Bundestagswahl 2021 Tesla-Werk in Grünheide wird zum Wahlkampfhotspot

Erst kürzlich besuchte der Kanzlerkandidat der Union die Gigafactory.
Berlin Die Baustelle des US-Autobauers Tesla wird zum Wahlkampfhotspot. Nachdem kürzlich Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) nach Grünheide bei Berlin reiste, um auf dem Gelände der Tesla-Fabrik öffentlichkeitswirksam für schnellere Genehmigungsverfahren zu trommeln, haben nun führende Grüne Tesla besucht.
Am Montag ließen sich Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter und der Brandenburger Spitzenkandidat und Bundesgeschäftsführer Michael Kellner über die Baustelle führen. Anders als Laschet hatten sie zwar nicht das Glück, Firmenchef Elon Musk zu treffen. Aber die Szenerie der ersten europäischen Gigafactory konnten auch sie für ihre Botschaften nutzen.
„Tesla macht Dampf bei der Antriebswende und fährt mit einem beeindruckenden Tempo“, sagte Hofreiter. Wer beim Wechsel zur Elektromobilität bremse, erweise der deutschen Autoindustrie „einen Bärendienst“. Tesla setze wichtige Impulse und schaffe viele zukunftssichere Jobs in Brandenburg, sagte Kellner.
Nach Union und Grünen erwägt auch die SPD eine Reise nach Grünheide. Man stehe mit dem Unternehmen sowie mit der IG Metall in Kontakt, was die Terminfindung angehe, heißt es aus der Parteizentrale in Berlin. In der Wahlkampfplanung der Liberalen spielt Tesla bislang keine Rolle.
Vor allem in puncto Genehmigungsverfahren eignet sich das Tesla-Projekt, um die bürokratischen Hürden zu thematisieren, mit denen viele Unternehmen zu kämpfen haben. Das Genehmigungsverfahren für die Ansiedlung in Grünheide läuft seit Dezember 2019. Weil eine abschließende Baugenehmigung immer noch aussteht, errichtet der Konzern sein Werk über vorläufige Genehmigungen. Kommt kein endgültiges Okay für die Gigafactory, müsste Tesla das Gelände auf eigene Kosten wieder in den Ursprungszustand versetzen.
Musk trifft den Nerv vieler Unternehmer
Dadurch, dass Tesla ins Risiko geht, gibt es schnelle Fortschritte. „Diese Baustelle zeigt, dass ein Großprojekt schon heute schnell geplant und genehmigt werden kann“, sagte Grünen-Fraktionschef Hofreiter. „Dieses Verfahren beweist exemplarisch, dass mit einem klaren politischen Willen und guten Fachleuten in den Behörden schnelle Verfahren möglich sind.“
Allerdings kann sich nicht jedes Unternehmen ein Vorgehen wie Tesla leisten. Konzernchef Musk nannte es denn auch bei seinem jüngsten Besuch problematisch, wenn jedes Jahr neue Vorschriften erlassen würden und sie ein Niveau erreichten, dass man gar nichts mehr unternehmen könne. Musk trifft damit den Nerv vieler Unternehmer – und der Union.
Laschet kündigte an, im Falle eines Wahlsiegs in den ersten hundert Tagen seiner Amtszeit ein „Planungsbeschleunigungspaket“ auf den Weg zu bringen. Um Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren und international nicht abgehängt zu werden, müsse man in Deutschland „schneller planen, genehmigen und umsetzen“ können. Dafür müsse man zunächst „das Verbandsklagerecht beschränken“, sagte Laschet der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.
Klagen sollten nur jenen möglich sein, „die auch am Verwaltungsverfahren beteiligt waren“. Hier sei eine „europarechtskonforme Neuregelung“ nötig. Ohne solche Schritte könnten Großprojekte wie die Energiewende „nie zum Erfolg werden“.
Der Unions-Wirtschaftsflügel sieht auch Handlungsbedarf. „Immer öfter waren es in den letzten Jahren weniger fehlende Finanzmittel als vielmehr stockende Verfahren und immer neue Bremsklötze, die wichtige Vorhaben aufgehalten haben“, sagte Christian von Stetten (CDU), Chef des Parlamentskreises Mittelstand (PKM), dem Handelsblatt. Das gelte für den Bau von Stromtrassen genauso wie für Schienen und Straßen.
Es sei für die Planungssicherheit wichtig, wenn Bedenken und Einwände weiterhin einbezogen würden, sagte von Stetten. Jedoch müssten Einspruchsmöglichkeiten „einen verlässlichen zeitlichen Endpunkt haben“. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Torsten Frei (CDU), hat Laschets 100-Tage-Projekt zur Bedingung für eine mögliche Koalition nach der Wahl gemacht.
Juristische Angriffe auf Tesla-Ansiedlung
Eine Einschränkung des Verbandsklagerechts ist allerdings schwierig. „Da das Verbandsklagerecht durch das Unionsrecht vorgegeben ist, kann auch nur die EU das Klagerecht ändern“, sagte der Speyrer Staatsrechtler Joachim Wieland. „Eine solche Änderung ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten und kann auch von Deutschland nicht durchgesetzt werden.“
Auch die Tesla-Ansiedlung in Grünheide wurde immer wieder juristisch angegriffen – aber ohne durchschlagenden Erfolg. Die Fortschritte auf der Baustelle sind unübersehbar. Eine endgültige Baugenehmigung durch das Landesamt für Umwelt (LfU) steht weiterhin aus, solange das Genehmigungsverfahren nicht abgeschlossen ist.
Der Elektroautobauer wollte ursprünglich im Juli mit der Produktion beginnen, doch dann hat Tesla im Juni den Bauantrag um die Errichtung und den Betrieb einer Batteriefabrik erweitert. Damit musste der Antrag erneut öffentlich ausgelegt werden. Vergangenen Donnerstag endete die Frist für Einwendungen der Bevölkerung. Jetzt muss die Genehmigungsbehörde darüber entscheiden, ob es noch einen öffentlichen Erörterungstermin gibt.
Der Start der Produktion in Grünheide wird aktuell bis Ende des Jahres anvisiert. Musk erklärte Mitte August, er rechne bis Oktober mit endgültigem grünen Licht für den Bau.
Tesla will, dass es endlich vorangeht. Vergangene Woche hat das Unternehmen erstmals das Fahrzeug gezeigt, das später in Grünheide produziert werden soll: ein neuer Kompakt-SUV, das Model Y. Bis die Produktion in Deutschland anläuft, soll der europäische Markt mit dem Model Y durch das Tesla-Werk in Schanghai versorgt werden.
Das Idealszenario wäre gewesen, wenn die Autos direkt aus Grünheide gekommen wären, sagen Branchen‧insider. Inzwischen droht sogar die Gefahr, dass der Bau der später begonnenen Tesla-Gigafactory in Texas den der Fabrik in Grünheide überholt.
Mehr: Beschränkung des Verbandsklagerechts: Wirtschaftsflügel der Union stützt Laschet
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