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Clemens Fuest und Achim Truger „Gerechtigkeit bedeutet nicht Umverteilung“ – Ökonomen streiten über Wachstum nach der Wahl

Ifo-Präsident Clemens Fuest und der Wirtschaftsweise Achim Truger sehen große Defizite im deutschen Steuersystem. Über die Lösung der Probleme sind sie uneins.
24.09.2021 - 11:00 Uhr 1 Kommentar
Während Fuest Gerechtigkeitslücken schließen will und vor höheren Steuern warnt, plädiert Truger für höhere Vermögensteuern. Quelle: Laif, Montage
Achim Truger und Clemens Fuest

Während Fuest Gerechtigkeitslücken schließen will und vor höheren Steuern warnt, plädiert Truger für höhere Vermögensteuern.

(Foto: Laif, Montage )

Clemens Fuest und Achim Truger kennen sich noch gut aus gemeinsamen Kölner Universitätszeiten. Der Ifo-Präsident und das Mitglied des Sachverständigenrats sind per Du miteinander.

Das jedoch hält die beiden Ökonomen nicht davon ab, über die wohl wichtigsten Themen für die kommende Bundesregierung zu streiten: Wie viel Staat kann Deutschland sich leisten, ohne das Wirtschaftsmodell zu gefährden? Wie viel Umverteilung ist möglich, ohne die Dynamik der Ökonomie zu gefährden? Und in der Praxis heißt das vor allem: Welche Steuern braucht die Volkswirtschaft, und wie hoch dürfen sie sein?

Für Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts ist klar: „Wenn Politiker gerechtere Besteuerung fordern, ist meistens mehr Umverteilung gemeint, häufig zugunsten der eigenen Wähler.” Das will Truger, Sozioökonom an der Universität Duisburg-Essen, so nicht stehen lassen: „Dass es Politikern nur um ihre eigene Klientel geht, halte ich für verkürzt.”

Auch in der Frage, ob vermögende Menschen stärker belastet werden sollen, gehen die Meinungen auseinander. „Eine Vermögenssteuer wirkt stark krisenverschärfend”, sagt Fuest. „Folgt man deinen Argumenten, ist es gar nicht möglich, im sehr hohen Einkommens- und Vermögensbereich stärker zuzugreifen. Soll das die Konsequenz sein?”, kontert Truger.

Lesen Sie hier das ganze Gespräch mit Clemens Fuest und Achim Truger

Laut Umfragen ist „soziale Gerechtigkeit“ wieder das wichtigste Thema für die Bürger. Manch einer meint, das sei auch ein Grund für den Aufstieg von Olaf Scholz, der höhere Steuern für Reiche fordert. Ist unser Steuersystem noch gerecht, Herr Fuest?
Clemens Fuest: Wenn Politiker gerechtere Besteuerung fordern, ist meistens mehr Umverteilung gemeint, häufig zugunsten der eigenen Wähler. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht bedeutet Steuergerechtigkeit etwas anderes. Reiche sollten mehr Steuern zahlen als Arme, aber wie viel mehr, das ist eine Frage politischer Bewertung, und die Auffassungen darüber gehen weit auseinander.
Achim Truger: Dass es Politikern nur um ihre eigene Klientel geht, halte ich für verkürzt. Natürlich kann ich als Wissenschaftler nicht sagen, wie die perfekte Einkommensverteilung auszusehen hat. Fakt ist, dass die Einkommen in Deutschland heute gegenüber Mitte der 1990er-Jahre ungleicher verteilt sind und die Steuerpolitik dazu einen erheblichen Beitrag geleistet hat.

Fakt ist auch, dass die Ungleichheit der Nettoeinkommen unter den G7-Staaten in Deutschland am geringsten ist. Und dass die zehn Prozent Topverdiener 55 Prozent der gesamten Einkommensteuer zahlen...
Truger: Ich finde es sinnvoller, sich den zeitlichen Verlauf im eigenen Land anzuschauen. Und da sieht man, die Ungleichheit hat zugenommen. Wenn man noch die Sozialabgaben hinzunimmt, werden obere Einkommen prozentual noch geringer belastet, weil die Sozialbeiträge nach oben hin gedeckelt sind. Die Folgen dessen gehen weit über das reine Gerechtigkeitsempfinden hinaus. Studien zeigen: Eine hohe Ungleichheit ist auch schädlich für die Demokratie. Politische Partizipation wird schwieriger, weil bestimmte Interessengruppen ein großes Gewicht im politischen Prozess bekommen.
Fuest: Sozialabgaben in der Rechnung genauso wie Steuern zu behandeln ist irreführend. Anders als bei Steuern stehen Sozialabgaben individuelle Leistungsansprüche des Einzahlers gegenüber. Das darf man nicht vermischen. Unser Steuersystem ist durchaus progressiv, starke Schultern tragen mehr als schwache.

Union und FDP finden, starke Schultern tragen inzwischen zu viel und wollen obere Einkommen und Unternehmer über einen vollständigen Abbau des Solidaritätszuschlags entlasten. Ist das sinnvoll, Herr Truger?
Truger: Es gibt meiner Wahrnehmung nach zwei Narrative in der Steuerpolitik. Einmal das passiv-defensive: Um uns herum tobt der Steuerwettbewerb, deshalb müssen auch wir die Steuern senken. Das zweite Narrativ wird jetzt im Wahlkampf stark bemüht: Es geht um Entfesselung, Steuerpolitik wird zum zentralen Wachstumstreiber hochstilisiert. Beide Narrative widersprechen sich.

Haben die Steuersenkungen Gerhard Schröders nicht für Entfesselung gesorgt?
Truger: Es gibt keinen klaren Zusammenhang zwischen Steuersenkungen und Wachstum. Was völlig bei der Analyse vernachlässigt wird, ist die gesamtwirtschaftliche Einbettung. Anfang der 2000er-Jahre wurden die Steuern so stark gesenkt, dass Deutschland den europäischen Stabilitätspakt nicht mehr einhalten konnte. Es wurde dann mehrere Jahre gegen die Steuersenkungen angekürzt. 

Was nicht zwingend schlecht sein muss...
Truger: Doch, denn es hat die Probleme im öffentlichen Sektor verschärft, weil Personalausstattung und Investitionen zusammengestrichen wurden. Unterm Strich war der Schaden durch die Kürzungen größer als der Nutzen durch die Steuersenkungen, die schwierige wirtschaftliche Phase wurde politisch verlängert. Die Angst, die ich habe: dass die Finanzpolitik sich genauso wieder das Wasser abgräbt.
Fuest: Das ist eine komplette Fehlinterpretation der Ereignisse. Es kam nach den Steuersenkungen Schröders zu einem Aufschwung. Ob Steuersenkungen die Hauptursache waren, ist eine andere Frage. Zu behaupten, dass Steuersenkungen das Wachstum reduzieren, ist jedenfalls irreführend. Dafür gibt es wissenschaftlich keine Belege, auch nicht für die Jahre 2000 bis 2008.

Das linke politische Lager will die Vermögensteuer wieder einführen. Sie kritisieren das scharf, Herr Fuest. Warum? Studien belegen doch, dass die Vermögen anders als die Einkommen gerade in Deutschland tatsächlich sehr ungleich verteilt sind.
Fuest: Eine Nettovermögensteuer würde großen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Es ist klüger, sich mit den Gerechtigkeitslücken bei bestehenden Steuern zu beschäftigen. Das passiert zu wenig.

Welche Lücken meinen Sie?
Fuest: Drei Beispiele: Unter bestimmten Bedingungen müssen Firmen, die Wohnungen vermieten, darauf keine Gewerbesteuer zahlen. Die Folge: Große Kapitalgesellschaften kaufen sich Wohnungen zusammen, zahlen aber keine Gewerbesteuer.
Zweites Beispiel: Den Wertzuwachs von Aktien muss man versteuern, den aus vermieteten Wohnungen aber nicht, die sind nach zehn Jahren steuerfrei. Und wer eine Wohnung erbt, zahlt Erbschaftsteuer. Wer 300 Wohnungen erbt, zahlt unter Umständen keine, weil das als Betriebsvermögen gilt. Wir sollten uns als Wissenschaftler mit solchen Problemen beschäftigen, statt politische Werturteile über das richtige Ausmaß an Umverteilung zu ventilieren.
Truger: Diese steuerlichen Lücken sind ein Problem, da hast du einen guten Punkt. Aber es ist doch auch ein Werturteil zu sagen, diese Punkte sind wichtiger als Korrekturen der Einkommens- oder Vermögensbesteuerung.
Fuest: Wir sollten hier nicht den Wahlkampf ersetzen, wir sind ja keine Politiker.
Truger: Komm, Prioritätensetzungen sind auch werturteils-behaftet.
Fuest: Ich bewege mich nur auf der Grundlage der Mainstream-Finanzwissenschaft.
Truger: Ach, komm.
Fuest: Na ja, so sagt es jedes Lehrbuch.
Truger: Es ist ein Werturteil.

Warum sind Sie für eine Vermögensteuer, Herr Truger?
Truger: Aufgrund der hohen Konzentration von Vermögen in Deutschland kann sie ein sinnvolles Korrekturinstrument sein. Dass eine Vermögensteuer wahnsinnig schädliche ökonomische Effekte haben soll, kann ich nicht erkennen. 

Das müssen Sie erklären...
Truger: Negative Wirkungen lassen sich durch hohe Freibeträge vermeiden, und der Verwaltungsaufwand lässt sich durch Pauschalisierungen reduzieren. Es gibt auch wissenschaftliche Studien, laut denen eine Vermögensteuer als Produktivitätspeitsche wirken kann, weil Unternehmen mehr in ihre Belegschaft investieren. Diese Argumente werden von den Familienunternehmern bei ihrem Trommelfeuer gegen eine Vermögensteuer gern unter den Tisch fallen gelassen.

Warum sind Sie dann so gegen eine Vermögensteuer, Herr Fuest?
Fuest: Jede Art von Kostenerhöhung kann man als Produktivitätspeitsche verkaufen. Daraus pauschal gesamtwirtschaftliche Vorteile abzuleiten überzeugt nicht. Es gibt Studien, die darauf hinweisen, dass Vermögensteuern Leistungsanreize weniger einschränken als Einkommensteuern. Diese Studien untersuchen, ob man Einkommensteuern senken und im Gegenzug Vermögensteuern erhöhen soll, bei insgesamt konstanter Steuerlast. Die derzeit auf dem Tisch liegenden Vorschläge wollen hingegen die Vermögensteuer zusätzlich zur Einkommensteuer erheben. 

Und kosten deshalb Wachstum? 
Fuest: Genau. Eine Vermögensteuer wirkt zudem stark krisenverschärfend, der Verwaltungsaufwand ist riesig. Das lässt sich auch nicht durch Pauschalisierungen auffangen. Das Bundesverfassungsgericht setzt da enge Grenzen. Wenn man Betriebsvermögen von der Steuer befreit, reduziert das den Schaden für das Wachstum, aber dann ist die Steuerlast unfair verteilt. Und fast alle Länder um uns herum haben ihre Vermögensteuer abgeschafft. Was wäre das für ein Signal, wenn wir sie in dieser fragilen wirtschaftlichen Situation wieder einführen?

Lange war ein Argument gegen höhere Steuern, dass Kapital ins Ausland abzufließen droht. Gilt das nach all den Steuerabkommen noch?
Fuest: Das gilt noch immer, wirtschaftliche Aktivität ist heute mobiler als je zuvor. Sehr wohlhabende Steuerzahler können besonders leicht abwandern. Steuerhinterziehung durch das schlichte Verstecken von Geld im Ausland ist durch Abkommen über den internationalen Austausch von Steuerdaten allerdings schwieriger geworden. Das nimmt ein Argument gegen höhere Steuern auf persönliche Kapitaleinkommen vom Tisch. Trotzdem bleibt der Druck des Steuerwettbewerbs. Das gilt auch für Unternehmensteuern. Die globale Mindeststeuer ist ein bemerkenswerter Schritt, aber bislang nicht mehr als eine politische Absichtserklärung. Wenn sie kommt, wird der Steuerwettbewerb eingedämmt. Verschwinden wird er aber nicht.
Truger: Folgt man deinen Argumenten, ist es gar nicht möglich, im sehr hohen Einkommens- und Vermögensbereich stärker zuzugreifen. Soll das die Konsequenz sein?
Fuest: Hohe Einkommen werden in Deutschland ja schon erheblich besteuert. Eine weitere Erhöhung stößt aber irgendwann an Grenzen.
Truger: Das heißt, wir haben diese Grenzen bereits erreicht?
Fuest: Es geht um das Verhältnis aus Nutzen und Kosten. Bei einer Vermögensteuer sind die Kosten meines Erachtens zu hoch. Wenn man umverteilen will, gibt es andere Möglichkeiten, etwa die erwähnte konsequentere Besteuerung von Immobilien, die laufen nicht weg.

Was halten Sie von einem höheren Einkommensteuersatz für Topverdiener?
Fuest: Ob man meint, dass das zu mehr Gerechtigkeit führt, ist eine Frage politischer Bewertung. Der Wachstumseffekt wäre wohl leicht negativ, weil viele Personengesellschaften stärker belastet würden. Machen kann man das.

Herr Fuest, etwa die Hälfte der Vermögen in Deutschland entsteht durch Erbschaften, nicht durch eigene Arbeit. Ist das nicht ein Widerspruch zu unserer Sozialen Marktwirtschaft, in der in erster Linie die Leistung zählen soll? Viele Väter des Liberalismus plädierten für hundert Prozent Erbschaftsteuer, weil niemand durch Erbe im Wettbewerb einen unfairen Vorteil haben soll.
Fuest: Das ist mir zu radikal. Das Recht, Kindern etwas zu vererben, hat fundamentale Bedeutung. Viele Unternehmerinnen und Unternehmer bauen Vermögen auf, weil sie ihren Kindern etwas vererben wollen, bereits versteuertes Vermögen übrigens. Es gibt Menschen, die etwas vererben im Tausch gegen eine Pflegedienstleistung. Dass man Erbschaften besteuert, kann man gut rechtfertigen, aber man sollte es maßvoll tun. Viele Länder um uns herum haben die Erbschaftsteuer allerdings ganz abgeschafft, selbst Länder mit hoher Umverteilungspräferenz wie Dänemark und Schweden.

Also wollen Sie die Erbschaftsteuer in Deutschland abschaffen?
Fuest: Ich bin durchaus für eine Erbschaftsteuer, aber sie sollte fair sein. Unsere Erbschaftsteuer ist ungerecht, weil verschiedene Erben sehr ungleich behandelt werden. Wer Betriebsvermögen erbt, hat große Vorteile. Diese Privilegien sollte man abschaffen und im Gegenzug die Steuersätze auf zum Beispiel zehn Prozent begrenzen, sodass der Schaden bei Betrieben nicht allzu groß ist.
Truger: Ich kann mich mit einer höheren Erbschaftsteuer sehr gut anfreunden. Die Schlussfolgerung, dass man insgesamt auf einen niedrigeren Satz muss, teile ich nicht. Ich halte die bestehende progressive Erbschaftsteuer für gut begründbar.
Was es braucht, ist eine Mindesterbschaftsteuer für Betriebsvermögen. Aus bekannten Gründen sind die Betriebsvermögen schützenswert, trotzdem müssen sie einen Beitrag leisten. Man kann so das Erbschaftsteueraufkommen verdoppeln, ohne ökonomische Schäden zu verursachen. Eine niedrige Flat Tax würde bedeuten, dass Erben sehr hoher Privatvermögen niedriger besteuert würden als heute. Eine Flat Tax ist der Anfang vom Ende der Erbschaftsteuer.

Schon jetzt hat Deutschland mit 30 Prozent mit die höchsten Steuersätze für Unternehmen unter den Industriestaaten. Machen Sie sich da keine Sorgen um das Wachstum, Herr Truger?
Truger: Die Erholung sollte nicht gefährdet werden. Deshalb bin ich auch gegen Steuererhöhungen jetzt sofort. Ich denke aber, dass wir uns in zwei, drei Jahren wieder in einer ganz normalen Situation befinden, wo es um die Frage geht: Darf es etwas mehr Staat sein, und wie wird das finanziert.

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Das klingt, als sei „mehr Staat“ ein Selbstzweck?
Truger: Nein. Was aber nicht drin ist, sind kräftige Unternehmen- und Einkommensteuersenkungen, wie von vielen Politikern gefordert. Gleichzeitig wird dann ja auch noch eine harte Schuldenbremse gefordert. Das wird nicht funktionieren, damit würden die öffentlichen Haushalte extrem unter Stress gesetzt, der Staat müsste drastisch bei den Ausgaben kürzen. Das ist aber nicht denkbar, wenn man die Themen Klimawandel, Bildungsgerechtigkeit und Digitalisierung wirklich ernst nimmt.
Fuest: Wir brauchen mehr öffentliche Investitionen, aber auch mehr private. Für Letztere brauchen wir Steuerentlastungen. Wer Steuern senken will, muss erklären, wie das zu finanzieren ist. Wer mehr öffentliche Investitionen will, muss das auch. Ich denke übrigens, dass die Schuldenbremse genügend Spielräume bietet.

Die Steuersenkungspläne der FDP reißen selbst unter Berücksichtigung einer höheren Beschäftigung eine Lücke von 60 Milliarden Euro jährlich in den Haushalt. Sind das nicht leere Versprechen? 
Fuest: Nicht zwingend. Das ist nur eine kurzfristige Betrachtung. Aber es geht ja darum, langfristig Wachstumseffekte zu erzielen. Keine der Parteien hat gesagt, wann genau Steuersenkungen kommen sollen. Auch die Entlastung beim Soli kam erst im letzten Jahr der vergangenen Legislaturperiode. Es ist also möglich, jetzt einen Konsolidierungsplan vorzulegen, aus dem heraus die Politik später eine solche Steuerreform finanzieren kann. Der Plan muss allerdings auf den Tisch!

Es gibt in Deutschland und den USA immer mehr Initiativen von Millionären, die höher besteuert werden wollen. Gibt es also offenbar auch in dieser Schicht nicht ein wachsendes Unbehagen angesichts der Spaltung der Gesellschaft?
Fuest: Erst mal denke ich, dass man sich gerne ins rechte Licht setzt, wenn man öffentlich bekundet, höhere Steuern zahlen zu wollen. Diese Tendenz gibt es ja auch bei Politikern, die sich als besonders selbstlos inszenieren wollen. Aber ja, ich denke schon, dass auch die Reichen vor allem in den USA, aber auch in Deutschland erkennen, dass es im Steuerrecht Lücken gibt, die unfair sind.
Truger: Man muss solche Initiativen schon ernst nehmen, und sie sind angesichts des wachsenden Unbehagens wohl auch ehrlich gemeint. Die Vermögens- und Machtkonzentration ist ein Problem in vielen Gesellschaften.

Aber es gibt ja auch ein Bundeskonto, auf das jeder, der will, dem Staat Geld überweisen kann...
Fuest: So weit geht die Selbstlosigkeit dann wohl doch nicht. Die Reichen, die solche Initiativen starten, wollen, dass alle Reichen mehr zahlen, und nicht nur sie.
Herr Fuest, Herr Truger, vielen Dank für das Gespräch.

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1 Kommentar zu "Clemens Fuest und Achim Truger: „Gerechtigkeit bedeutet nicht Umverteilung“ – Ökonomen streiten über Wachstum nach der Wahl"

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  • Truger weiß nicht wovon er redet wenn er Vermögensteuer propagiert. Im Mittelstand ist sehr oft das Vermögen das Unternehmen. Das bewertet das Finanzamt nach einem Algorithmus. Wenn auf den errechneten Wert Vermögensteuer erhoben wird, dann muss erst Cash aus dem Unternehmen gezogen werden (hoffentlich hat es welches) um diese Steuer überhaupt bezahlen zu können, wobei schon da das Finanzamt abkassiert. Unter dem Strich bedeutet das im Nominalfall eine faktische Ertragsbesteuerung des Unternehmens von 44%. Ohne Vermögensteuer sind es rund 30% und das ist schon hoch, denn der EU-Durchschnitt ist 21%. Ein paar Milliönchen Freibetrag, wie es in manchen Ökonomen- und Politikerköpfen zur Beruhigung herumschwirrt, würden daran im größeren Mittelstand nichts ändern. Das Ergebnis wäre eine krasse Wachstumsbremse, Arbeitsplatz-Aufbaubremse und Schwächung deutscher Unternehmen im weltweiten Wettbewerb. Ob der Staat dann am Ende dann überhaupt mehr einnimmt als ohne, ist die nächste Frage.

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