Ampel-Kabinett SPD stellt Minister vor: Nancy Faeser und Klara Geywitz rücken ins Kabinett

Die Politikerin aus Hessen wird neue Innenministerin.
Berlin Die SPD hat das Geheimnis gelüftet und ihre sieben Minister bekanntgegeben. Die derzeit wohl wichtigste Personalie: Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wird neuer Bundesgesundheitsminister. Die meisten Bürger hätten sich gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach sei und dass er Karl Lauterbach heiße, sagte Olaf Scholz. „Er wird es.“
Verteidigungsministerin wird überraschend die bisherige Justizministerin Christine Lambrecht. Die hessische SPD-Chefin Nancy Faeser ist als Bundesinnenministerin vorgesehen. Hubertus Heil bleibt wie erwartet Arbeitsminister.
Bundesministerin für Bauen und Wohnen soll Klara Geywitz werden, mit der sich Scholz vor zwei Jahren gemeinsam erfolglos um den Parteivorsitz beworben hatte. Die bisherige Bundesumweltministerin Svenja Schulze übernimmt das Entwicklungshilfeministerium. Für den Posten wurde auch Rolf Mützenich gehandelt, der aber Fraktionschef bleibt. Kanzleramtschef wird der Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt.
Die SPD wollte ihre Minister erst nach ihrem außerordentlichen Parteitag am Wochenende bekannt geben. Die Delegierten sollten unabhängig von Personen über den Koalitionsvertrag abstimmen können.
Auch die SPD-Minister wussten lange nicht, ob sie ins Kabinett einziehen oder nicht. Angesprochen auf seine mögliche Zukunft sagten Kabinettsmitglieder noch am Samstag, das „wird mir Olaf dann am Montag mitteilen“.
Scholz soll, so heißt es in der Partei, sich aber auch lange Zeit schwergetan haben bei der Besetzung einiger Ministerposten, insbesondere mit dem Gesundheitsressort. So gab es öffentlich laute Forderungen, das Amt mit Lauterbach zu besetzen.
In der SPD hat Lauterbach seit seiner Kandidatur um den Parteivorsitz 2019 allerdings keinen guten Stand, Lauterbach zerschlug damals viel Porzellan, gilt vielen in der SPD als unberechenbar. Jetzt hat sich Scholz aber doch für Lauterbach entschieden. Die Menschen vertrauten Lauterbach, und niemand bringe so ein Fachwissen für das Amt mit, hieß es in der SPD. Vielleicht ließ sich Scholz bei dieser Personalie aber auch ein Stück weit vom Druck der Öffentlichkeit treiben.
Gesundheitsminister als oberster Pandemiebekämpfer
Das Gesundheitsministerium ist schon in normalen Zeiten ein schweres Amt. Wer den Job übernimmt, muss sich mit mächtigen Lobbyverbänden der Apotheker, Ärzte, Krankenhäuser, Krankenkassen und anderen Bereichen des Gesundheitswesens herumschlagen, die oftmals gegeneinander arbeiten und Reformen blockieren.
Durch die Coronakrise ist der Gesundheitsminister als oberster Pandemiebekämpfer aber nun so wichtig wie kaum ein anderes Kabinettsmitglied neben dem Bundeskanzler.
Dies birgt Chancen, aber auch Risiken, wie das Beispiel Jens Spahn (CDU) zeigt. Zu Beginn der Pandemie wurde Spahn noch ein ordentliches Krisenmanagement bescheinigt, sogar als möglicher Unions-Kanzlerkandidat wurde er gehandelt. Danach erlebte er einen tiefen Absturz und wird von vielen Seiten, auch aus den eigenen Reihen, für Versäumnisse kritisiert.
Auch das Verteidigungsministerium zu besetzten fiel Scholz nicht leicht. Der Verteidigungsminister muss sich mit vielen Problemen herumschlagen, die nicht von heute auf morgen zu lösen sind: Die marode Ausstattung der Bundeswehr, aus dem Ruder laufende Rüstungsaufträge oder heikle Auslandseinsätze.
Christine Lambrecht gilt zwar nicht als Verteidigungsexpertin, bringt aber Regierungserfahrung mit. Sie war in der Großen Koalition zunächst Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, dann Justizministerin. Am Ende der Wahlperiode leitete sie interimsweise zusätzlich noch das Familienministerium.
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Lambrecht sagte bei der Vorstellung der SPD-Minister, für viele sei ihre Nominierung als Verteidigungsministerin sicher „eine Überraschung“. Sie selbst sehe darin eine Herausforderung. „Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben es verdient, dass wir ihnen mit Anerkennung und mit Respekt begegnen, und ich möchte da ausdrücklich die Reservisten mit einbeziehen.“ Wichtig sei dafür eine entsprechende Ausstattung, sagte die künftige Ministerin.
Das Beschaffungswesen müsse dafür modernisiert werden. „Wir müssen diesen Beruf attraktiv machen, damit er demografiefest ist“, sagte sie zudem mit Blick auf den älter werdenden Altersdurchschnitt der Männer und Frauen in der Bundeswehr.
Innenministerin Faeser: Keine Regierungserfahrung
Lambrecht galt lange eigentlich als Favoritin für das Innenministerium. Diesen Job übernimmt nun die hessische Landeschefin Nancy Faeser.
Der 51-Jährigen wird als hessischer SPD-Chefin parteiintern ein guter Job bescheinigt. In der SPD rechnet man sich keine schlechten Chancen aus, bei der Landtagswahl in zwei Jahren Hessen von der CDU zurückzugewinnen.
Allerdings verfügt Faeser bislang über keinerlei Regierungserfahrung. Nun leitet sie mit dem Innenministerium gleich eines der größten und wichtigsten Häuser. „Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen“, sagte Scholz.
SPD benennt Ministerriege: Lauterbach übernimmt Gesundheit
Ebenfalls ins Kabinett zieht Klara Geywitz ein, die überraschenderweise Bauministerin wird – ein für die SPD zentrales Thema. Im Koalitionsvertrag verspricht die Ampel, in den nächsten vier Jahren 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 staatlich gefördert. Damit wird Geywitz gut ausgelastet sein.
Geywitz ist seit 2019 SPD-Parteivize, allerdings in dem Amt bislang kaum in Erscheinung getreten. Manche in der SPD waren deshalb überrascht, dass Geywitz das aus SPD-Sicht wichtige Ministerium übernimmt.
SPD bleibt dominiert von Männern
Mit der Benennung von vier SPD-Ministerinnen ist das Bundeskabinett nun paritätisch besetzt, so wie Scholz es versprochen hat. Zumindest, wenn man Scholz als Kanzler nicht mitzählt. Und: Die Frauen bekleiden durchaus auch einflussreiche Ministerien, etwa Lambrecht und Faeser, was die SPD entsprechend herausstellt.
Allerdings gehört zur Wahrheit auch: Viele einflussreiche Posten in der SPD sind mit Männern besetzt. Wenn künftig der Ampel-Koalitionsausschuss zusammentritt, wird von der SPD mit Parteichefin Saskia Esken nur eine Frau daran teilnehmen, der Rest sind Männer: der künftige Kanzler Scholz, der künftige SPD-Parteichef Lars Klingbeil, der künftige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie Fraktionschef Rolf Mützenich.
Die Ministerriege der SPD ist zudem auch stark westdeutsch geprägt: So kommen jeweils zwei Minister aus NRW und zwei aus Hessen, mit Geywitz ist aber nur eine echte Ostdeutsche im Kabinett vertreten. Im Vorfeld der Ministervergabe hatten ostdeutsche Landesverbände daher für Carsten Schneider als Minister geworben. Der Thüringer, bisher Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, ging aber leer aus.
Als sehr wahrscheinlich gilt, dass ein Ostdeutscher zumindest noch das neu geschaffene Amt des Staatsministers für gleichwertige Lebensverhältnisse übernimmt, das im Kanzleramt aufgehängt wird. Ebenso offen ist noch die Besetzung des Staatsministers für Flüchtlinge und Migration.
Spekulationen um Andrea Nahles
Nicht äußern wollte sich Scholz zu weiteren Personalien, die neben der Vergabe der Minister noch anstehen. So wird spekuliert, die frühere SPD-Parteichefin Andrea Nahles könnte neue Chefin der Bundesagentur für Arbeit werden. Auch muss die Nachfolge von Bundesbank-Chef Jens Weidmann geregelt werden.
Scholz sagte, über diese Personalien würde erst nach der Regierungsbildung entschieden. In Koalitionskreisen hieß es, die Nachfolge Weidmanns sei noch nicht fix entschieden. Als Favorit für den Posten gilt der erfahrene Notenbanker Joachim Nagel, der SPD-Mitglied ist. Die SPD hat das Vorschlagsrecht für den Posten.
Bei einer anderen wichtigen Personalie hat sich Scholz nach Handelsblatt-Informationen dagegen schon entschieden: neuer Wirtschaftsberater im Bundeskanzleramt soll Jörg Kukies werden, bisher Scholz’ Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Die SPD-Minister sollen nach der Kanzlerwahl am Mittwoch vereidigt werden. Noch sind sie aber gewöhnliche Abgeordnete oder Beamte. So sagte die künftige Bauministerin Klara Geywitz nach Ende der Kabinettsvorstellung. „So, jetzt nehme ich die S-Bahn und fahre zurück zur Arbeit nach Potsdam.“
Mehr: Krach in der Ampel: Wie mächtig darf das Ministerium für Verkehr und Digitales werden?
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Lauterbach ist nicht nur äusserst kompetent, er kann auch kommunizieren und ist vertrauens- und glaubwürdig. Im Land der Querdenker und Schwurbler ist das besonders wichtig. Es wundert, warum Scholz so lange gezögert hat. Ich persönlich bin sehr erleichtert.
Beitrag von der Redaktion gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.https://www.handelsblatt.com/impressum/netiquette/
Eine gute und souveräne Entscheidung von Olaf Scholz. Es war bestimmt kein leichtes Unterfangen, Herrn Lauterbach den Genossen schmackhaft zu machen. Aber, um ganz ehrlich zu sein, an Karl Lauterbach führte kein Weg vorbei. Und der Mann hat es verdient, mit ihm kann es gelingen wieder "vor die Welle" zu kommen.
Die bisherigen Personalentscheidungen von Herrn Scholz zeigen, daß er das Corona-Thema deutlich strukturierter angeht, als die glücklose Vorgängerregierung.
Scholz kann jetzt eigentlich lässig durchregieren. Rücksicht muß nicht mehr genommen werden. Gut so.
Als Bürger will man inzwischen, fast wieder an eine Überwindung dieser Krise glauben.
"...Die meisten Bürger hätten sich gewünscht, dass der nächste Gesundheitsminister vom Fach sei und dass er Karl Lauterbach heiße, sagte Olaf Scholz. „Er wird es.“...". So einfach kann Politik sein! Kann mit Blick auf den desaströsen Spahn nur besser werden.
@ Checker Joe
"Ich will jetzt meinen eigenen Staat!
Steht die Epstein-Insel inzwischen eigentlich endlich mal zum Verkauf?"
Hurra!!!! You made my day!!! :-)))))
Mit oder ohne Lolitas?? :-)))))
Aber leider ist es eben so:
>> "Immer noch kann man im 21. Jahrhundert leider nur von Staat zu Staat fliehen, nicht vom Staat in die Freiheit." <<
(Philipp A. Mende: Geschosse wider den Einheitsbrei, Tönisvorst 2016, S. 322)
Selbst eine friedliche Sezession wird verunmöglicht, da die gesellschaftliche Mehrheit die Minderheit im Zweifelsfall (und das ganz "demokratisch") dazu zwingen wird, eben das zu tun, was sie will - und vor allem will der Staat ja trotz allem nicht auf die Steuern der Minderheit verzichten.
Selbst, wenn Land von keinem Staat beansprucht wird, werden die bestehenden Staaten die Gründung eines tatsächlichen(!) Freistaates, in dem "Leben und leben lassen" gilt - und eben kein staatlicher Zwang - immer mit allen Mitteln verhindern - wie etwa das Beispiel von "Liberland" zeigt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Liberland
Der größte Angst- und Panikmacher im ganzen Land Gesundheitsminister :-( Das setzt dem "Experte Kabinett" die Krone auf!
Die von Scholz selbst auferlegt Frauenquote ist doch totaler Schwachsinn und zudem Diskriminierend. Es müüsen die besten Leute Minister werden, unabhängig vom Geschlecht. So hängt jeder Frau das Makel an, dass sie nur den Posten hat, wegen der Quote.
Zudem glaube ich nicht, dass die SPD Mitglieder zu 50% Frauen sind und die Mitglieder sollten die Basis für eine Quote bilden. Wenn sich weniger Frauen für die SPD interessieren, dann sollten auch weniger Frauen Minister werden - wenn man denn überhaupt eine Quote braucht.
wer sind denn bitte die meisten Bundesbürger, die sich Herrn Lauterbach als Gesundheitsminister gewünscht haben?! Die Umfrage würde ich gerne sehen.
@CheckerJoe
Sehe ich ganz genauso. Aber Leute, die sich nicht selbst die Schnürsenkel zubinden können, sind doch die ideale Besetzung für die Strippenzieher/Berater im Hintergrund. Die machen, was man ihnen sagt.
Stark die dunke Seite der Macht geworden ist!
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