SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz: Anti-Geldwäsche-Einheit kratzt am Image
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FIUScholz bekommt die Probleme bei der Anti-Geldwäsche-Einheit nicht in den Griff
Nach ihrer Neuaufstellung hat der Finanzminister es nicht geschafft, die FIU fit für den Kampf gegen Geldwäsche zu machen. Das kratzt am Image des SPD-Kandidaten.
Berlin Im ersten Fernsehtriell lobte Olaf Scholz sich selbst. Es ging um das Thema innere Sicherheit, und der SPD-Kanzlerkandidat wollte zeigen, wie er Dinge anpackt und Probleme löst. Beim Zoll, einer Sicherheitsbehörde, „für die ich Verantwortung“ trage, wie Scholz betonte, habe es einen „riesigen Personalaufwuchs“ und eine „erhebliche Ausweitung ihrer Befugnisse gegeben“. Die Botschaft: In Scholz’ Behörde läuft es.
Doch nur eineinhalb Wochen nach diesem Selbstlob holen Scholz die Probleme und Versäumnisse beim Zoll wieder ein – und das auf höchstspektakuläre Weise. Am Donnerstagmorgen standen überraschend Staatsanwälte aus Osnabrück mit einem Durchsuchungsbeschluss vor der Tür des Bundesfinanzministeriums. Anlass ist ein Ermittlungsverfahren, in dem Verantwortliche der Financial Intelligence Unit (FIU), einer Spezialeinheit des Zolls zur Geldwäschebekämpfung, ins Visier der Strafverfolger geraten sind.
Es geht um den Vorwurf der Strafvereitelung im Amt, nachdem die Anti-Geldwäsche-Einheit Verdachtsmeldungen von Banken in Millionenhöhe nicht ordnungsgemäß an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet haben soll. Die Ermittler wollten im Bundesfinanzministerium sowie im Bundesjustizministerium Unterlagen sicherstellen, die Auskunft über die beim Zoll aufgehängte FIU geben.
Scholz deutete in einem Statement an, die Staatsanwälte könnten politisch vorgehen. Ungewöhnlich genug, schließlich halten sich Regierungsmitglieder eigentlich mit Kritik an der unabhängigen Justiz zurück. Der Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet (CDU), griff Scholz deshalb an. „Man sollte alles vermeiden, was den Eindruck erweckt, als hätten wir keine unabhängige Justiz“, sagte Laschet. Der Staatsanwaltschaft zu sagen, was sie besser hätte tun sollen, „kennt man sonst nur von populistischen Staaten“.
Doch ganz unabhängig von der Frage, ob das Vorgehen der Staatsanwalt angemessen war, ist der Vorgang für den SPD-Kanzlerkandidaten unangenehm, denn er wirft ein Schlaglicht auf Scholz’ Sorgentruppe. Trotz vollmundiger Ankündigungen hat Scholz in vier Jahren als Bundesfinanzminister die Probleme bei der FIU offensichtlich nicht in den Griff bekommen.
Finanzpolitiker von Grünen, FDP und Linke hatten Scholz eine „politische Gesamtverantwortung“ für „fortwährende Missstände bei der FIU“ vorgeworfen. Scholz betont jedoch, als Finanzminister die Behörde ausgebaut und besser aufgestellt zu haben. „Ich habe eine Behörde mit etwa 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen und dafür gesorgt, dass sie heute auf fast 500 gewachsen ist“, sagte Scholz am Samstag vor Journalisten in Worms. „Sie wird auch weiter wachsen, auf über 700.“
Scholz fügte hinzu: „Wir haben für eine neue Leitungsstruktur gesorgt, wir haben dafür gesorgt, dass dort eine moderne IT entsteht, und wir haben mit mehreren Gesetzesvorhaben dafür gesorgt, dass die FIU die notwendigen Kompetenzen bekommt, bei allen anderen Behörden (...) Daten abzufragen, um sie zusammen zu betrachten mit den Daten, die wir hier eingeben.“ Dies sei die Grundlage dafür, „dass wir Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, all die Dinge besser bekämpfen können mit einer leistungsfähig aufgestellten Behörde“.
Seit Jahren sind die strukturellen Missstände bei der FIU bekannt, seit Jahren hagelt es Kritik, weil es wegen teils absurder IT-Problemen und gravierender Personalengpässe zwischenzeitlich einen riesigen Rückstau an Verdachtsmeldungen gab, die die FIU nicht abgearbeitet bekam.
Für Scholz ist all das besonders peinlich, weil er den Kampf gegen Geldwäsche zur Chefsachse erklärte, als er das Amt des Bundesfinanzministers übernommen hatte. „Geldwäsche ist in unserem Land ein ernstes Problem“, betonte er im Sommer 2019. Deutschland solle künftig „international die höchsten Standards beim Kampf gegen Geldwäsche“ haben. Stattdessen ist die ihm unterstellte Anti-Geldwäsche-Einheit selbst zum Ziel von Ermittlungen geworden, weil sie mutmaßlich ihre Arbeit nicht ordentlich macht.
Scholz nach Razzia im Finanzministerium: „Fragen hätten auch schriftlich gestellt werden können“
Nach dem Wirecard-Skandal und dem Steuerskandal Cum-Ex hinterlässt dieser Vorgang einen weiteren Fleck auf der Weste des SPD-Kanzlerkandidaten, der von sich so gern behauptet, für jedes Problem eine Lösung parat zu haben. Seine Partei wirbt im Wahlkampf mit dem Slogan „Scholz packt das an“. Aber hat er die Probleme bei der FIU ausreichend angepackt?
Die FIU war im Sommer 2017 auf Betreiben des damaligen Finanzministers Wolfgang Schäuble (CDU) vom Bundeskriminalamt zum Zoll gewandert. Der Neustart verlief holprig: Es fehlten Arbeitskräfte, Räume, eine Software war nicht einsatzbereit, Aushilfskräfte mussten per Fax eingereichte Meldungen händisch bearbeiten. Gestartet war die FIU seinerzeit mit 165 Kräften – viel zu wenige, wie sich schnell herausstellte.
„Keine wirksame Geldwäsche-Aufsicht“
Scholz kann sich also zugutehalten, dass er die Probleme bei der FIU geerbt hat. Und er hat tatsächlich auch versucht, für Besserung zu sorgen. Der Leiter der Behörde wurde ausgetauscht, die Zahl der Beschäftigten auf zuletzt 470 deutlich erhöht. Zudem erhielt die FIU zusätzliche Rechte, sie darf etwa auf bestimmte Daten des Bundeskriminalamts zugreifen.
Die Frage ist nur: Haben diese Verbesserungen ausgereicht, um die Behörde fit zu machen für einen effektiven Kampf gegen Geldwäsche? Die Zweifel sind groß. Der Bundesrechnungshof kam in einem geheimen Bericht Anfang des Jahres zu einem nahezu vernichtenden Urteil: Bund und Länder bekommen demnach das Problem nicht in den Griff. Es gebe „keine wirksame Geldwäscheaufsicht“, hieß es in dem Papier.
Die Opposition fordert eine Sondersitzung des Finanzausschusses und fällt nach den Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft ein harsches Urteil.. „Das ist die absolute Höchststrafe für Scholz“, sagte De Masi. Er habe Scholz seit 2018 aufgefordert, das Chaos bei der FIU zu beenden. „Diese ist ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.“ Und Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus meint: „Olaf Scholz hat die FIU sehenden Auges vor die Wand gefahren.“ Er habe seine Behörden nicht im Griff.
Der FDP-Finanzexperte Markus Herbrand traktiert das Bundesfinanzministerium seit Jahren mit parlamentarischen Anfragen zum Zustand der FIU. Ihn wundern die jüngsten Vorgänge nicht. „Finanzminister Scholz hat bislang nur Desinteresse und Vernachlässigung für die Geldwäschebekämpfung in Deutschland übriggehabt, obwohl er an der besorgniserregenden Lage schon längst hätte arbeiten müssen“, sagte Herbrand. Dass Scholz sich nicht inhaltlich zu den Missständen äußere, sei bezeichnend.
Die Zoll-Spezialeinheit FIU
Die Financial Intelligence Unit ist beim Zoll und damit beim Bundesfinanzministerium angesiedelt. Als Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen sammelt und analysiert sie Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz. Sie führt Daten und Informationen anderer Behörden zusammen und leitet wichtige Meldungen an die Strafverfolgungsbehörden weiter. Der frühere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die FIU vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert. Unter dem jetzigen Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wurde die Einheit personell gestärkt, ihre Kompetenzen wurden erweitert, und es gab technische Verbesserungen. Von anfänglich 165 Beschäftigten ist die Zahl nach Angaben des Finanzministeriums auf 469 gestiegen.
Im Jahr 2020 sind bei der FIU laut ihrem Jahresbericht insgesamt 144.005 Verdachtsmeldungen eingegangen. Im Vergleich zu 2019 ist das eine Steigerung um rund 25 Prozent. Innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich das jährliche Meldeaufkommen mehr als verzwölffacht. Der überwiegende Teil der Meldungen stamme aus dem Finanzsektor. Im vergangenen Jahr seien insgesamt 3600 Verdachtsmeldungen eingegangen, die einen potenziellen Bezug zu Terrorismusfinanzierung und staatsschutzrelevanter Kriminalität aufwiesen. Dies sei ein Anteil von rund zwei Prozent im Vergleich zum Gesamtaufkommen.
Der Leiter der FIU, Christof Schulte, musste wegen des Skandals beim Zahlungsdienstleister Wirecard vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussagen. Der Behörde wird vorgeworfen, Verdachtsmeldungen bezüglich Wirecard zu spät nachgegangen zu sein.
Tatsächlich ging Scholz auf die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht konkret ein. Das Bundesfinanzministerium betonte in einer Erklärung vor allem, dass sich der Verdacht nicht gegen Beamte im Bundesfinanzministerium richte, sondern „gegen unbekannte Mitarbeiter“ der FIU, „die ihren Sitz in Köln hat“. Also ganz weit weg von Scholz’ Ministerium.
Dieses Wegducken des Ministers erzürnt die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ). Dass Scholz und die Leitung des Finanzministeriums nur auf die FIU zeigen und sich nicht vor sie stellen, sei „der eigentliche Skandal“, erklärte BDZ-Bundesvorsitzender in einer Mitteilung an die Beschäftigten.
„Dem BDZ ist nicht bekannt, dass die politisch Verantwortlichen im BMF den betroffenen Beschäftigten seit der Neuerrichtung der FIU öffentlich den Rücken gestärkt hätten“, schrieb Dewes, der auch lange Zeit Vorsitzender des Hauptpersonalrats im Bundesfinanzministerium war.
Die im Umfragetief steckende Union greift den Vorgang gern auf. Schließlich könnte das Scholz an einem wunden Punkt treffen. Schon in der Cum-Ex-Affäre musste er sich wiederholt auf Erinnerungslücken berufen. Beim Wirecard-Skandal musste zwar der Chef der Bafin gehen, die politische Verantwortung für das Behördenversagen wollte niemand übernehmen.
„Herr Scholz muss im Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in seinem Ministerium dringend für volle Aufklärung und Transparenz sorgen“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak dem „Spiegel“. „Dass Herr Scholz erneut die deutsche Öffentlichkeit im Unklaren lässt, passt jedoch leider ins Bild.“ Nach den Cum-Ex-Steuerdeals und nach der Affäre rund um Wirecard sei dies „der nächste Fall, wo Herr Scholz sich offensichtlich in Ausreden verstrickt“, sagte Ziemiak.
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