Bürgerentscheid: Wie der Staat nach dem Strom greift
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BürgerentscheidWie der Staat nach dem Strom greift
Berlin stimmt per Bürgerentscheid ab, ob die öffentliche Hand die Macht über das Stromnetz zurückbekommen soll. Bis 2016 entscheiden 1300 Kommunen über den Wiedereinstieg. Doch er ist ein Wagnis – vor allem finanziell.
Die Kommunen greifen nach der Energieversorgung: Bis 2016 entscheiden 1300 Kommunen darüber.
(Foto: Imago)
Düsseldorf Die Stadt will ihr Tafelsilber zurück. Das Tafelsilber sind die Stadtwerke – früher traditionell im Besitz von Städten und Gemeinden. Die Stadt ist keine geringere als Berlin. In den 90er Jahren hatten Bürgermeister und Räte die Energieversorgung in ganz Deutschland privatisiert, es sollte Geld in die klammen Kassen der Kommunen. Jetzt soll der Strom zurück in die öffentliche Hand. In Berlin stimmen die Bürger am Sonntag per Volksentscheid darüber ab, ob sich die Regierung ihre Hand wieder nach der Stromversorgung ausstrecken soll. Damit soll alles so werden wie früher – aber doch anders.
Konkret geht es in Berlin um die Bewerbung bei einem Verfahren für die Vergabe der Konzession des Stromnetzes. Mitbewerber ist das schwedische Energieunternehmen Vattenfall, von dem Berlin die Nutzungsrechte zurückkaufen müsste. Bekäme Berlin wieder die Kontrolle über die Stromleitungen, könnte das Land ein Stadtwerk neu gründen und Stromversorger von rund 3,4 Millionen Menschen werden.
Der Grund: die Umsätze. Denn die sollen wieder in den Haushalt der städtischen Tochter fließen. Bisher muss das hoch verschuldete Berlin den Preis für die Überlassung der Netze zahlen. Nun kommt es auf die Bürger an. Und wenigstens einige wollen den grünen Strom von Zuhause haben.
Wie läuft ein Volksentscheid im Land Berlin ab?
Mit einem Volksentscheid können Bürger in Berlin direkt Gesetze auf den Weg bringen.
Das Verfahren ist mehrstufig: Zuerst gibt es ein Volksbegehren, für dessen Erfolg wenigstens sieben Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben müssen. Kommen diese Unterschriften zusammen, gibt es den Volksentscheid, der abläuft wie eine Wahl.
Abgestimmt wird über einen Gesetzentwurf. Das Abgeordnetenhaus kann einen alternativen Entwurf vorlegen – hat dies für die Strom-Abstimmung aber nicht getan. Daher können die Berliner jetzt nur mit Ja oder Nein stimmen.
Der Gesetzentwurf ist angenommen, wenn die Mehrheit der Teilnehmer und zugleich mindestens ein Viertel der Stimmberechtigten zustimmt. Nötig sind daher etwa 600.000 Stimmen.
In Berlin gab es seit 1999 drei Volksentscheide. Die zur Instandhaltung des Flughafens Tempelhof 2008 und zur Einführung von Religionsunterricht als reguläres Schulfach 2009 scheiterten. Der Entscheid zur Offenlegung der Wasserverträge 2011 war erfolgreich.
Mit dem Zurück-zum-Staat ist Berlin nicht allein: Der Verband kommunaler Unternehmen (VKD) spricht sogar vom „Trend der Rekommunalisierung“. Seit 2007 gab es nach Angaben des Verbandes 40 Neugründungen von Stadtwerken in Kommunen – in der Mehrheit in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Und: 200 Mal mussten Konzerne Konzessionen für Strom in die öffentliche Hand zurückgeben.
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Nie zuvor war die Gelegenheit des Rückkaufs günstiger: Ein Großteil der etwa 20.000 Konzessionsverträge mit einer Laufzeit von zwanzig Jahren enden in den kommenden Jahren. Auch die Hamburger haben sich dafür entschieden, Anteile am lokalen Energieversorger zu übernehmen. Weitere Beispiele sind Dortmund und Bochum. Dort hatten die Städte schon 2003 den Versorger Gelsenwasser von Eon gekauft. So könnte es weitergehen. Denn über die Zukunft ihrer Netze entscheiden bis 2016 etwa 1300 Kommunen, darunter Bonn, Düsseldorf und Stuttgart.
Paradox: Die Rathäuser vergeben die Konzessionen selber. Dem Wettbewerb müssen sie sich trotzdem stellen. Es gelten die europäischen Grundfreiheiten und nicht das Vergaberecht, heißt es in einem Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur. Demnach soll das Verfahren transparent und diskriminierungsfrei ablaufen. Das bedeutet, dass sich Bürgermeister und Gemeinderäte nicht bevorzugen sollen.
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