Breitbandausbau in Deutschland: Warum das schnelle Internet auf sich warten lässt
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Breitbandausbau in DeutschlandWarum das schnelle Internet auf sich warten lässt
Bis 2018 soll es in ganz Deutschland schnelles Internet geben – so das Ziel der Bundesregierung. Doch noch immer läuft der Breitbandausbau nicht richtig an. Woran liegt's? Eine Spurensuche von Bielefeld bis Berlin.
Im Januar 2018 wird abgerechnet. Dann wird sich zeigen, ob die Bundesregierung es geschafft hat, ihr Ziel, Deutschland flächendeckend mit schnellem Internet zu versorgen, erreicht hat. Doch obwohl Breitbandminister Alexander Dobrindt (CSU) seit Wochen munter Förderbescheide verteilt, wird es zeitlich eng werden. In vielen Teilen Deutschlands befindet sich der Breitbandausbau gerade einmal in der Planungsphase. Wann genau es losgeht, steht oft noch nicht fest. Städte und Kommunen sind verunsichert: Wo genau soll ausgebaut werden und mit welcher Technik? Wie müssen die Ausschreibungen ablaufen? Und je länger der Prozess dauert, desto stärker steigen die Baukosten.
Gemeinde Amtsberg, Sachsen, das „Tor zum Erzgebirge“. Anfang Juli. Stefan Brangs, Beauftragter der sächsischen Staatsregierung für Digitales, überbringt persönlich den Förderbescheid des Bundes. Sechs Millionen Euro bekommt die Region, vier vom Bund, zwei vom Land. Die Ausschreibungen laufen. Ein Unternehmen soll bis 2017 Breitband ausbauen, das mindestens 100 Megabit in der Sekunde (Mbit/s) leisten können soll. Das ist doppelt so schnell wie der Bund verlangt. In den Regionen, in denen sich der Ausbau für das Unternehmen nicht lohnt, wird die Investitionslücke mit Steuergeld geschlossen. Wirtschaftlichkeitslückenmodell nennt sich das. Doch generell gilt in Sachsen, dass Gebiete in denen das Internet bereits mindestens 30 Mbit/s schnell ist, aus der Planung herausgenommen werden, erklärt Christopher Scholz von der Landesberatungsstelle. Gleiches gelte für Gebiete, in denen Unternehmen ohne staatliche Zuschüsse ausbauen wollen. Welche das sind, steht allerdings immer noch nicht fest – denn ganz Deutschland wartet auf die finale Entscheidung, ob die Deutsche Telekom in bestimmten Regionen ausbaut oder nicht.
Brüssel, Berlin, Bonn. Februar 2015. Die Telekom beantragt bei der Bundesnetzagentur, in speziellen Gebieten eine Technik einsetzen zu dürfen, die zwar das Internet schneller macht, die Wettbewerber vom physischen Zugang zum Netz aber ausschließt. Seither debattieren Politiker und Beamte mit dutzenden Lobbyisten, Anwälten und Wissenschaftlern, ob sie dem Konzern das gestatten dürfen – und wenn ja, zu welchen Konditionen. Ein Streitpunkt ist, ob die eingesetzte Technik überhaupt die richtige für den Ausbau ist. Glasfaserkabel, so die Kritiker, sei die einzige Technologie, die tatsächlich die Datenmassen der Zukunft stemmen könnten – aber die Telekom will ihre alten Kupferkabel technisch hochrüsten.
Vergangene Woche hat nun die EU-Kommission dem überarbeiteten Antrag zugestimmt, solange die Telekom einen ausreichenden virtuellen Zugang statt des physischen bietet. Nun wird heftig diskutiert, wie dieser aussehen soll. Die Wettbewerber wollen möglichst viel Kontrolle über den Datenverkehr, die Telekom weniger hergeben. Bis das nicht geregelt ist, steht nicht final fest, ob die Telekom die betroffenen Gebiete tatsächlich auf deren Kosten ausbaut.
Kreis Rheingau-Taunus, rund um Frankfurt. Hier stört der Plan der Telekom, Breitband mit der Vectoring-Technologie auszubauen. Gigabit-Region wollen sie sein, und diese Geschwindigkeiten sind mit der Technik nicht drin. Gleichzeitig wird der Aufbau eines Glasfasernetzes bis in die Häuser unwirtschaftlicher. „Wir können momentan den Vectoring-Ausbau nicht verhindern“, sagt Koordinator Achim Staab. Er hat in einer Studie ermitteln lassen, wie sich die Nachfrage entwickelt und der Kreis zügig Glasfaser für alle aufbauen kann. 150 Millionen Euro würde der Ausbau in vier Stufen kosten. Der Bedarf liege 2020 bei mehr als 100 Mbit/s für Privathaushalte und 500 Mbit/s für Unternehmen. Die Studie hat er Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geschickt und auch Kontakt zu Beratern aufgenommen, um einen Weg zu finden, wie sich die Wirtschaftlichkeitslücke schließen lässt. Über 25 Jahre gerechnet liegt sie bei 25 Millionen Euro. Er möchte, dass der Kreis Modellregion ist. „Vielleicht merken die Telekommunikationsunternehmen, dass sich der flächendeckende Aufbau lohnt, wenn zugleich die Anwendungen zunehmen“, sagt Staab und fördert neue Geschäftsmodelle, wie digitalen Weinbau.
Zwei Modelle für den Breitbandausbau
Bei diesem Modell bekommt das Unternehmen den Zuschlag, das den geringsten Zuschuss benötigt, um in einem bestimmten Gebiet die Datenleitungen auf eine Geschwindigkeit von 50 Megabit in der Sekunde (Mbit/s) aufzurüsten und für sieben Jahre zu betreiben.
Da Unternehmen keine Fördermittel für Vectoring bekommen, sinken insgesamt die Kosten für das Projekt und damit für den Steuerzahler. Beim Einsatz dieser Technik werden Glasfaserkabel bis an einen Verteilerknoten gelegt. Von dort aus rüsten Firmen das bereits liegende Kupferkabel auf.
Beim Betreibermodell bauen Kommunen, Landkreise oder Zweckgemeinschaften etwa ein Glasfasernetz auf und verpachten es an einen Netzbetreiber. Werden Teilgebiete mit Vectoring erschlossen, fallen diese Gebiete und somit Kunden aus der Planung heraus, der Ausbau wird unwirtschaftlicher.
Vectoring erreicht je nach Nähe zum Endkunden derzeit maximal 100 Mbit/s. Glasfaser bietet entfernungsunabhängig Gigabitgeschwindigkeiten. Von bisher 66 bewilligten Förderanträgen für Bundesmittel (Stand April) waren 14 Betreibermodelle.
Saarlouis, Köln, Oldenburg. Die Deutsche Telekom ist nicht das einzige Unternehmen, das auf Vectoring setzt. Auch Firmen wie Inexio aus dem Saarland, Net Cologne und die norddeutsche EWE verwenden Vectoring. Allerdings sehen sich viele Wettbewerber durch die Ausbaupläne der Telekom benachteiligt. Inexio-Geschäftsführer David Zimmer erklärt: „Wenn die Nahbereiche wegfallen, wird es für uns schwieriger, flächendeckend auszubauen, weil lukrative Flächen wegfallen. Damit steigen die Kosten für den Ausbau.“ Net Cologne und EWE haben bereits angekündigt, gegen eine Erlaubnis der Bundesnetzagentur klagen zu wollen. Die Behörde betonte, diese habe keine aufschiebende Wirkung.
Rhein-Sieg-Kreis, drittgrößter Kreis Deutschlands, bei Bonn. Knapp 9,9 Millionen Euro hat der Bund dem Kreis für den Breitbandausbau zugesichert, der Kofinanzierungsbescheid vom Land steht noch aus. „Wahrscheinlich werden wir Ende des Jahres den Ausbau ausschreiben“, sagt Siri Grischke von der Wirtschaftsförderung. „Vorher lassen wir ein juristisches Gutachten erstellen, weil noch nicht klar ist, wie der Ausbau mit Wirtschaftlichkeitslücke ausgeschrieben werden darf.“ Für die Kreise sei es schwierig, ihren individuellen Weg zu finden. Zuerst müsse die Ausbausituation genau analysiert werden, erklärt Grischke. „Förderverfahren geben das benötigte Geld für den Ausbau, aber es müssen auch viele Vorgaben eingehalten werden, damit die Beihilfe an ein Unternehmen rechtskonform ist.“
Schwerin, Mecklenburg-Vorpommern. Verkehrsminister Christian Pegel berichtet, Kommunen seien verunsichert, weil sie nicht wissen, wie sie am besten ausschreiben, um auch Glasfaser ausbauen zu können. Er habe dazu ein Gutachten in Auftrag gegeben.
Detmold, Kreis Lippe, bei Bielefeld. Seit 2009 setzen die Ostwestfalen auf Vectoring. Dafür nutzen sie Landesmittel, nun wollen sie mit dem Bundesprogramm mehr ausbauen. Beim Markterkundungsverfahren meldete sich die Telekom und will in den kommenden drei Jahren selbst einen Teil des Netzes ausbauen. Koordinator André Gronemeier sagt: „Die Bereiche, um die wir uns kümmern müssen, werden damit kleiner.“ Aber Gronemeier erklärt, die Tiefbaukosten seien binnen eines Jahres um 60 Prozent gestiegen. „Damit wächst die Wirtschaftlichkeitslücke um den Betrag, den die Tiefbauer verlangen“, sagt er. Natürlich werde bis 2018 viel gebaut. Aber das Ziel des Bundes zu erreichen, „wird nicht funktionieren“.
Jan Schmöckel, Geschäftsführer der Ingenieurgesellschaft Marxen & Schmöckel in Henstedt-Ulzburg, Schleswig-Holstein, erklärt, aktuelle Ausschreibungen belegten, dass die Tiefbaupreise um etwa zehn Prozent zum Vorjahr gestiegen seien. Durch das Bundesförderprogramm sei zudem damit zu rechnen, dass sie weiter steigen: „Ich rechne mit Preissteigerungen um die 20 Prozent im Tiefbau“, sagt er.
Berlin. Noch ist kaum Geld geflossen von den Fördermitteln, die Verkehrsminister Dobrindt bereits zugeteilt hat. Im Gegenteil: Weil das Geld bislang kaum abgerufen wird, musste der Minister sich bereits 890 Millionen Euro für 2015 und 2016 von den Haushaltspolitikern sichern lassen, damit sie nicht verfallen.