste Regierung wohl frühestens Mitte 2022 reden. Kommunen müssen also weiterhin damit rechnen, dass sie auf Folgekosten sitzen bleiben – und sind nun entsprechend vorsichtig.
Im Hintergrund lauert das Grundsatzproblem, dass Kommunen gar nicht verpflichtet sind, die Digitalisierung der Schulen zu schultern. Die Konnexität – also das in den Landesverfassungen verankerte Prinzip „Wer bestellt, zahlt“ – verlangt, dass Länder die Kosten tragen müssen, wenn sie Städten und Gemeinden Zusatzaufgaben übertragen. Im Streit um den Kita-Ausbau verurteilte das Landesverfassungsgericht NRW 2010 in einem Musterprozess das Land dazu, Zusatzkosten der Kommunen in Milliardenhöhe zu übernehmen.
Nun herrscht in den Ländern die Angst, dass Kommunen sie auch beim Digitalpakt verklagen könnten. Daher hat etwa Mecklenburg-Vorpommern eine Vereinbarung mit den Kommunen geschlossen, worin diese zusichern, die Digitalisierung zu übernehmen. Das Land hat allerdings auch weitere 80 Millionen Euro bereitgestellt. Sachsen verhandelt ebenfalls über eine Grundsatzabkommen mit den Kommunen.
Mehr: Viele Milliarden, zu wenig Erfolge – Parteien streiten über bessere Förderung von Spitzenforschung
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In der digitalen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft steht Deutschelande weltweit auf dem wievielten Platz?
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Das Problem besteht doch schon vor 8.00 Uhr morgens. 0 Parkplätze an und vor den Schulen.
Hastige eilende Elternteile mit ihren meist dicken SUV'S oder Bussen lassen ihre scheinbar gehbehinderten Kindern unmittelbar an der Schule Punkt 5 vor 8 aussteigen und behindern ander Verkehrsteilnehmer. Und am Mittag ist es dann meist auch nicht besser, wenn die Kinder wieder von der Schule abgeholt werden.
Wenn es dann heißt mehr Parktplätze und man(n) auf die Kosten vertröstet wird, spricht das nicht für dieses Land. Und schon gar nicht für die Infrastruktur und für die Verantwortlichkeit solcher trivialen Dinge.
Erst Schritt 1 und dann Schritt 2.
DasmProvlem besteht doch schon vor 8.00 Uhr morgens. 0 Parkplätze an und vor den Schulen.
Hastige eilende Elternteile mit ihren meist dicken SUV'S oder Bussen lassen ihre scheinbar gehbehinderten Kindern unmittelbar an der Schule Punkt 5 vor 8 aussteigen und behindern ander Verkehrsteilnehmer. Und am Mittag ist es dann heißt aich nicht besser, wenn die Kinder wieder von der Schule abgeholt werden.
Wenn es dann heißt mehr Parktplätze und man(n) auf die Kosten vertröstet wird, spricht das nicht für dieses Land. Und schon gar nicht für die Infrastruktur und für die Verantwortlichkeit solcher trivialen Dinge.
Erst Schritt 1 und dann Schritt 2.