Bundestag Opposition und SPD kritisieren Union wegen gescheiterter Wahlrechtsreform

Der Vorschlag, bis zu 15 Überhangmandate grundsätzlich nicht auszugleichen, sei laut Stefan Ruppert (FDP) ein „parteipolitischer Bonus zu Lasten der Steuerzahler“.
Berlin Die geplante Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestages ist vorerst gescheitert. Eine von Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) geleitete Arbeitsgruppe hat ihre Beratungen am Mittwoch nach anderthalb Jahren ohne Einigung beendet. Opposition und SPD machten die Union für das Scheitern verantwortlich. CDU und CSU hätten einen Kompromiss für ihren eigenen parteipolitischen Vorteil verhindert, sagte FDP-Fraktionsgeschäftsführer Stefan Ruppert in Berlin.
Sein SPD-Amtskollege Carsten Schneider ergänzte, Basis für einen Kompromiss könne kein Vorschlag sein, „der einseitig eine Partei beziehungsweise Fraktion bevorteilt“. Michael Grosse-Brömer (CDU) und Stefan Müller (CSU) erklärten hingegen, der Vorschlag, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren, würde „zu einer größeren Distanz zwischen Abgeordneten und Bevölkerung führen“.
Trotzdem versicherten alle Beteiligten ihre Bereitschaft zu weiteren Gesprächen. Schäuble appellierte in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden, „zeitnah eine Verständigung und Entscheidung herbeizuführen“. Regulär sollen dem Bundestag eigentlich nur 598 Abgeordnete angehören, doch durch zahlreiche Überhang- und Ausgleichsmandate gibt es seit der letzten Wahl 709 Parlamentarier – so viele wie nie zuvor. Das führt nicht nur zu einem Platzmangel in den Parlamentsgebäuden, sondern auch zu erheblichen Mehrkosten.
Um dies künftig zu verhindern, warb Schäuble dafür, die Zahl der Wahlkreise von derzeit 299 moderat auf 270 zu reduzieren. Zudem sollte es nicht mehr für sämtliche Überhangmandate entsprechende Ausgleichsmandate geben – bis zu 15 Überhangmandate blieben demnach ohne Kompensation. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Friedrich Straetmanns, bemängelte, CDU und CSU wären die einzigen Profiteure einer solchen Reform.
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FDP-Mann Ruppert ergänzte, ein Verzicht auf den Ausgleich von 15 Überhangmandaten sei ein „parteipolitischer Bonus zu Lasten der Steuerzahler“. Britta Haßelmann von den Grünen hält auch die vorgeschlagene Absenkung der Wahlkreis-Zahl für nicht ausreichend. Wer am personalisierten Verhältniswahlrecht festhalten wolle, könne nicht Nein zu einer deutlichen Wahlkreis-Reduzierung sagen.
Statt der damit einhergehenden Vergrößerung der Wahlkreise will der CDU-Haushaltspolitiker Axel Fischer hingegen kleinere Wahlkreise: Schäubles Vorschlag werde „weder dem Ziel der berechenbaren Verkleinerung des Deutschen Bundestages noch der größeren Bürgernähe zwischen Abgeordneten und Wählern gerecht“.
Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreise direkt gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis an Sitzen zustehen. Im Jahr 2012 urteilte das Bundesverfassungsgericht allerdings, dass es maximal 15 Überhangmandate ohne Ausgleich für die anderen Parteien geben darf. Im Jahr darauf verabschiedete der Bundestag deshalb ein neues Wahlrecht, das einen Ausgleich sämtlicher Überhangmandate vorsieht.
Das führte bei der Wahl 2017 jedoch zum größten Bundestag aller Zeiten. Der Bund der Steuerzahler übte deshalb massive Kritik an der verpassten Reform. Die Zeit für parteitaktische Spielchen sei längst vorbei, warne BdSt-Präsident Reiner Holznagel. „Ein XXL-Bundestag muss passé sein.“
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