Bocholt: SPD-Parteitag wegen Morddrohungen abgesagt
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BocholtSPD-Parteitag wegen Morddrohungen abgesagt
Am Freitagabend sollte Thomas Purwin als Vorsitzender des SPD-Stadtverbands in Bocholt wiedergewählt werden. Doch wegen einer Morddrohung wurde der Parteitag abgesagt. NRW-Innenminister Jäger verurteilt die Drohungen.
07.10.2016Update: 07.10.2016 - 19:47 Uhr
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Ralf Jäger
Der NRW-Innenminister verurteilte die Drohungen als „unerträglichen Angriff auf Menschen, die sich für die Demokratie und das Gemeinwohl einsetzen“.
Bocholt Mit Rücksicht auf seine Familie hat der SPD-Vorsitzende der Stadt Bocholt (Nordrhein-Westfalen) nach Morddrohungen einen Parteitag abgesetzt. Das Aus der für Freitag geplanten Veranstaltung bestätigte SPD-Chef Thomas Purwin noch am selben Tag. Zuerst hatte das „Bocholter Volksblatt“ über die Absage berichtet. Auf der Tagesordnung stand die Wiederwahl des 35-Jährigen. Seine Lebensgefährtin habe große Ängste geäußert, teilte Purwin mit. Er selbst will die Absage nicht als Einknicken vor den Drohungen verstehen. Die Bedenken der Familie könne er aber nicht ignorieren, sagte Purwin der Deutschen Presse-Agentur.
Der Kommunalpolitiker, der in Bocholt das Standesamt leitet, muss sich seit Jahren immer wieder fremden- und judenfeindliche Beschimpfungen per Mail und bei Facebook gefallen lassen. „Auch der Bürgermeister und Kämmerer in Bocholt erhalten seit Beginn der Flüchtlingskrise diese üblen Beschimpfungen“, sagte Purwin. Der Staatsschutz der Polizei nahm Ermittlungen zu den Hassmails auf.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) verurteilte die Drohungen als „unerträglichen Angriff auf Menschen, die sich für die Demokratie und das Gemeinwohl einsetzen“. Es gebe in der Gesellschaft die besorgniserregende Tendenz zur Verrohung. „Die Aggressions-Spirale dreht sich immer schneller. Das zeigt sich etwa in Hass-Postings und Cyber-Mobbing. Oder entlädt sich sogar in gewalttätigen Angriffen auf Politiker“, sagte Jäger. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek reagierte fassungslos auf die Meldung. „Sorry Leute, so kann das nicht weiter gehen“, schrieb er auf Twitter.
Fremdenfeindliche Anschläge in Deutschland (seit 2015)
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SPD-Chef Sigmar Gabriel stärkte Purwin in einem Telefonat den Rücken. „Menschen einzuschüchtern, ist feige und verabscheuungswürdig“, sagte er danach den „Ruhr Nachrichten“ (Samstag). „Diese Morddrohungen sind ein Angriff auf die Grundlagen unserer Demokratie. Dem müssen alle DemokratInnen entgegentreten“, schrieb Gabriel auf Twitter. Bei einem neuen Parteitagstermin wolle er nach Bocholt kommen.