Bundesregierung Jens Spahn, ein Mann für alle Fälle

Der Gesundheitsminister begründet den Griff in die Staatskasse damit, dass mit der Pflegeversicherung Leistungen erbracht würden, „deren Finanzierung gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist“.
Berlin Hochansteckende Erreger aus fernen Weltregionen hat Jens Spahn nicht erst seit dem Coronavirus als Gefahrenquelle im Blick. „Mit einem Flieger ist eine solche Infektionskrankheit auch sehr schnell in Europa und in Deutschland“, sagte der Bundesgesundheitsminister, als er im Oktober mehrere afrikanische Länder besuchte. Damals sprach der CDU-Politiker über die Ebola-Epidemie im Osten der Demokratischen Republik Kongo, doch die zentrale Aussage seiner Reise trifft auch die aktuelle Lage gut: „Gesundheit kennt keine Grenzen.“
Das Coronavirus hat sich von der chinesischen Millionenstadt Wuhan über den Globus ausgebreitet. Zwölf Fälle sind inzwischen in Deutschland bestätigt. Und Spahn hat faktisch das Krisenmanagement der Bundesregierung übernommen. Nach innen lässt er die Bevölkerung über Pressekonferenzen und Fernsehauftritte wissen, dass wegen der neuartigen Lungenerkrankung kein Grund zur Panik bestehe. Nach außen kümmert sich der Minister um die internationale Antwort auf die Krise, zumindest erweckt er diesen Eindruck.
„Eine angemessene Reaktion auf das Virus kann nur international und europäisch abgestimmt erfolgen“, erklärte Spahn am Montagabend nach einer Telefonkonferenz mit den Gesundheitsministern der anderen G7-Staaten Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und USA. Der Austausch sei „auf gemeinsame Initiative“ von Spahn und seinem US-Kollegen Alex Azar zustande gekommen, betonte das Bundesgesundheitsministerium.
Verabredet wurde demnach „ein so weit als möglich abgestimmtes Vorgehen“ bei den Reisebestimmungen und Vorsichtsmaßnahmen, bei der Erforschung des neuen Virus und bei der Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation und China.
Am Dienstag führte Spahn sein Einsatz gegen die Coronavirus-Epidemie in zwei europäische Hauptstädte. Zunächst beriet er mit dem britischen Gesundheitsminister Matt Hancock in London, dann traf er seine französische Kollegin Agnès Buzyn in Paris. Spahn und Buzyn baten die kroatische EU-Ratspräsidentschaft, ein Treffen der Gesundheitsminister aller Mitgliedstaaten einzuberufen, um die nationalen Maßnahmen gegen das Virus besser zu koordinieren.
Stärkere europäische Zusammenarbeit
In der zweiten Jahreshälfte übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Im Bundesgesundheitsministerium gibt es Überlegungen, dann eine Initiative für eine stärkere europäische Zusammenarbeit im Kampf gegen gefährliche Infektionskrankheiten zu starten. Zwar gibt es schon eine Stelle der EU, das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) mit Sitz im schwedischen Solna. Doch die Behörde nimmt bislang eine eher beratende Rolle ein.
Ein aufgewertetes ECDC könnte nach Ausbruch einer Epidemie auch Präsenz in der Krisenregion zeigen. Als Spahn im Oktober das Lagezentrum der Afrikanischen Union besuchte, in dem die neuesten Informationen aus den Ebola-Gebieten zusammenliefen, traf er dort Mitarbeiter der US-Seuchenschutzbehörde CDC an. Auch die chinesische Regierung hatte Experten geschickt. Europäer waren nicht in Sicht.
Die internationale Gesundheitspolitik gehört zum Aufgabenbereich von Spahns Ministerium, Zuständigkeiten überschreitet er also nicht. Doch mit seiner Allgegenwart stiehlt der Gesundheitsminister einem anderen Kabinettsmitglied die Show, dessen Haus ebenfalls eng in das Krisenmanagement zum Coronavirus eingebunden ist: Außenminister Heiko Maas (SPD).
Im Auswärtigen Amt wird Spahns öffentlichkeitswirksames Auftreten genau verfolgt. Schließlich waren es die Diplomaten, die die Evakuierung der deutschen Staatsbürger aus dem Seuchengebiet in Wuhan organisiert hatten. Tag und Nacht arbeiteten sie im Kellergewölbe des Auswärtigen Amts. Bis zuletzt war unklar, ob die Mission gelingen würde.
Immer wieder gab es logistische Probleme, etwa als Russland der Bundeswehrmaschine auf dem Rückflug die Landung für einen Tankstopp verwehrte und der Flug nach Finnland umgeleitet werden musste. Doch als der grau lackierte Airbus dann endlich auf deutschem Boden aufsetzte, war es zur Verwunderung der Krisenmanager des Außenministeriums nicht der eigene Minister, der sich den Medien als Macher präsentierte – sondern Spahn.
Spahn fühlt sich zu höherem berufen
Dass sich Maas von seinem Kabinettskollegen so ausstechen lässt, zeigt deutlich, was beide Politiker unterscheidet: der Wille zur Macht. Spahn fühlt sich zu Höherem berufen, der Posten des Gesundheitsministers dient ihm allenfalls als Zwischenstation. Sein Ziel ist das Kanzleramt. Die Karriereambitionen von Maas scheinen dagegen weitgehend erfüllt zu sein. Es ist ein Muster, dass auch schon im vergangenen Jahr deutlich wurde: Während Spahn sich in das Rennen um den Parteivorsitz der CDU warf und zumindest einen Achtungserfolg erzielte, verzichtete Maas auf eine Kandidatur, obwohl die SPD verzweifelt nach geeigneten Bewerbern suchte. Der Außenminister erledigt seinen Job, so lässt es sich vielleicht zusammenfassen, besondere Leidenschaft entwickelt er selten. Spahn hingegen verfolgt einen Plan, er brennt, wenn auch vor allem für sich selbst.
Bemühen um Transparenz
Sein Kampf gegen das Coronavirus stellt derzeit alle anderen gesundheitspolitischen Vorhaben in den Schatten. In der vergangenen Woche trat Spahn zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Reichstagsgebäude vor die Kameras, es ging um die höheren Mindestlöhne in der Pflege. Am Ende beantwortete der Gesundheitsminister auch Fragen zu den Infizierten in Bayern, Heil stand schweigend daneben.
Ähnlich verlief eine Pressekonferenz zu Spahns Gesetz zum Schutz von Patientendaten. Einige Erkundigungen von Journalisten zu dem Gesetz, dann Fragen zum Coronavirus. Spahn beantwortet sie gern. Der Minister sagte, er bemühe sich angesichts der im Internet verbreiteten „Halbwahrheiten, Mutmaßungen und Verschwörungstheorien“ zu der Epidemie um größtmögliche Transparenz.
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