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Boris Palmer Die Grünen und ihr Rechtsaußen

Boris Palmer gibt erneut den Rebell: Der Tübinger OB will den Flüchtlingsstrom mit Zäunen an der EU-Grenze eindämmen. Dem Wahlkämpfer Winfried Kretschmann könnte die Provokation des grünen Rechtsaußen sogar helfen.
15.02.2016 - 19:07 Uhr
Oberbürgermeister von Tübingen und Rebell der Grünen. Quelle: dpa
Boris Palmer

Oberbürgermeister von Tübingen und Rebell der Grünen.

(Foto: dpa)

Palmer hat wieder zugeschlagen. Der Rechtsaußen der Grünen meldet sich mit schöner Regelmäßigkeit aus seinem eindrucksvollen mittelalterlichen Tübinger Rathaus, wo er seit neun Jahren als Oberbürgermeister residiert. Jetzt will er Zäune an der EU-Außengrenze errichten. „Wenn jeder an einer Kontrolle vorbei muss, wird sich die Zahl der Flüchtlinge deutlich reduzieren“, meint der Kommunalchef, der in seiner 80.000-Einwohner-Stadt bisher 1300 Flüchtlinge untergebracht hat. Es sei ihm zu einseitig, „nur die Sonnenseiten“ der Zuwanderung zu sehen. „Wir haben die Probleme lange unterschätzt, wie ich aus meiner praktischen Erfahrung sagen kann.“

Aufgeregt keilten grüne Bundespolitiker zurück: Parteichefin Simone Peter warf dem Parteifreund aus dem Süden vor, er spiele „rechten Hetzern“ in die Hände. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner erklärte: „Grüne stemmen sich dem Rechtsruck in der Gesellschaft entgegen und sollten ihm nicht hinterherlaufen.“

Doch das ist keineswegs „die Parteispitze“, sondern der linke Teil davon. Bei Cem Özdemir, dem Parteivorsitzenden, der für die Realos, also den bürgerlichen Teil der Partei steht, fiel die Reaktion milde aus: Palmer spreche in dieser Frage weder für die Landes- noch für die Bundespartei, teilte Özdemir trocken mit. Und sei ansonsten „ein guter OB in Tübingen“.

Menschen, die sich weder mit den Grünen befassen noch in Baden-Württemberg leben, muss man das Phänomen erläutern: Nein, Boris Palmer ist nicht „der Horst“ (Seehofer) der Grünen, zu dem ihn Medien wie Spiegel Online nun erhöhen – nachdem der Spiegel Palmer das Forum eines Interviews geboten hatte. Seehofer? Das wäre zu viel der Ehre – dann hätten die Grünen ein wirkliches Problem.

Der bürgerliche grüne Rebell ist eher sowas wie der Wolfgang Bosbach oder der Heinz Buschkowsky der Grünen – einer, der wie der Innenpolitiker der Union im Bundestag oder der langjährige SPD-Bürgermeister in Berlin-Neukölln unbequeme Sachen sagt, die oft nicht auf Parteilinie liegen, und sich damit selbst zur bundesweit bekannten Marke gemacht hat.

Palmer ist darüber hinaus Vertrauter seines Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und auch nahe an Parteichef Cem Özdemir – alle drei 150-prozentige schwäbische Realos. Und der OB des Professorenstädtchens Tübingen spricht in der Regel für den gutbürgerlichen Teil der Partei – sowie für die Kommunalpolitiker, die auch die Bundespartei als potenziell wachsendes Wählerklientel stark im Visier hat.

Palmer hat mehrfach den Finger direkt in die Wunde gelegt oder ungeniert provoziert:

2010 befürwortete er die Beteiligung der Stadtwerke Tübingen, deren Aufsichtsratsvorsitzender er ist, an einem geplanten Steinkohlekraftwerk in Brunsbüttel – ein Sakrileg für die grünen Kohle-Bekämpfer.

Unvergessen ist der Parteitag im Frühjahr 2013, als er – gemeinsam mit Kretschmann – erbittert gegen die Steuererhöhungspläne von Trittin & Co. zu Felde zog. Den Spitzensteuersatz wollte Palmer bei der Einkommensteuer statt auf 49 nur auf 47 Prozent erhöhen. Im gleichen Jahr votierte er im Ländle dafür, das dortige Polizeigesetz zu ändern, um gegen auffällige Alkoholtrinker Aufenthaltsverbote aussprechen zu können.

Auch in der Flüchtlingspolitik hat sich Palmer schon kritisch zu Wort gemeldet, als Parteifreunde noch im Rausch der Willkommenskultur taumelten. Er forderte „Realismus in der Flüchtlingsdebatte“ und votierte gegen die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen. Deutschland habe „nicht Platz für alle“. Notfalls müsse man sogar Wohnungen beschlagnahmen, sagte er im Sommer 2015.

Das Widerborstige hat er von seinem Vater
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