Bundestagswahlkampf „Der erhoffte Knall wird verhallen“: Politikwissenschaftler Oberreuter kritisiert Laschets „Zukunftsteam“

Mit einem sogenannten Zukunftsteam startet die Union in die Endphase des Bundestagswahlkampfs.
Berlin Die Union will mit einem achtköpfigen „Zukunftsteam“ in die heiße Phase des Wahlkampfes starten und damit vor allem Druck auf die in Umfragen führende SPD ausüben. Der Passauer Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter, der schon viele Wahlkämpfe beobachtet und analysiert hat, hält es für nahezu ausgeschlossen, dass Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) jetzt wieder Boden gut machen kann.
Man könne auch von einem „Team Unbekannt“ sprechen, sagte Oberreuter dem Handelsblatt. Außer den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) habe niemand in der Breite der Bevölkerung einen Namen. Dynamik für die letzten Wahlkampfwochen gehe von dem „Zukunftsteam“ nicht aus. „Irgendwie passt das zum verkorksten Wahlkampfstil: Es kommt zu spät und ist als Ganzes profillos.“
Laschet hatte am Freitag in Berlin vier Frauen und vier Männer vorgestellt, die für CDU und CSU in der Endphase des Wahlkampfes die Themen Finanzen, Klima, Sicherheit, Familie und Kultur vertreten sollen. Damit solle die gesamte Breite der Union demonstriert werden, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident.
In Umfragen steht es nicht gut für die Union. Nach einer aktuellen Erhebung plädiert eine Mehrheit der Bundesbürger dafür, dass die Union nach der Bundestagswahl in die Opposition geht. Rund 56 Prozent der Befragten äußerten diese Ansicht in einer Umfrage der Meinungsforscher von Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“.
Sie antworteten auf die Frage: „Wünschen Sie sich, dass die CDU/CSU nach 16 Jahren Regierungsverantwortung in die Opposition geht?“ mit „Ja, auf jeden Fall“ oder „Eher ja“. Rund 35 Prozent antworteten negativ und wünschen sich demnach eine weitere Regierungsbeteiligung von CDU und CSU. Der Rest (neun Prozent) äußerte sich unentschieden.
Nach Angaben der „Augsburger Allgemeinen“ wurden im Zeitraum vom 1. bis 3. September die Antworten von etwas mehr als 5000 Teilnehmern für die Umfrage berücksichtigt.
Merz als Nachweis für die personalpolitischen Schwächen der CDU
Die Umfragewerte der Union sind in den vergangenen Wochen abgerutscht, während die Sozialdemokraten zugleich Boden gutmachten. In Erhebungen mehrerer Institute lag die SPD mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz zuletzt mehrere Punkte vor der Union mit ihrem Kandidaten Armin Laschet (CDU).
Nun soll Laschets „Zukunftsteam“ die Trendwende ermöglichen. Dem Team sollen neben Merz Digital-Staatsministerin Dorothee Bär (CSU), Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien, die sächsische Kulturministerin Barbara Klepsch, die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher, Unionsfraktionsvize Andreas Jung, der Musikmanager Joe Chialo, der in Berlin-Spandau für ein Bundestagsmandat kandidiert, sowie auch der Terrorismusexperte Peter Neumann vertreten sein.
Oberreuter sagte dazu: „Neumann erregt die Feuilletons, aber nicht den Wählermarkt. Der erhoffte Knall wird verhallen.“ Die SPD werde das jedenfalls nicht unter Druck setzen. „Ihr Argument könnte sein: das Team ist so schwach wie der Kandidat“, ist der Politikprofessor überzeugt.
Oberreuter sieht auch die Benennung von Friedrich Merz kritisch. Dieser sei eineinhalb Jahrzehnte raus aus der Politik. „Profil hat er in seiner Generation, für die er steht.“ Seine Nominierung sei zugleich ein „Nachweis für die personalpolitischen Schwächen der CDU“.
Offenbar hätten die Christdemokraten „niemand Präsentablen in der Generation nach Merz“. Dabei seien dessen Argumentationslinien richtig. „Aber die Stimmung der Wählerschaft ist weithin nicht für komplexe Sachverhalte aufgeschlossen, eher schon FDP-Sympathisanten“, glaubt Oberreuter. Stimmung machten eher „sozialpolitische Akzente“.
Laschet betonte indes, das Team solle alle Parteiflügel zusammenhalten und gleichzeitig neue Ideen für die Zukunft liefern. Es handle sich um Experten, die etwas anderes machen als „Experimente ideologischer Art“.
Gleichzeitig rief Laschet die SPD auf, nun ihre Persönlichkeiten für eine Regierungsmannschaft zu präsentieren. Auch CSU-Chef Markus Söder forderte SPD und Grüne auf, ebenfalls ein Team zu benennen. Dann könne man entscheiden, wer besser sei.
Hintergrund ist, dass die Sozialdemokraten ihren Wahlkampf ganz auf Vizekanzler Olaf Scholz wegen seiner guten Persönlichkeitswerte ausrichten. CDU und CSU sprechen dagegen von einer Richtungswahl, linke SPD-Politiker würden hinter Scholz bewusst versteckt. „Wir müssen einen Linksruck verhindern“, sagte Laschet.
Mehr: Die Wahlprogramme der Parteien im Handelsblatt-Wahlcheck.
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