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Bundestagswahl 2021 „Mir macht der Zustand unseres Landes Sorgen“ – Multiaufsichtsrätin Menne für Regierungsbeteiligung der Grünen

Seit dem Frühjahr ist Simone Menne Mitglied der Grünen. Im Interview erzählt sie, welche Aspekte des Programms sie dennoch kritisch sieht und welche neuen Impulse es in Deutschland braucht.
23.08.2021 - 13:00 Uhr Kommentieren
Obwohl die Mulitaufsichtsrätin den Grünen beigetreten ist, sieht sie einige Punkte des Wahlprogramms auch kritisch. Quelle: Bloomberg
Simone Menne

Obwohl die Mulitaufsichtsrätin den Grünen beigetreten ist, sieht sie einige Punkte des Wahlprogramms auch kritisch.

(Foto: Bloomberg)

Berlin Simone Menne ist unzufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Bundestagswahlkampfs. Inhaltliche Debatten kommen ihr zu kurz. „Es gibt doch wichtigere Themen als etwa die Frage, ob Robert Habeck der bessere grüne Kanzlerkandidat wäre als Annalena Baerbock“, sagte die frühere Lufthansa-Finanzchefin und heutige Multiaufsichtsrätin dem Handelsblatt.

Als wichtige Themen nannte Menne, die im Frühjahr Grünen-Mitglied geworden ist und im Juni zur Präsidentin der American Chamber of Commerce gewählt wurde, etwa die Klimakrise, die Zukunft der Rente, die Digitalisierung und die Notwendigkeit, die Strompreise zu senken.

Kein Parteiprogramm könne man zu 100 Prozent unterschreiben, sagte Menne, „aber bei den Grünen finde ich mich am ehesten wieder, vor allem bei dem, was sie beim Klimaschutz und bei sozialer Gerechtigkeit zu bieten haben“.

Das wirtschaftspolitische Programm überzeuge sie, auch wenn sie einige Aspekte kritisch sehe. Sie halte es auch für richtig, die Schuldenbremse zu hinterfragen. Menne verwies dazu auf Parallelen in der Unternehmenswelt: „Wenn ein Konzern in eine neue Technologie investiert, weil er sich damit am Markt behaupten und bis 2030 klimaneutral werden kann, dann ist das eine sinnvolle Entscheidung – auch wenn das heute höhere Schulden bedeutet als eigentlich geplant. Die Union will die Ausgaben erhöhen und gleichzeitig die Steuern senken, das überzeugt mich nicht.“

Es wäre gut für das Land, wenn die Grünen mitregieren würden, meint Menne. „Ich persönlich glaube, wir brauchen einen Neuanfang. Wir brauchen neue Impulse und die entstehen durch neue Konstellationen.“ Damit täten sich Parteien schwer, die lange in der Regierung sind. In Unternehmen sei das nicht anders. „Wie schafft man etwas Disruptives, wenn alle das Gefühl haben, es läuft doch irgendwie?“, fragte Menne rhetorisch. „Es läuft aber nicht gut genug – vor allem die Klimakrise ist längst da.“

Lesen Sie hier das gesamte Interview:

Frau Menne, Sie haben neulich anlässlich eines Gesprächs der drei Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz getwittert, endlich gehe es um Inhalte. Kommen die Ihnen bislang zu kurz?
Ja. Es gibt doch wichtigere Themen als etwa die Frage, ob Robert Habeck der bessere grüne Kanzlerkandidat wäre als Annalena Baerbock. Alle Medien, die sich an solchen Debatten beteiligen, lenken die Wähler von den wirklich wichtigen Themen ab.

Was sind für Sie die wichtigen Themen?
Der Klimaschutz etwa oder die Zukunft der Rente. Übrigens erinnere ich daran, dass wir in Deutschland keinen Kanzlerkandidaten wählen, sondern Parteien. Und sicher ist: Es wird eine Koalition geben. Also: Wozu die Aufregung?

Sie sind in diesem Jahr bei den Grünen eingetreten. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich bin 60 Jahre alt und mir macht der Zustand unseres Landes und der Welt Sorgen. Kein Parteiprogramm kann man immer zu 100 Prozent unterschreiben, aber bei den Grünen finde ich mich am ehesten wieder, vor allem bei dem, was sie beim Klimaschutz und bei sozialer Gerechtigkeit zu bieten haben.

Sie waren 2012 die erste Finanzchefin eines Dax-Unternehmens und setzen sich seit Langem für die Förderung von Frauen ein. Haben Sie Annalena Baerbock geraten, nach der Kanzlerkandidatur zu greifen?
Ich habe mich dazu mit ihr nicht ausgetauscht. Aber ich halte es für gut: Eine junge Frau mit Kindern repräsentiert die Zukunft, für die wir alle arbeiten müssen.

Sie hat keine Regierungserfahrung und hat in den vergangenen Monaten einige Schludereien gezeigt. Erschüttert das Sie nicht in Ihrem Glauben?
Nein, das lässt mich nicht zweifeln. Auch ich hatte als Vorständin keine Vorerfahrung und habe in meiner Karriere Fehler gemacht, das passiert jedem. Aber wir haben doch wirklich größere Themen zu besprechen.

Wie wichtig wäre abermals eine Kanzlerin für Deutschland?
Wir haben im Vergleich zu anderen Ländern wenig Frauen in Führungspositionen, sowohl in der Wirtschaft als auch in Wissenschaft und Politik. Es wäre wahrlich keine Katastrophe, wenn Deutschland auch in den nächsten Jahren von einer Frau regiert werden würde. Die jungen Regierungschefinnen in Island, Finnland und Neuseeland zeigen, wie fortschrittlich Frauen Politik machen. Sie haben zum Beispiel erkannt, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht die allein seligmachende Kennziffer für den Wohlstand eines Landes ist.

Es wäre also gut für das Land, wenn die Grünen zumindest mitregieren würden?
Ja. Ich persönlich glaube, wir brauchen einen Neuanfang. Wir brauchen neue Impulse und die entstehen durch neue Konstellationen. Und damit tun sich Parteien, die lange in der Regierung sind, schwer. Das ist doch auch ganz normal. In Unternehmen ist es nicht anders. Wie schafft man etwas Disruptives, wenn alle das Gefühl haben, es läuft doch irgendwie. Es läuft aber nicht gut genug – vor allem die Klimakrise ist längst da.

Überzeugt Sie das wirtschaftspolitische Programm der Grünen?
Ja, ich glaube, sie haben sich Gedanken gemacht. Aber ich sehe auch einige Aspekte des Programms kritisch. Trotzdem halte ich es zum Beispiel für richtig, die Schuldenbremse zu hinterfragen. Auch hier gibt es wieder Parallelen zur Unternehmenswelt: Wenn ein Konzern in eine neue Technologie investiert, weil er sich damit am Markt behaupten und bis 2030 klimaneutral werden kann, dann ist das eine sinnvolle Entscheidung – auch wenn das heute höhere Schulden bedeutet als eigentlich geplant. Die Union will die Ausgaben erhöhen und gleichzeitig die Steuern senken, das überzeugt mich nicht.

Im Gegensatz zur Union haben sich die Grünen schnell auf die Kanzlerkandidatur von Baerbock geeinigt. Quelle: dpa
Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck beim Wahlkampfauftakt der Grünen

Im Gegensatz zur Union haben sich die Grünen schnell auf die Kanzlerkandidatur von Baerbock geeinigt.

(Foto: dpa)

Sie haben mehrere Aufsichtsratsmandate, sind seit Juni Präsidentin der American Chamber of Commerce in Germany. Stehen diese Unternehmen den Grünen genauso wohlwollend gegenüber wie Sie?
Eine Antwort darauf steht mir als oberste Vertreterin von AmCham Germany nicht zu. Was ich sagen kann: Unsere Unternehmen eint das Verlangen nach klaren und verlässlichen politischen Rahmenbedingungen, unabhängig davon, wer regiert. Wir brauchen Transparenz darüber, was in den nächsten fünf bis zehn Jahren geplant ist, welche Investitionen gefördert werden, wie wir beim Datenaustausch und bei der Digitalisierung vorankommen und wie die Strompreise gesenkt werden können. Es ist doch absurd: Statt die Ursache hoher Strompreise zu bekämpfen, reden wir über Förderungen, um Unternehmen zu entlasten. Die Frage ist: Wie schaffen wir nachhaltige Energie, ohne uns immer wieder neue Förderungen auszudenken? Das alles sind Aufgaben, die eine neue Bundesregierung angehen muss.

Hätten Sie den Job auch gemacht, wenn Ex-Präsident Donald Trump wiedergewählt worden wäre?
Ja. Wir müssen in guten wie in schlechten Zeiten miteinander arbeiten, damit wir das transatlantische Verhältnis und die Partnerschaft stabilisieren. Und gerade in schwierigen Situationen ist es wichtig, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, und das hat AmCham Germany gemacht.

Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie gerade auf Afghanistan gucken – gerade mit Blick auf Frauen und Mädchen?
Es ist eine absolute Katastrophe und ich bin sehr überrascht, dass ganz offensichtlich die Lage so unterschätzt wurde. Die Taliban können noch so oft sagen, dass sie die Frauenrechte schützen wollen – die von ihnen geforderte Scharia tut das nicht. Ich befürchte einen immensen Rückschritt bei Bildung, Freiheits- und Frauenrechten.
Frau Menne, vielen Dank für das Interview.

Mehr: Kommentar: 20 Prozent – viel mehr ist dieses Mal für die Grünen einfach nicht drin

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