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Bundestagswahl 2021 Wahlkampfvorstoß von Scholz und Heil: Zwölf Euro Mindestlohn und Tariftreuegesetz

Der Arbeitsminister und der SPD-Kanzlerkandidat zeigen Wege auf, wie der Mindestlohn angehoben und die Tarifbindung gestärkt werden kann. Daraus dürfte aber vor der Wahl nichts mehr werden.
08.03.2021 - 05:00 Uhr Kommentieren
Der Finanzminister und der Arbeitsminister versuchen, die SPD für die kommende Bundestagswahl zu profilieren. Quelle: AFP/Getty Images
Minister Scholz (l.), Heil

Der Finanzminister und der Arbeitsminister versuchen, die SPD für die kommende Bundestagswahl zu profilieren.

(Foto: AFP/Getty Images)

Berlin Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (beide SPD) wollen für höhere Löhne und eine stärkere Tarifbindung sorgen. Der Mindestlohn soll 2022 auf mindestens zwölf Euro steigen, heißt es in einem Eckpunktepapier der beiden Minister. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor.

Über die Anpassung der Lohnuntergrenze entscheidet nach den Vorstellungen der SPD-Politiker zwar auch weiterhin die mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzte unabhängige Mindestlohnkommission. Diese solle allerdings künftig „auch den Gesichtspunkt der Armutsgefährdung maßgeblich berücksichtigen“, heißt es in dem Papier. Als armutsgefährdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Verdienstes (Medianlohn) erhält.

In Deutschland liegt der gesetzliche Mindestlohn aktuell bei 9,50 Euro brutto pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat bereits weitere Erhöhungsstufen beschlossen. So steigt die Lohnuntergrenze zum 1. Juli 2021 auf 9,60 Euro, zum 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro und zum 1. Juli 2022 auf 10,45 Euro.

Derzeit beträgt der Mindestlohn weniger als die Hälfte des Medianlohns. In Frankreich oder Portugal liegt er dagegen schon bei oder über dem von Heil und Scholz angestrebten Richtwert von 60 Prozent. Auch die zum Mindestlohn arbeitenden Beschäftigten müssten an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung partizipieren können, schreiben Scholz und Heil in ihrem Eckpunktepapier.

„Den Mindestlohn wollen wir deshalb in Richtung eines echten, auf Teilhabe gerichteten ‚Living Wage‘ fortentwickeln und damit der Erwerbsarmut entgegenwirken.“ Soll heißen: Wer in einem Vollzeitjob zum Mindestlohn arbeitet, soll auch davon leben können. Derzeit sind rund 940.000 Erwerbstätige in Deutschland sogenannte „Aufstocker“, beziehen also Grundsicherung, obwohl sie einen Vollzeitjob haben.

Die beiden Minister wollen im Mindestlohngesetz beispielsweise auch regeln, dass Zulagen und Zuschläge, beispielsweise für Sonn- und Feiertagsarbeit, grundsätzlich nicht mehr auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen. Die geltenden Ausnahmen für Langzeitarbeitslose wollen die Minister streichen.

Um Arbeitnehmern künftig bei Zollkontrollen die Beweislast zu erleichtern, sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, die Arbeitszeitaufzeichnung den Beschäftigten zur Verfügung zu stellen. Außerdem soll sie digitalisiert werden.

Unternehmen, die nach Tarif zahlen, sollen von Bürokratie entlastet werden

Um die Tarifbindung zu stärken, wollen Heil und Scholz dafür sorgen, dass der Bund, die Länder und die Kommunen öffentliche Bau- und Dienstleistungsaufträge ab einem bestimmten Schwellenwert nur noch an Unternehmen vergeben dürfen, die durch eine Rechtsverordnung festgesetzte Tariflöhne zahlen.

Auf Antrag einer Tarifvertragspartei kann das Bundesarbeitsministerium per Verordnung festlegen, dass die von ihr vereinbarten Entlohnungsbedingungen bei der Ausführung einschlägiger öffentlicher Aufträge verbindlich einzuhalten sind. Außerdem machen sich die Minister für einen bundesweiten Vergabemindestlohn in Höhe von 60 Prozent des Medianlohns stark.

In Einrichtungen des Gesundheitswesens sollen Leistungen künftig nur noch dann mit den gesetzlichen Kassen abgerechnet werden können, wenn die Beschäftigten nach Tarif entlohnt werden. Gewerkschaften sollen ein digitales Zugangsrecht zu Betrieben erhalten, um auch in Zeiten von Digitalisierung und Homeoffice mit den Beschäftigten in Kontakt treten zu können.

Um die Attraktivität einer Tarifbindung zu erhöhen, sollen tarifgebundene Unternehmen von Dokumentationspflichten und Bürokratie entlastet werden. Die Abweichung von gesetzlich gesetzten Standards soll künftig ausschließlich Unternehmen möglich sein, die an Tarifverträge gebunden sind.

In der gegenwärtigen schwarz-roten Koalition werden sich solch weitreichende Vorschläge kaum noch durchsetzen lassen, weil sie bei den Koalitionspartnern CDU und CSU auf wenig Gegenliebe stoßen dürften und die Zeit für eine Umsetzung schlicht zu knapp wird. Das Eckpunktepapier ist daher eher als Profilierungsversuch der SPD und ihres Kanzlerkandidaten Scholz im anstehenden Bundestagswahlkampf zu verstehen.

Entsprechend euphorisch kommentierte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Mast den Vorstoß: „Die SPD will den Respekt-Boost für Deutschland“, sagte sie. Ein Mindestlohn von mindestens zwölf Euro und ein bundesweites Tariftreuegesetz bestellten das Feld dafür.

Mehr: Armuts- und Reichtumsbericht: Die meisten Bürger kommen finanziell gut durch die Pandemie – Verschuldung bei Geringverdienern steigt

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