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Bund-Länder-Beschluss Astra-Zeneca: Was der erneute Stopp für das Impfen in Deutschland bedeutet

Das Vakzin von Astra-Zeneca soll nur noch bei älteren Menschen verimpft werden. Ein erneuter Rückschlag für die ohnehin schwierige Impfkampagne.
30.03.2021 - 22:45 Uhr 7 Kommentare
Jens Spahn und Angela Merkel erläutern die Beschlüsse zum Astra-Zeneca-Impfstoff. Quelle: AP
Pressekonferenz

Jens Spahn und Angela Merkel erläutern die Beschlüsse zum Astra-Zeneca-Impfstoff.

(Foto: AP)

Berlin Eigentlich sollte es mit dem Impfen im April erst richtig losgehen – nun aber droht ein weiterer Rückschlag. Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass das Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers Astra-Zeneca vorerst nur bei älteren Personen verimpft werden soll. Der Grund waren neue Meldungen von Hirnvenenthrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung.

„Das Impfen beruht auf dem Grundsatz Vertrauen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am späten Dienstagabend in Berlin. „Vertrauen entsteht aus dem Wissen, dass jedem Verdacht, jedem Einzelfall nachgegangen wird.“ Dafür stünden Bund und Länder mit ihrer Entscheidung ein. Sie folgten einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), die Impfungen für jüngere Menschen mit Astra-Zeneca zu stoppen.

Zuerst waren am Dienstag Berlin, Brandenburg und München mit der Entscheidung vorgeprescht, was die dortigen Impfzentren teils völlig unvorbereitet traf. Mitarbeiter berichteten, dass Menschen mit einem Impftermin am Eingang nach ihrem Alter gefragt und wieder weggeschickt werden mussten. Teils bildeten sich lange Schlangen, teils wurde stattdessen der Biontech-Impfstoff verimpft.

Es ist nicht der erste Rückschlag. Erst vor rund zwei Wochen setzte die Bundesregierung das Impfen mit dem Astra-Zeneca-Mittel für wenige Tage vorsichtshalber aus, um eine Untersuchung zu möglichen medizinischen Risiken abzuwarten. Mittlerweile wird der Impfstoff wieder verabreicht.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (Ema) hatte die Sicherheit des Vakzins bekräftigt, auch die Ständige Impfkommission in Deutschland hatte sich für einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen. Nun stellt sich die Frage, welche Folgen der erneute Stopp für die Impfstrategie der Bundesregierung hat. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie lauten die aktuellen Beschlüsse der Gesundheitsminister?

  • Beschlossen wurde eine neue vorsorgliche Altersbeschränkung für das Mittel von Astra-Zeneca: Das Präparat solle ab diesem Mittwoch in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahren eingesetzt werden.
  • Die Länder sollen nun auch schon 60- bis 69-Jährige für das Mittel von Astra-Zeneca mit in ihre Impfkampagnen einbeziehen können.
  • Unter 60-Jährige sollen sich auch in Zukunft „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin mit Astra-Zeneca impfen lassen können.


Was bedeutet die Entscheidung für jüngere Menschen, die noch eine Zweitimpfung erhalten?

Eine zentrale Frage ist, welches Vakzin nun die Menschen erhalten sollen, die bereits eine Erst-, aber noch keine Zweitimpfung mit Astra-Zeneca erhalten haben. Dazu will die Stiko bis Ende April eine Empfehlung abgeben.

Angela Merkel wirbt um Vertrauen für Astra-Zeneca-Impfstoff

Nach dem Impfstart mit dem Impfstoff Anfang Februar und bei einem empfohlenen Abstand von zwölf Wochen zur ersten Impfung sind die ersten Zweitimpfungen für Anfang Mai vorgesehen. Offen ist auch, ob sich der Impfstoff mit den mRNA-Mitteln der anderen Hersteller Moderna und Biontech kombinieren lässt.


Was ist die medizinische Begründung für die Astra-Zeneca-Entscheidung?

In Deutschland ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) als Prüfbehörde für die Impfstoffe zuständig. Dem Institut wurden bis Montagmittag 31 Verdachtsfälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astra-Zeneca gemeldet.

Dabei handelt es sich um eine sehr seltene Form von Blutgerinnseln in Hirnvenen. In 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie gemeldet, also ein Mangel an Blutplättchen. In neun Fällen war der Ausgang tödlich. Forscher vermuten, dass die Bildung der Gerinnsel über eine starke Immunantwort und dabei entstehende Antikörper, die an die Blutplättchen andocken und diese aktivieren, laufen könnte.

Das PEI sprach in seinem Sicherheitsbericht von „einer auffälligen Häufung“ in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit Astra-Zeneca. Mit Ausnahme zweier Fälle betrafen alle Meldungen Frauen im Alter von 20 bis 63 Jahren. Die beiden Männer waren 36 und 57 Jahre alt.

Insgesamt wurde der Impfstoff bereits rund 2,7 Millionen Mal verabreicht. Damit gibt es etwas mehr als einen Fall pro 100.000 Impfungen mit dem Mittel. Das klingt wenig, ist aber dennoch häufiger, als solche Fälle sonst in der Normalbevölkerung auftreten.

Die Empfehlung des PEI an bisher mit Astra-Zeneca immunisierte Menschen ist: Wer sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühle, sollte sich „unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben“. Als mögliche Beschwerden nannte die Behörde „starke und anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen“.

Ob die Impfung die Ursache ist, ist aber nach wie vor unklar. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht klar, ob es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Impfung und den Berichten über Immunthrombozytopenie gibt“, heißt es beim PEI. Bisher gebe es keinen Nachweis, dass das Auftreten dieser Gerinnungsstörungen durch den Impfstoff verursacht wurde. Es würden aber weitere Untersuchungen durchgeführt, um das aufzuklären.

Für die Ema sind die Vorteile des Vakzins deutlich größer als die Risiken. Es wurde aber beschlossen, zu diesen sehr seltenen Ereignissen einen Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformationen aufzunehmen. „Impfen ist fast immer die bessere Entscheidung“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstagabend in Berlin.


Wie ist die Lage in Großbritannien, das bereits viele Astra-Zeneca-Dosen verimpft hat?

In Großbritannien sind laut Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) bis Mitte März vier Fälle von Hirnvenenthrombosen aufgetreten, keine davon soll tödlich verlaufen sein. Mehr als 30 Millionen Menschen in Großbritannien haben mittlerweile eine erste Dosis erhalten – entweder mit Biontech- oder Astra-Zeneca-Vakzin.

Da die Impfkampagne schon weit vorangeschritten ist, werden zurzeit 50- bis 59-Jährige geimpft. Großbritannien hatte zu keinem Zeitpunkt die Impfungen mit Astra-Zeneca pausiert. Angesichts der großen Zahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise aufträten, gebe es keinen Anlass für einen Stopp, so die MHRA.


Was bedeutet der Stopp für die Impfstrategie der Bundesregierung?

Im ganzen Jahr werden mehr als 56 Millionen Dosen des Impfstoffs erwartet. Das Mittel hatten zuletzt viele Lehrer und Erzieher erhalten, die nach einer Änderung der Impfreihenfolge ebenfalls bevorzugt geimpft werden.

Weil der Impfstoff vergleichsweise leicht zu transportieren und zu lagern ist, gilt er außerdem als besonders gut geeignet für Impfungen in den Hausarztpraxen. Dort sollte das Mittel Ende April zum Einsatz kommen, bis dahin wird es vor allem in den Impfzentren der Länder gebraucht.

Zwar ist die Entscheidung, Astra-Zeneca nicht mehr an Jüngere zu verimpfen, nicht gleichzusetzen mit einem Impfverbot. So sollen Unter-60-Jährige sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin damit impfen lassen können, heißt es in dem Beschluss.

Dennoch ist davon auszugehen, dass jüngere Altersgruppen nun weitestgehend mit den Mitteln von Biontech und Moderna geimpft werden – und die älteren mit Astra-Zeneca. Es müsse deswegen „Änderungen an Impfplänen geben“, kündigte Merkel an. Daran würden die Länder nun arbeiten.

Derzeit laufen Impfungen in den ersten beiden Prioritätsgruppen, zu denen – bezogen auf das Lebensalter – neben Arbeitnehmern in besonders gefährdeten Berufen Menschen ab 70 Jahren gehören. Laut dem Beschluss der Gesundheitsminister soll es den Ländern nun freistehen, auch jetzt schon die 60- bis 69-Jährigen für das Mittel von Astra-Zeneca mit in ihre Impfkampagnen über die Hausärzte einzubeziehen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn betonte am späten Abend, die Entwicklung sei einerseits „ohne Frage ein Rückschlag“ für die Impfkampagne in Deutschland. Allerdings könnten die Über-60-Jährigen nun schneller geimpft werden, so Spahn bei der Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. „Die Älteren in dieser wachsenden dritten Welle zu schützen, ist wichtig.“ Er bitte daher darum, das bestehende Impfangebot anzunehmen.

Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) erwartet zumindest, dass die Entscheidung für die Impfstrategie der Bundesregierung keine spürbaren Folgen haben würde, da es für die älteren Altersgruppen vorerst genügend Dosen des Mittels gibt.

„Würde der Impfstoff ausschließlich Personen zwischen 60 und 80 Jahren angeboten, ist aufgrund der Größe dieser Bevölkerungsgruppe davon auszugehen, dass die Impfstoffmenge bis Ende des zweiten Quartals ausreichen würde, um etwa die Hälfte dieser Personengruppe vollständig zu impfen“, sagte ZI-Chef Dominik von Stillfried dem Handelsblatt.

Dies setzt aber voraus, dass sich die Bevölkerung weiterhin mit dem Mittel impfen lassen will. „Schnellschüsse untergraben das Vertrauen in den Impfstoff“, sagte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen dem Handelsblatt. „Es ist ein weiterer chaotischer Vorfall im deutschen Krisenmanagement.“

Merkel verteidigte auf der Pressekonferenz den Kurs. Offenheit und Transparenz seien die beste Möglichkeit, mit einer solchen Situation umzugehen. „Unter allen Abwägungen ist dies der Weg, der noch zu dem möglichst besten Vertrauen führt auf dem Weg zu einer Verwendung von Astra-Zeneca. Wenngleich ich die Verunsicherung nicht wegreden kann.“

Mit Material von dpa.

Mehr: Jeder zweite auf der Intensivstation beatmete Corona-Patient starb – Was bei einer dritten Welle droht

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7 Kommentare zu "Bund-Länder-Beschluss: Astra-Zeneca: Was der erneute Stopp für das Impfen in Deutschland bedeutet"

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  • Immer schön nach dem Motto: "Seid nicht feige Leute, lasst mich hintern Baum!" Frau Merkel sollte sich vertrauensvoll Astra Zeneca verabreichen lassen, Gesundheitsminister Jens Spahn ebenso, frei nach seinem "Modell Vorbild."

  • @ Peter Michael

    ich stimme Ihnen 100% zu!

  • Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.

  • Von Beginn der sog. Pandemie wird nichts als Angst und Hysterie verbreitet, ohne dass man sich die Mühe macht, verifizierbare Zahlen für dies alles zu ermitteln und dem Volk zu erklären.
    Positiv Geteste durch einen für Diagnostik nicht zugelassenen Test werden - entgegen Hinweisen der Testhersteller und der WHO - als Infizierte deklariert.
    Man könnte die tatsächlich nicht DURCH Corona verstorbenen ermitteln - wie bei jedem anderen Krankheitsbild auch - macht man aber nicht. Offensichtlich passen diese Zahlen nicht zu den Zielen dieser Regierung - nämlich mit Angstmache zu regieren.
    Fundamentale Grundrechte werden durch einen willkürlichen Inzidenzwert von 35 - 50 - 100 - 200 gestohlen, letztens sogar mit der Begründung der Vorsicht und der wahrscheinlichen Gefährlichkeit von Mutationen, als das Gefühl der Sonnenkönigin.

    Auf welcher Basis bittet sie um Vertrauen, auf welcher Basis ? Vertrauen muss sich jeder erarbeiten - den Vorschuss qua Amt hat sie längst verspielt - jedenfalls bei mir.

    Als ordentlicher Staatsbürger, der stolz auf dieses Land war, kümmere ich mich selbst um verifizierbare Fakten für meine persönliche Gefahreneinschätzung, wie ich es als Unternehmer auch gewohnt bin.

    Da passt vieles mit der öffentlichen Panikmache nicht überein - aber das ist mein Problem.

    Dieses Land hat sich seit vielleicht 10 Jahren nicht in Richtung Zukunft entwickelt und in keines der Zukunftsthemen können wir - jedenfalls den Part, den man von einer Regierung erwartet - stolz sein oder sind wir als Staat wirklich gut.
    Ihre Amtseide haben Frau Merkel und ihre Mitläufer schon lange nicht mehr ernst genommen.
    Ich halte mich weitestgehend an die Corona-Regeln, aber nur weil ich die Angst anderer Menschen ernst nehme.
    Vertrauen in das Handeln und die Einschätzungen unserer Regierung - no... Beitrag von der Redaktion editiert. Bitte beachten Sie unsere Netiquette: „Diskutieren erwünscht – aber richtig.“ https://www.handelsblatt.com/netiquette

  • @Herr Andre Peter

    Seit wann nehmen Männer die Pille? Fragen Sie die Sozialdemokratin Kalayci…

  • @Herr Harald Schweda
    könnte mit der Einnahme der Pille in Zusammenhang stehen - da durch die Pille sich gewisse Thrombose Risiken (minimal) erhöhen. Wird da geprüft - geforscht?
    Was ist los mit unserem Land? Unseren Forschern? Etwas Digitalisierung wäre nicht schlecht! Schon mal was von Data Mining gehört? Mit Papier und Fax geht das nicht!

    Hat Merkel die letzten 20 Jahre geschlafen? Schläft sie weiter? Wo ist Deutschland heute?

    ARMES DEUTSCHLAND

  • War das nicht der Impfstoff, der nicht ausreichend für Senioren getestet war?

    Aha!

    Und was soll das woke Gendern? Offenbar ist das Risiko bei fruchtbaren Frauen, von vermehrten Thrombosen bei Männern habe ich noch nichts gehört.

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