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Bundestagswahl Teflon-Scholz und Laschets Töpfer-Kurs: Das Triell der verpassten Chancen

Die letzte große Bühne vor der Bundestagswahl: Baerbock, Laschet und Scholz wollten die vielen unentschlossenen Wähler auf ihre Seite ziehen. Am Ende stand eine klare Erkenntnis.
20.09.2021 - 00:35 Uhr 2 Kommentare
Die Spitzenkandidaten von Union, SPD und Grünen im letzten Triell vor der Bundestagswahl. Quelle: Getty Images
TV-Triell

Die Spitzenkandidaten von Union, SPD und Grünen im letzten Triell vor der Bundestagswahl.

(Foto: Getty Images)

Berlin, Düsseldorf Der Druck steigt. Weniger als eine Woche vor der Bekanntgabe der Ergebnisse der Bundestagswahl 2021 stehen sich die Spitzenkandidaten noch mal im letzten Triell gegenüber. Und die Nervosität ist Olaf Scholz (SPD), Annalena Baerbock (Grüne) und Armin Laschet (CDU) bei der Vorstellungsrunde anzusehen.

Es steht alles auf dem Spiel. Vor allem Laschet ist unter Zugzwang. Die aktuellen Umfragen sehen die Union drei bis sechs Prozentpunkte hinter der SPD von Scholz. Baerbocks Chancen auf das Kanzleramt scheinen lange passé, aber eine gewichtige Rolle in der Regierung ist für die Grünen greifbar.


Armin Laschet

Der CDU-Chef stand vor der schwersten Aufgabe. Seine Partei stellt mit Angela Merkel zwar die Bundeskanzlerin, aber von einem Amtsbonus ist nichts zu sehen. Während Merkel alles erreicht hat, wirkt der NRW-Ministerpräsident wie jemand, der sich immer und überall beweisen muss.

Vor allem muss er in der letzten Woche vor der Wahl präsent sein – angreifen, ohne giftig zu werden, parieren, ohne beleidigt zu sein, den Staatsmann rauskehren und den Oberlehrer zu Hause lassen.

Die Stärken:

Beim Thema Steuererhöhungen geht Laschet mit konkreten Beispielen auf die Sorgen des Mittelstandes ein. Die Betriebe, die gerade erst durch die Coronakrise gegangen sind, dürften nun nicht mit neuen Belastungen bestraft werden, fordert Laschet.

Die Spitzenkandidaten im Interview:

Bei der inneren Sicherheit kann sich der Unionskandidat auf sicheres Terrain zurückziehen, das Versprechen der Abschiebung von Gefährdern kommt zumindest bei den Traditionswählern der CDU an.

Auch in der Debatte um die soziale Gerechtigkeit kann er mehrmals auf die Wirtschaftskompetenz der Union anspielen. „Das größte Problem von Armut ist, wenn Eltern keine Arbeit haben.“

Die Schwächen: Laschets Start ist symptomatisch. Statt Antworten wirft er Fragestellungen auf, statt Vorhaben auf den Punkt zu bringen, kommen lange Erklärungen zum Status quo. So erklärt er beim Thema Mindestlohn die Aufgaben von Tarifparteien, statt seinen Standpunkt klarzumachen.

Auch das Nähe-Distanz-Problem zur Kanzlerin wird immer wieder deutlich. Mal versucht er, ihre Leistungen als Unions-Teamleistung zu verkaufen, zu anderen Gelegenheiten betont er, nicht Teil der Großen Koalition zu sein. Doch damit setzt er sich nicht nur von Scholz ab.

Blitzumfrage nach TV-Triell: Scholz gewinnt zum dritten Mal

Auch andere Lobeshymnen für Unionskollegen zahlen sich für Laschet nicht aus. Auf einen Angriff von Annalena Baerbock, die Union habe in den Jahren der Regierungsverantwortung zu wenig für den Klimaschutz getan, preist er lang und breit die Leistungen von Klaus Töpfer. Doch der Umweltminister aus dem Kabinett Kohl (1987-1994) hilft Laschet in dieser Situation nicht.

Das Format des Triells bei Pro 7, Sat 1 und Kabel 1 gab ihm dann die Möglichkeit, sich mit einem rhetorischen Direktschlag zu revanchieren. Jeder Kandidat darf einem der beiden Kontrahenten eine direkte Frage stellen, Laschet muss sie an Baerbock richten. Doch statt die Grüne in Bedrängnis zu bringen, will er sie beim Thema Geldwäsche für einen Angriff auf Olaf Scholz instrumentalisieren. Der verpufft.

Olaf Scholz

Der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten hat vor allem mit seiner ruhigen, staatstragenden Ausstrahlung die SPD an die Spitze der Umfragen geführt. Seine Devise für den Endspurt: ruhig bleiben und den Vorsprung verwalten.

Die Stärken: Für diesen Plan setzt er in seinem ersten Statement auf die mantraartige Wiederholung seiner Kernthemen: Respekt in der Gesellschaft, Mindestlohn von zwölf Euro, klimaneutrale Industrie, zumindest irgendwann.

Vor allem dem Mindestlohn gibt Scholz beim Thema soziale Gerechtigkeit viel Raum: Als Fachanwalt für Arbeitsrecht wisse er, „dass viele Menschen sehr wenig verdienen“. Als 2015 der Mindestlohn erstmals eingeführt wurde, habe sich das Einkommen von vier Millionen Menschen verbessert. Bei der nächsten Reform würden zehn Millionen Menschen profitieren.

Scholz gibt sich im Umgang mit seinen Mitstreitern wie gewohnt ruhig. Vielleicht wirkt er einen Tick emotionaler als in den vorherigen Debatten, wagt ab und zu wieder ein Lächeln in Richtung Baerbock. Die rot-grüne Harmonie ist Scholz an diesem Abend wichtig, er verzichtet fast komplett auf Attacken in Richtung der Grünen-Kandidatin.

Die Schwächen: Beim Thema Klimaschutz wirkt Scholz längst nicht so glaubwürdig wie die Grünen. In 25 Jahren will er die Industrie „klimaneutral machen“, Baerbock fordert deutlich weitreichendere Schritte bis 2030. In Anbetracht der 250-jährigen europäischen Industriegeschichte, die auf Kohle, Gas und Öl beruhe, sei das eine „extrem kurze Zeit“, so Scholz.

Teilweise übertreibt er es auch mit der Nähe zur Konkurrentin: Während Baerbock Laschet vorwirft, Spitzenverdiener zu entlasten, nickt Scholz und betont die Gemeinsamkeiten von SPD und Grünen.
Bei den Formulierungen rutscht Scholz auch immer in Wahlkampfparolen: Arbeit müsse sich für Menschen „wieder mehr lohnen“, schließlich „geht es um die Würde der Bürgerinnen und Bürger“.


Annalena Baerbock

Die Co-Chefin der Grünen hat derzeit den Vorteil des geringsten Drucks. Laut aktuellen Umfragen wird sie nicht Angela Merkels Nachfolgerin. Zudem war ihre Partei an keiner Bundesregierung der vergangenen Jahre beteiligt. Sie kann also befreit austeilen, zumindest in der Theorie.

Die Stärken: Als einzige der drei Kandidaten wandte sich Annalena Baerbock bereits während ihres ersten Statements an die Zuschauer und erklärte, dass die Politik nun „auch über sich hinauswachsen“ müsse, nachdem das in der Pandemie bereits so viele Menschen getan hätten.

Im Umgang mit ihren Mitstreitern ist sie angriffslustiger als gewöhnlich. Ihr Harmoniebedürfnis erreicht nicht das Niveau von Scholz. Dennoch hat sie vor allem CDU-Chef Armin Laschet im Visier, etwa beim Thema Mindestlohn, Steuererhöhungen und vor allem beim Klimaschutz.

Auf Laschets Ablehnung eines allgemeinen Mindestlohns reagiert Baerbock gereizt: „Sie fallen zurück in die 90er-Jahre.“ Weitere Angriffe folgen: Bei Laschets Ausführungen über frühere CDU-Leistungen zum Klimaschutz und Klaus Töpfer kam es zum emotionalsten Ausbruch des Abends: „Ich frage mich manchmal, was bei ihnen eigentlich los ist, Herr Laschet”, rief Baerbock.

Beim Thema Klima konnte Baerbock wie gewohnt punkten. So müsse es für einen erfolgreichen Klimaschutz konkrete Maßnahmen geben, wie etwa den Ausbau der Wind- und Solarkraft. Generell gebe es bloß zwei Alternativen: das Weiter-so der Herren der GroKo“ oder eine tatsächliche Klimaregierung.

Stellenweise nahm Baerbock die Rolle der Moderatorin ein und fragte Laschet und Scholz: „Wollen Sie das Pariser Klimaziel einhalten?“

Die Schwächen: Die Grünen-Kanzlerkandidatin wich trotz des Abstandes ihrer Partei zu SPD und Union kaum von ihrer üblichen Linie ab und griff zu ihren üblichen Parolen: „Wer wirklich eine Klimaregierung und einen Aufbruch will, der sollte grün wählen.“

Unglücklich wirkte der Versuch, ihre umstrittene Äußerung aus dem zweiten Triell („Jedes Verbot ist ein Innovationstreiber“) zu relativieren. Auch bei der inneren Sicherheit kam nicht viel mehr als ein Stellenausbau in den Behörden und eine durchgängige Überwachung von Gefährdern heraus. Als Baerbock schließlich Olaf Scholz eine Frage stellen darf, geht sie auf seine Schwachstellen als Finanzminister beim Thema Geldwäsche ein. Doch es bleibt bei einem halbherzigen Vorstoß, den Scholz niederreden kann.


Die Moderatorinnen und das Format:

Das letzte Triell bei der Pro-Sieben-Sat-1-Gruppe haben die Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch geleitet. Vor allem die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Zervakis überzeugte, war klar, verständlich und strahlte Souveränität aus.

„Akte”-Moderatorin von Brauchitsch (vorher auch für Sky und CDU-TV tätig) fiel gegen diese Leistung etwas ab und leistete sich auch den einzigen Patzer des Teams. Sie ermahnte Baerbock beim ersten Zwischenfazit der Redezeit, sich kürzer zu fassen. Doch die Grünen-Co-Chefin hatte zu diesem Zeitpunkt die wenigsten Minuten auf der Uhr. Armin Laschet sprach deutlich länger als Scholz und Baerbock.

Die Debatten wurde immer wieder von Einspielern zu den großen Themenblöcken wie soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Koalitionsoptionen segmentiert. Teils waren diese boulevardesk aufbereitet, doch O-Töne von Wählern und Betroffenen taten dem Format gut. Vor allem Annalena Baerbock griff immer wieder daraus Zitate auf und wirkte dadurch aufmerksam und bürgernah.

Blitzumfrage nach der Sendung:

Eins war nach dem Triell klar: Laschet konnte nicht entscheidend punkten. Den Zuschauern zufolge hat sich SPD-Bewerber Scholz am besten geschlagen. Auf die Frage, wer alles in allem das TV-Triell gewonnen habe, stimmten 42 Prozent für Scholz. Auf Platz zwei landete Laschet mit 27 Prozent, und Baerbock kam auf 25 Prozent. Sechs Prozent entschieden sich für die Antwort: „Weiß ich nicht.“

Diese Umfrageergebnisse zeigte Sat 1 in seiner Nachbesprechung. Dazu hatte Forsa nach Senderangaben 2291 Zuschauerinnen und Zuschauer interviewt. Die Umfrage bezieht sich somit nicht auf alle Wahlberechtigten in Deutschland, sondern nur auf die TV-Zuschauer.

Am späteren Abend veröffentlichte die Fernsehgruppe Pro Sieben Sat 1 weitere Details der Umfrage. Bei der Frage „Wen fanden Sie am glaubwürdigsten?“ lag Scholz erneut vorn mit 37 Prozent. Danach folgte Baerbock mit 29 Prozent und Laschet mit 28 Prozent.

Mehr: Der Newsblog zur Bundestagswahl. Alle wichtigen Ereignisse in der Übersicht.

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2 Kommentare zu "Bundestagswahl: Teflon-Scholz und Laschets Töpfer-Kurs: Das Triell der verpassten Chancen"

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  • @Andre Peter
    "Europa wird gerne sich Wind- und Solarkraft aus Deutschland von Deutschland über die CO2 Abgabe spendieren lassen."
    Das ist nicht notwendig, ein Spendieren. In einigen Länder der EU rechnet sich Solar und Wind viel viel besser als alles andere. Strom spottbillig. Ja, Portugal sollte man sehr schnell Kredite geben, für Solar und Wind. Die EZB könnte solcherlei Kredite geben, ohne Zinsen. Die Anlagen müssen in der EU produziert sein. Mit den Einnahmen über Stromverkauf können die Kredite leicht zurückbezahlt werden. Armen Haushalten (Rentner/Kranke) kann man einen Teil des Stromes sogar schenken, da Sonnen- u. Windstrom so billig produziert werden kann in Portugal. Es muss jedes Land separat betrachtet werden, nur so kann die EU erfolgreich bleiben/wieder werden.

  • Sie (Hr. Peter) zitieren gerade Frau Weidel (z.B. im Schlagabtausch)
    Für welchen Wahlbezirk machen Sie gerade Werbung?

    Mir persönlich wäre diese Offensichtlichkeit ziemlich peinlich...

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