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Bund-Länder-Beschluss Der Gipfel der offenen Fragen frustriert die Wirtschaft

Nach dem Gipfel der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten sind viele Fragen offen. Hinzu kommt: Die Dinge, die feststehen sorgen vor allem für Kritik.
23.03.2021 - 19:23 Uhr Kommentieren
Der Spaziergang ist auch Ostern 2021 eine der wenigen erlaubten Freizeitbeschäftigungen. Quelle: mauritius images / Olaf Doering / Alamy
Leere Kneipenmeile, gut besuchtes Rheinufer

Der Spaziergang ist auch Ostern 2021 eine der wenigen erlaubten Freizeitbeschäftigungen.

(Foto: mauritius images / Olaf Doering / Alamy)

Berlin, Düsseldorf Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten haben bis tief in die Nacht verhandelt. Doch trotz zwölfstündiger Beratungen blieb vieles vage. Klar ist: Der Lockdown wird bis zum 18. April verlängert und über Ostern verschärft. Wie genau aber diese „erweiterte Ruhezeit“ umgesetzt werden soll, was es für Unternehmen und Arbeitnehmer bedeutet, blieb zunächst offen.

Am Dienstag liefen die Beratungen zwischen Bund und Ländern weiter. Das Bundesinnenministerium wurde beauftragt, eine Regelung zu erarbeiten. Nach Aussagen von Ministerpräsidenten soll der Gründonnerstag ein Feiertag werden und sollen Unternehmen entsprechend schließen.

Kritik kam aus der Wirtschaft: „Industrieproduktion lässt sich nicht an- und abschalten wie das Licht im Ministerium“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Chemiearbeitgeberverbands BAVC, Klaus-Peter Stiller dem Handelsblatt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schätzt, dass ein weiterer Feiertag rund sieben Milliarden Euro Wertschöpfung kosten würde.

Angesichts der steigenden Infektionszahlen sei die beschlossene Verlängerung des Lockdowns verständlich, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Für die nunmehr besonders lange geschlossenen Unternehmen verlangte sie, die bestehenden Überbrückungshilfen mit neuen Instrumenten zu ergänzen.

Tatsächlich versprechen Merkel und die Ministerpräsidenten in dem Beschluss ein „ergänzendes Hilfsinstrument“. Wie dieses aussehen soll, ist allerdings bislang noch völlig unklar.

Unklarheit über die „erweiterte Ruhezeit“

Es ist nur eine kurze Passage im Beschlusspapier von Kanzlerin Merkel und den Ministerpräsidenten. In der „erweiterten Ruhezeit“ von Gründonnerstag bis Ostermontag soll das öffentliche, private und wirtschaftliche Leben in Deutschland weitgehend heruntergefahren werden, um die dritte Welle der Pandemie zu brechen. Gründonnerstag (1. April) und Karsamstag (3. April) werden als „Ruhetage“ definiert.

„Wir sind in einer sehr, sehr ernsten Lage“, begründete Merkel die ungewöhnliche Maßnahme. Kaum war der Beschluss veröffentlicht, liefen bei den Kammern von Industrie und Handwerk die Telefone heiß. Was bedeutet das für Betriebe und Beschäftigte? Auch innerhalb der Bundesregierung musste man sich nach dem Beschluss, der in der nächtlichen Sitzung von Merkel und Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) in das Papier verhandelt worden war, zunächst sortieren.

Welches Bundesministerium zuständig ist, war zunächst unklar. Das Ressort von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verwies darauf, dass die Federführung bei Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) liege. Nach längerem Hin und Her ist es nun an Innenminister Horst Seehofer (CSU), den nächtlichen Beschluss umzusetzen. Seehofer selbst war bei der Runde gar nicht zugegen, sondern wurde durch seinen Staatssekretär vertreten.

Das Innenministerium habe die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz „zur Kenntnis genommen“ und arbeite an der Umsetzung, teilte das Ressort mit. „Über die Details der gefassten Beschlüsse wird die Öffentlichkeit rechtzeitig und umfassend informiert.“

„Schwierige rechtliche Fragen“

In einem Landesarbeitsministerium war am Dienstag von „heillosem Durcheinander“ die Rede. Die Chefs der Staatskanzleien des Bundes und der Länder wollten am Dienstagabend über das weitere Vorgehen beraten. Danach würden sich die praktischen Fragen „zügig klären“, hieß es. Und so wurde am Dienstag zwischen Bund und Ländern diskutiert, worauf man sich überhaupt wenige Stunden zuvor verständigt hatte.

Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von „schwierigen rechtlichen Fragen“. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) schien nicht ganz sicher, was genau beschlossen worden war: „Ich gehe aber davon aus, dass ein allgemeiner Ruhetag dann auch für das Homeoffice gilt“, sagte er. Für Bayern kündigte Markus Söder an, dass Betriebe, Behörden und Geschäfte von Gründonnerstag bis Ostermontag geschlossen bleiben.

Offen sind die Auswirkungen für das Gesundheitswesen. Gelten die Schließungen an einem möglichen Ruhetag auch für Ärzte und Apotheker, die dann einen Notdienst anbieten müssten? Im Beschluss ist immerhin festgehalten, dass Impf- und Testzentren geöffnet bleiben.

Die Ruhetage sind nicht der einzige unklare Punkt in dem Bund-Länder-Beschluss. Fragen wirft das Ziel auf, in Ländern und einzelnen Regionen „zeitlich befristete Modellprojekte“ für Öffnungen zu ermöglichen. Es geht laut Beschluss darum, „mit strengen Schutzmaßnahmen und einem Testkonzept“ einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens zu öffnen.

Unklar war am Dienstag, ob mit „Untersuchung“ wissenschaftlich angelegte Studien oder eine bloße Beobachtung von Inzidenzzahlen gemeint war. Außerdem sind derartige Lockerungs-Labore auf kommunaler Ebene längst möglich, Städte wie Tübingen gehen diesen Weg seit einiger Zeit.

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Während auf die Wirtschaft neue Einschränkungen zukommen, bleibt das „ergänzende Hilfsinstrument“, das Merkel und die Ministerpräsidenten im Beschluss ankündigen, bisher ein Hoffnungswert. Details konnten weder das Finanz- noch das Wirtschaftsministerium nennen. Die Ankündigung sei völlig überraschend nachts in das Beschlusspapier gekommen, hieß es in Regierungskreisen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will in den nächsten Tagen mit den Ländern und dem Bundesfinanzministerium klären, welche zusätzlichen Hilfen durch den verlängerten Lockdown nötig werden. Es gehe vor allem um Unternehmen, die besonders lange bereits zwangsweise geschlossen seien. Zu Volumen und Details wollte sich Altmaier nicht äußern.

„Wichtig ist, dass noch vor Ostern Klarheit herrscht, wie das versprochene ergänzende Hilfsinstrument aussieht und dass es unbürokratisch auch rasch beantragt werden kann“, forderte die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges.

Neue Einschränkungen ohne konkrete Hilfszusagen – das sorgt bei vielen Wirtschaftsvertretern für Frust. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, mahnte: „Die kurzfristige Einführung von Ruhetagen wie am Gründonnerstag und Karsamstag darf nicht zur dauerhaften Krisenstrategie werden.“ Es könne nicht der Sinn eines „Ruhetages“ sein, für „unnötige Unruhe“ zu sorgen, sagte Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband HDE.

Die Schließung zwinge die Menschen dazu, ihre Wochenendeinkäufe auf den Mittwoch oder den Samstag zu legen. „An diesen beiden Tagen ist daher mit einem erhöhten Kundenaufkommen und Warteschlangen vor den Geschäften zu rechnen.“

Ökonomen kritisieren März-Öffnungen

Die Einzelhändler sind ohnehin frustriert über eine mangelnde Öffnungsperspektive. „Wieder ist der Handel am schlimmsten betroffen von den aktuellen Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz“, sagte Claus-Dietrich Lahrs, Chef der S.Oliver Group. „Wir steuern erneut in eine Saison, in der die bereits bestellte Ware nicht abverkauft werden kann.“

Bund und Länder setzten die Wirtschaft aktuell ganz bewusst einem sehr, sehr hohen Risiko aus. „Wenn die Wirtschaft am Ende am Boden liegt, werden wir unser Land nicht wiedererkennen.“

Michael Busch, geschäftsführender Gesellschafter Thalia, sieht die Branche zurückgeworfen. „Die Öffnungsschritte der letzten Ministerpräsidentenkonferenz haben Hoffnungen bei Hunderttausenden Mitarbeitern geweckt“, sagte er. „Und sie wurden bitterlich enttäuscht“, obwohl vom Handel kein erhöhtes Infektionsrisiko ausgehe.

Ökonomen sehen es hingegen als großen Fehler der Regierenden an, dass sie am 3. März Öffnungen beschlossen hatten, ohne dafür eine funktionierende Teststrategie aufgebaut zu haben. Die Beschlüsse für den Oster-Lockdown „verdeutlichen, dass die Öffnungsstrategie der letzten Wochen gescheitert ist“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.

Die jüngsten Beschlüsse dürften die wirtschaftliche Erholung nun verzögern. „Je kürzer die Verlängerung des Lockdowns sein wird, desto geringer wird die Wachstumseinbuße ausfallen“, sagte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Wenn sich der Lockdown womöglich um drei Monate verlängert, könne das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr um einen Prozentpunkt niedriger ausfallen, hatten die Wirtschaftsweisen in ihrem jüngsten Konjunkturgutachten berechnet. Der Sachverständigenrat erwartet bisher ein Plus beim Bruttoinlandsprodukt von 3,1 Prozent.

Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), stört sich vor allem an den mangelnden Fortschritten beim Impfen und bei den Tests. „Dass man erst jetzt ernsthaft mit Tests beginnt, kann man nur als Versagen der Politik bezeichnen“, sagte Felbermayr.

Mehr: „Ruhetage“ Gründonnerstag und Karsamstag: Haben Beschäftigte frei?

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