Bundestagswahl 2021 Söder zur Kanzlerkandidatur bereit – Entscheidung im Duell mit Laschet vertagt

CSU-Chef Söder hat erstmals offiziell erklärt, dass er für eine Kanzlerkandidatur zur Verfügung steht. Nun muss die CDU entscheiden.
Berlin Monatelang hat Markus Söder fast mantraartig betont, dass sein Platz in Bayern sei. In den vergangenen Wochen war dieser Satz vom CSU-Chef schon nicht mehr so oft zu hören. Seit Sonntag ist offiziell klar, warum: Bayerns Ministerpräsident zieht es nach Berlin – er will Nachfolger von Angela Merkel im Kanzleramt werden.
Ob ihm CDU-Chef Armin Laschet dabei den Vortritt lässt, ist aber auch nach der Sitzung des geschäftsführenden Vorstands der Unionsfraktion, bei der Söder seine Bereitschaft erklärte, offen: „Personen sind nicht alles, aber sie spielen eine wichtige Rolle“, sagte Söder.
Die Union hat damit jetzt offiziell zwei Kandidaten im Rennen um die Kanzlerkandidatur. Die Entscheidung, wer am Ende antrete, werde man zeitnah, aber nicht „auf Biegen und Brechen“ treffen, sagte der bayerische Ministerpräsident. Man brauche jetzt „sehr schnell und sehr zeitnah“ Lösungen, betonte auch CDU-Chef Laschet.
„Unser Ziel ist es, in dieser Lage, in der das Land ist – mit einer Kanzlerin, die aus dem Amt geht – so viel Einigkeit wie möglich zwischen CDU und CSU zu leisten“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Die Welt erwarte ein stabiles Deutschland.
Schon während der Sitzung des Fraktionsvorstandes war herausgesickert, dass Söder seine Bereitschaft zur Kanzlerkandidatur erklärt hatte. „Wenn die CDU bereit wäre, mich zu unterstützen, wäre ich bereit“, wurde er von Teilnehmern der Sitzung zitiert. „Wenn die CDU es nicht will, bleibt ohne Groll eine gute Zusammenarbeit“, so Söder weiter.
„Kandidatur war nicht mein Lebensplan“
Er habe sich am Samstag „lange und freundschaftlich“ mit Laschet ausgetauscht. Dies sei aber noch „kein abschließendes Gespräch“ gewesen. „Wir haben uns gegenseitig attestiert, dass wir es beide könnten. Die SPD hat keinen der es kann, wir haben zwei“, zitierten Teilnehmer Laschet.
Zuletzt waren die Forderungen aus der Unions-Bundestagsfraktion nach einem Mitspracherecht bei der Kanzlerkandidatur immer lauter geworden worden. Dass Laschet und Söder die gemeinsame Bereitschaft zur Kandidatur vor dem höchsten Führungsgremium der Fraktion erklärt hätten, drücke „den Respekt und die Wertschätzung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen unserer gemeinsamen Fraktion aus“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.
In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ begründete Söder am Sonntagabend seine Bereitschaft, für die Merkel-Nachfolge im Kanzleramt anzutreten, mit den Erwartungen an ihn. „Es war nicht mein Lebensplan, mich auf eine solche Kandidatur vorzubereiten.“
Aber die Rückmeldungen und die Erwartungen vieler Menschen in Deutschland wie auch die Umfrageergebnisse hätten ihn zu seiner Entscheidung bewogen. Dies alles habe „nicht die absolut entscheidende, aber doch eine wichtige Rolle“ gespielt.
Auch in der CDU habe es viele gegeben, die ihn gefragt hätten, ob er generell bereit wäre. „Und deswegen glaube ich, ist es jetzt fair und angemessen, so zu reagieren“, sagte Söder. Wenn sich eine breite Mehrheit eine Kandidatur wünsche, „wäre es auch ein Kneifen vor der Verantwortung“ gewesen, sich nicht bereitzuerklären, betonte der CSU-Chef. „Man kann nur dann immer mitreden, wenn man auch bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Das tue ich.“
Laschet will CDU-Präsidium hinter sich bringen
Laschet will die Führungsgremien seiner Partei an diesem Montag hinter seine Bewerbung für die Kanzlerkandidatur der Union bringen. „Ich werde morgen bereit sein zur Kandidatur, so wie Markus Söder, und um Vertrauen bitten“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident am Sonntagabend im „Bericht aus Berlin“. Er fügte hinzu: „Und die Partei wird dann eine Empfehlung aussprechen.“
Auf die Frage, ob sich die innerste Führungsriege der CDU bei der Präsenzsitzung des Präsidiums hinter ihn stellen werde, antwortete er: „Was das Ergebnis ist, da will ich nicht spekulieren.“ Es gebe ja bereits viele Rückmeldungen aus den Landesverbänden.
„Viele Landesvorsitzende, auch Ministerpräsidenten haben sich schon ausgesprochen, haben mich unterstützt.“ Er habe mit Söder in den vergangenen Tagen viele Stunden lang gesprochen. „Und es ist eine große Übereinstimmung, das gemeinsam zu lösen. Das wurde heute vorbereitet und geht morgen weiter.“
Ursprünglich hatten Söder und Laschet die Marschroute ausgegeben, dass „zwischen Ostern und Pfingsten“ über die Kandidatenfrage entschieden werde. Bis zur Sitzung am Sonntag, bei sie sich um demonstrative Geschlossenheit bemühten, waren beide aber eher durch gegenseitige Sticheleien – vornehmlich aus Bayern – aufgefallen. Kein Wunder, dass in den vergangenen Tagen die Unruhe in der Union deutlich gestiegen war, verbunden mit dem Wunsch, eine schnelle Klärung herbeizuführen.
„Beide sind fähige Kandidaten“
So haben 60 von 199 CDU-Abgeordneten eine Erklärung unterzeichnet, in der sie fordern, die Unionsfraktion an einer Entscheidung zu beteiligen. Mit der Erklärung soll ein Alleingang der CDU-Führung bei der Bestimmung des Kanzlerkandidaten verhindert werden.
„Beide sind fähige Kandidaten, die erfolgreich zwei der stärksten Bundesländer führen“, sagte Fraktionsvize Gitta Connemann dem Handelsblatt. Beide hätten bereits bewiesen, dass sie Wahlen gewinnen können. „Aber entscheidende Fragen sind bislang noch offen. Was werden die inhaltlichen Schwerpunkte? Wird es ein Zukunftsteam geben?“
Auch Fraktionsvize Johann Wadephul mahnte zumindest einen Fahrplan an. „Wir brauchen eine Entscheidung. Am Wochenende müssen wir dazu zumindest ein Procedere festlegen“, hatte er gefordert. Der Mitgliederbeauftragte der CDU, der Bundestagsabgeordnete Henning Otte, forderte gar: „Die Entscheidung muss jetzt rasch herbeigeführt werden.“
Weil es für die Abgeordneten auch um ihre berufliche Zukunft geht, hatten auch Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt eine Mitsprache der Fraktion angemahnt.
Die finale Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union könnte nach Ansicht von Söder in den nächsten Tagen fallen. In zehn Tagen sollten sich CDU und CSU „spätestens“ entschieden haben, ob Söder oder Laschet bei der Bundestagswahl im Herbst als Kanzlerkandidat ins Rennen gehe. „Ich denke, es ist in dieser Woche sogar möglich, eine Entscheidung gemeinschaftlich zu treffen“, sagte Söder am Sonntagabend im ZDF.
Söder betonte, dass beide Bewerber auch nach der Entscheidung in ihren Ämtern gut zusammenarbeiten müssten: „Eines ist klar, die beiden Parteivorsitzenden müssen auch nach dieser persönlichen Entscheidung am Ende gemeinschaftlich eng zusammenarbeiten.“ Er und Laschet „müssen, wir werden am Ende gemeinsam zusammenarbeiten“.
Seit Tagen positionieren sich einzelne Politiker entweder für Laschet oder Söder, andere brachten sogar Fraktionschef Brinkhaus ins Gespräch. Dies zeigt die Zerrissenheit der Union – und nährt die Sorge, dass die Anhänger des Kandidaten, der den Kürzeren zieht, sich nicht geschlossen hinter den Sieger stellen. Söder versuchte, solche Befürchtungen zu zerstreuen: Wenn die CDU sich nicht für ihn entscheiden sollte, werde er dies akzeptieren.
Die Personalfrage überlagert alles
Die ursprüngliche Tagesordnung der Fraktionsklausur am Sonntag trat angesichts der Personaldebatte gänzlich in den Hintergrund. Eigentlich wollte der geschäftsführende Fraktionsvorstand gemeinsam mit Merkel und den Parteichefs Laschet und Söder zwei Stunden lang über die Zukunft des Landes diskutieren und möglichst auch Ergebnisse für eine große Staatsreform präsentieren.
Doch in der Union wächst die Nervosität, ausgelöst durch die die historisch schlechten Wahlergebnisse der CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg (24,1 Prozent) und in Rheinland-Pfalz (27,7). Auch die bundesweiten Umfragewerte der Union sind historisch schlecht: Sie liegen mit 27 Prozent so niedrig wie vor der Coronakrise.
Zudem ist das Vertrauen der Menschen in die Union als Regierungspartei gesunken. So vertrauen gerade noch 30 Prozent der Menschen dem Corona-Management der Regierung, 62 Prozent beurteilen es negativ, wie die Demoskopen aus Allensbach Ende März feststellten. Das Misstrauen rührt am Markenkern der Union.
Entsprechend wittern die Anhänger Söders und von Friedrich Merz, der sich im Rennen um den CDU-Vorsitz geschlagen geben musste, ihre Chance. Zwar hatte Thomas Strobl, Landeschef der wirtschaftsliberalen baden-württembergischen CDU frühzeitig für Laschet plädiert.
Dennoch ging das Merz-Lager in dieser Woche mit einem offenen Brief in die Offensive. Darin erklärten sieben Bundestagsabgeordnete, dass der Vorsitzende der CDU Verantwortung für die gesamte Union in Deutschland trage.
„Diese beinhaltet auch, dass persönliche Ambitionen für die Kanzlerkandidatur zurückgestellt werden müssen, wenn ersichtlich ist, dass jemand anderes eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung hat“, heißt es in dem Schreiben – verbunden mit dem Hinweis, Söder sei „ein kraftvoller und aussichtsreicher Kanzlerkandidat“.
Am Freitag hatte sich dann auch noch der Ostbeauftragte der Bundesregierung, der sächsische Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz für Söder ausgesprochen. In Sachsen liegt die AfD seit 2019 das erste Mal wieder in der Sonntagsfrage vor der CDU.
Der im Rennen um den Parteivorsitz unterlegene Norbert Röttgen baute ebenfalls Druck auf und zeigte Sympathie für Söder. „Die Lage ist für die CDU nicht besser geworden in den letzten Wochen und Monaten“, sagte er angesichts der Umfragewerte am Freitag.
„Es geht in allem Ernst und in aller Ernsthaftigkeit und Offenheit um die Frage, ob wir die Wahlen gewinnen.“ Dies sei eine neue Lage. Darauf müsse die CDU eine Antwort geben, „und zwar so, dass wir die Wahl gewinnen“, forderte Röttgen.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil kritisierte die sich hinziehende Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union in scharfen Worten: „Der Hahnenkampf zwischen Laschet und Söder lähmt CDU und CSU. Beide stellen ihre persönliche Eitelkeiten über das Wohl des Landes“, sagte Klingbeil dem Handelsblatt.
„Das egoistische Verhalten von Laschet und Söder ist angesichts der Corona-Lage unverantwortlich. Es sei daher gut, dass Angela Merkel und Olaf Scholz „jetzt einen klaren Weg in der Pandemie-Bekämpfung vorgeben“.
Auch der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, bedauerte, dass die Union die Kanzlerkandidatenfrage wieder nicht entschieden hat. „Dabei wäre jetzt höchste Konzentration auf die Bekämpfung der Pandemie und die Zukunft Deutschlands nötig.“ Die Liberalen könnten aber sowohl mit Laschet als auch mit Söder „gut leben“, sagte Buschmann.
Hauptgegner sind die Grünen
Laschet und Söder wollen die Kandidatenfrage nun zeitnah klären. Beide wichen bei der Pressekonferenz am Sonntag aber der Frage aus, ob bereits bei den getrennten Sitzungen der Parteipräsidien am Montag eine Entscheidung falle.
Söder betonte, klarer Anspruch der Union sei, aus der Bundestagswahl im September als stärkste Kraft hervorzugehen. Hauptgegner dabei seien die Grünen, die am 19. April über ihre Kanzlerkandidatin oder ihren Kanzlerkandidaten entscheiden wollen.
Die Union müsse den Geist der Zeit repräsentieren und ihm nicht hinterherlaufen und ein modernes Programm anbieten, das weder ein „Weiter so“ noch ein „Zurück in die Vergangenheit“ ausstrahle.
Und natürlich hänge der Erfolg auch mit von den Personen ab. Aber: „Es kommt nicht auf unsere Ambitionen an, sondern es kommt auf das Wohl nicht nur der Union, sondern vor allem Deutschlands an“, sagte Söder. Seine eigenen Ambitionen sind jetzt zumindest endlich offiziell.
Mehr: Die Kanzlerkandidatur wird für CDU und CSU zur Belastung
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Dass Herr Söder aus der Kandidatennummer nicht mehr herauskommt, ist völlig logisch aufgrund der kampagnenhaft hochgepushten Sympathiewerte und der vielstimmigen Ermunterungen, teils aus eher listigen denn überzeugungsgelenkten Motiven... Söder hat auf seine Weise gewonnen, auch wenn er – was wahlstrategisch für die Union existenziell sein wird – letztlich Herrn Laschet die Kanzlerkandidatur überlassen muss. Bis zur Wahl sind es noch fast fünf Monate, in denen im Falle der Nominierung Herrn Söders genüsslich seine diversen Fehlentscheidungen (auch in der CORONA-Krise) aufgerufen und gewiss auch die vielen Pannen, Streitereien, Zumutungen und auch menschliche Gemeinheiten ausgebreitet werden, die sich die CSU respektive der bayerische Ministerpräsident gegenüber der CDU in den vergangenen Jahren geleistet haben. Die seit kurzem demonstrierte Eintracht zwischen den C-Parteien "funktioniert" auf noch sehr dünnem Eis. Breite Vorbehalte bei CDU-Anhängern, liberal getakteten und konservativen Wählern gegen eine CSU-Kanzlerschaft würden die kurzlebige und vordergründige Söderbegeisterung mit dem Stimmzettel bestrafen.