Bundestagswahl 2021 SPD wirft BDI „Fake News“ im Wahlkampf vor
Berlin at

Der BDI-Hauptgeschäftsführer forderte, dass die Parteien in den Wettstreit darüber treten sollten, welche Lösungen sie den Wählern anbieten, um den Standort zukunftsfest zu machen.
Anfang der Woche war für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein wichtiger Moment gekommen: Der Spitzenverband der deutschen Wirtschaft präsentierte seinen „Wahlprogramm-Check“.
Zehn für Unternehmen zentrale Themenfelder hatten die Mitarbeiter unter die Lupe genommen. Mit ihrer Auswertung wollten sie inhaltliche Diskussionen um die Zukunft des Industriestandorts in Zeiten des Klimawandels entfachen, jenseits von Vorwürfen gegen die Spitzenkandidaten Armin Laschet (CDU/CSU) und Annalena Baerbock (Grüne), sie hätten in ihren Büchern Plagiate verwendet, und jenseits anderer „Nebensächlichkeiten“.
Die Parteien sollten „endlich in den Wettstreit darüber treten, welche Lösungen sie den Wählerinnen und Wählern anbieten, um den Standort zukunftsfest zu machen“, forderte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Die Analyse habe gezeigt: Am besten passen Union und FDP zusammen, notfalls auch mit den Grünen als Jamaika-Koalitionäre. Und die Sozialdemokraten? „Die SPD zeigt sich bei zahlreichen für die Wirtschaft relevanten Positionen unentschlossen; dies ist gerade bei industriepolitisch wichtigen Themen wie der Abschaffung der EEG-Umlage sowie bei digitalen Genehmigungsverfahren enttäuschend.“
Die Botschaft ging nicht nur an die Presse, sondern auch an alle Mitgliedsverbände.
SPD verwahrt sich gegen Falschdarstellung
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Mit großer Verärgerung“ habe er die Bewertung der Wahlprogramme durch den BDI gelesen, schrieb SPD-Fraktionsvize Sören Bartol an die Hauptgeschäftsführung.
Es gehe ihm nicht um die mehr oder minder unverhohlene Wahlempfehlung. Es gehe ihm um Inhalte, konkret um die dargestellte Position der SPD zu energiepolitischen Fragen. In der Fraktion war sogar von „Fake News“ die Rede, die der BDI verbreite.
Bartol zitierte in der elektronischen Protestnachricht, die dem Handelsblatt vorliegt, die entscheidende Passage des BDI-Papiers. Darin hieß es, um eine verlässliche Energieversorgung zu garantieren, müssten die erneuerbaren Energien ausgebaut, die Stromnetze erweitert und modernisiert „sowie wettbewerbsfähige Energiekosten, beispielsweise durch Abschaffung der EEG-Umlage“, sichergestellt werden.
Dies sei „für die deutsche Industrie entscheidend“. Die Programme von CDU/CSU, Grünen und FDP lägen in den Punkten „eng beieinander und spiegeln die Vorstellungen der Wirtschaft am nächsten wider, während die SPD hierzu keine Stellung bezieht“.
„Ich zitiere aus dem Wahlprogramm der SPD“, konterte Bartol die Darstellung. „Je schneller der Ausbau der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien erfolgt und je schneller die nötigen Stromleitungen und Verteilnetze gebaut werden, desto eher kann auf fossile Energieträger verzichtet werden“, stehe in dem Programm etwa.
Zudem beinhalte das Programm die Passage: „Wir brauchen mehr Tempo beim Ausbau der Stromnetze, Bahnstrecken, Wasserstoffleitungen und Ladesäulen für Elektroautos. Der Ausbau dieser Infrastrukturen muss dem Bedarf vorausgehen. Unsere Planungen für den Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur müssen über das Jahr 2025 hinausreichen.“ Darüber hinaus will die SPD „die EEG-Umlage in der bestehenden Form bis 2025 abschaffen und aus dem Bundeshaushalt finanzieren“.
Für Ökoenergien „gegen den erbitterten Widerstand“ der Union
Bartol wies überdies darauf hin, dass die SPD seit zwei Jahren den Ausbau der erneuerbaren Energien „gegen den erbitterten Widerstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und des CDU-Wirtschaftsministers vorangetrieben hat“.
Die SPD habe als erste Partei ein Ende der EEG-Umlage gefordert, über die jeder Stromverbraucher den Ausbau der Ökoenergien mitfinanziert. Kanzlerkandidat Olaf Scholz habe als erster namhafter Politiker angemahnt, die Prognosen für den Brutto-Stromverbrauch und damit die Nachfrage nach Ökostrom anzuheben, „auch das gegen den Widerstand des Unions-Wirtschaftsministers“.
Für den Marburger Bundestagsabgeordneten steht fest: Die Behauptungen im Wahlprogramm-Check des BDI „sind glatt falsch“. Entweder habe der BDI das Programm der SPD nicht gelesen, oder der Verband habe „bewusst Falsches“ aufgeschrieben.
„Beides ist nicht das Niveau, welches ich vom BDI bisher in der politischen Auseinandersetzung kannte“, resümierte Bartol – und fordert entsprechend eine Richtigstellung. „Ihre Bewertung sehe ich vor dem Hintergrund als bewusste Falschbehauptung und bitte um kurzfristige Korrektur.“
BDl hat die Vorwürfe geprüft
Schließlich ist das Papier an die Mitgliedsverbände und an Unternehmen versandt worden. Auch sei „die falsche, nicht ansatzweise den Fakten entsprechende Argumentation“ bereits von anderen aufgegriffen worden. „Ich erwarte daher, dass Sie die betreffende Passage schnellstmöglich korrigieren und Ihren Verteiler entsprechend informieren.“
Beim BDI hieß es am Dienstag, man werde die kritisierte Passage prüfen. „Wir gehen der Sache nach.“ Später am Tag dann entschuldigte sich das Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Holger Lösch, bei Bartol. „Uns ist in der Bewertung der energiepolitischen Positionen der SPD ein bedauerlicher Fehler unterlaufen“, hieß es beim BDI. „Dafür haben wir uns bei der SPD entschuldigt.“ Der Fehler sei schnell korrigiert worden. „Fakten und Inhalte gehören in den Vordergrund des Wahlkampfs. Wir sichern zu, diesen Dialog fair und ohne politische Scheuklappen zu führen.“
Bartol hatte vorsorglich einen für diesen Mittwoch angesetzten Termin mit dem BDI in Berlin abgesagt. „Angesichts der Falschbehauptungen“ fehle „eine gemeinsame Gesprächsgrundlage“. Da der SPD-Politiker sich dieser Tage im Haustürwahlkampf in seiner Heimat befindet, wäre ihm eine ausgefallene Dienstreise sogar gelegen kommen.
Da der BDI nun aber die Passage geändert hat, zeigte sich Bartol versöhnlich. Bekanntlich gilt der Spruch – und erst recht in der Politik: Man sieht sich immer zweimal im Leben.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
Wenn die SPD die EEG-Umlage 2025 abschaffen will, ist es wohl kein Projekt für die kommende Legislaturperiode, sonder für die darauffolgende.
Die zitierten Passagen sind exemplarisch für die Probleme des Landes: Vage Aussagen, viel heiße Luft und keine Hinweise darauf, wie das alles finanziert werden soll.