Kolumne: Mein Wahlsonntag Doppelmoral auf Kosten der Kinder

Beim Theater gibt es eine alte Weisheit: Kinder und Tiere haben auf der Bühne nichts zu suchen. Das gilt für die Wahlkampfbühne in diesem Jahr nicht. Olaf Scholz und Armin Laschet setzten sich bei einem Privatsender in ein Indianerzelt. Die Kinder stellten den beiden Kanzlerkandidaten von SPD und Union Fragen, die ganz offensichtlich von einer Redaktion minutiös vorbereitet wurden, inklusive eines Knopfes im Ohr, über den noch weitere Fragen eingespeist wurden.
Ein Ruhmesblatt des Journalismus ist eine solche Herangehensweise nicht. Minderjährige zu instrumentalisieren, um politisch Unliebsame zu diskreditieren, ist unterste Schublade und ein Fall für den Presserat.
Alle Mittel scheinen recht zu sein
Aber in diesem Wahlkampf scheinen alle Mittel recht zu sein. Eine linksextreme Aktivistin, die der Hamburger Verfassungsschutz auf dem Schirm hat, schulte einen Teenager für die Wahlarena in der ARD. Bislang schweigt sich der Sender dazu aus, wie die Jugendliche auf die Gästeliste gekommen ist. Eigentlich sollen die Wahlarenen Bürgernähe herstellen.
Sie sind aber zu einem Feld für Aktivisten geworden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der in Teilen der Bevölkerung ohnehin um Akzeptanz ringt, ob berechtigt oder nicht, muss da für Transparenz sorgen. Die Fälle häufen sich.
Die Grünen und der Enkeltrick
Noch kurz vor der Corona-Zeit sang der WDR-Kinderchor angeblich lustige Lieder, in denen Omas als Umweltsau bezeichnet wurden. Das war selbst dem toleranten Intendanten Tom Buhrow zu viel. Unterstützer der Grünen versuchen es in diesem Wahlkampf mit dem Enkeltrick. Sie werden traditionell in den großen Wählerschichten der über 60-Jährigen unterdurchschnittlich gewählt. Nun kamen ein paar mehr oder weniger pfiffige Strategen auf die Idee, sogenannte Enkelbriefe verfassen zu lassen.
Darin werden die Jugendlichen von Prominenten gebeten, ihre Großeltern politisch zu bearbeiten. Die peinlichen Versatzstücke für die Argumentation werden mitgeliefert. Daran ist einiges schief. Die Prominenten wie Annette Frier oder Jan Delay sind bei den Teenagern unbekannt. Der Spot ist von mittelalten Leuten für mittelalte Leute gemacht.
Mündig sollen die Jugendlichen ohnehin nicht sein. Man traut ihnen nicht einmal zu, einen solchen Brief selbst zu schreiben. In den meisten Familien läuft es ohnehin anders ab. Da haben die Großeltern und ihre Enkel noch direkten Kontakt und bei gegenseitigen Besuchen ist Politik ein Thema.
Zudem liegen bei den jungen Wählern und den Jugendlichen die Grünen und die FDP in ihrer Gunst ohnehin vorne. Die Generation wird selbstbewusst sein, ihre Bedürfnisse in der Familie deutlich zu machen. Ob sie sich dann immer durchsetzen kann, bleibt ein Wahlgeheimnis. Doch noch schützt das Grundgesetz die freie und geheime Wahl und das soll auch so bleiben. Wenn die Grünen an die Kinder ranwollen, löst das nicht überall Begeisterung aus.
Die Formate werden immer kindischer
Wenn keine Kinder auf der Bühne stehen, fällt in diesem Wahlkampf auf, dass Formate immer kindischer werden. Im sogenannten Vierkampf mit FDP-Chef Christian Lindner, CSU-Mann Alexander Dobrindt, AfD-Frontfrau Alice Weidel und Linken-Co-Vorsitzender Janine Wissler mussten die Politiker auf Fragen mit Daumen hoch und Daumen runter antworten. Zu Zeiten des alten Roms war das ein Zeichen, ob ein Gladiator überlebt oder nicht. Politik darf und muss unterhalten. Aber sie darf nicht dazu dienen, das Publikum zu belustigen oder andere Mitbewerber verächtlich zu machen.
Zur Ehrenrettung von ARD und ZDF sei gesagt: Die öffentlich-rechtlichen Sender können auch anders. Das durfte der AfD-Spitzenkandidat Tino Chrupalla erleben. Der schwadronierte in einem Gespräch mit dem ARD-Kinderreporter Jan, dass in den Schulen wieder mehr deutsche Lieder gesungen und deutsche Gedichte auswendig gelernt werden müssten.
Auf die spontane Nachfrage von Jan, ob er denn ein Gedicht nennen könne, fiel Chrupalla nichts ein. Den Spott in den sozialen Medien und vom politischen Gegner bekam er umsonst. Anders als die anderen Kinder war Jan kein willfähriges Instrument für die Interessen von Erwachsenen. Er hat saubere journalistische Arbeit abgeliefert und selbstständig nachgehakt. Ob Jan schon die ersten Jobangebote hat, ist nicht bekannt.
Nach der Wahl werden die Kinder vergessen
Dieser Wahlkampf zeigt, es ist ein schmaler Grat mit den Kindern auf der Wahlkampfbühne. Wenn es anschließend um tatsächliche harte Politik geht, dann spielen die Kinder ohnehin kaum eine Rolle. Man muss nur einen Blick auf die letzten eineinhalb Jahre der Corona-Politik werfen. Den Vogel schoss diese Woche wieder einmal der rot-rot-grüne Berliner Senat ab, der bei der 2G-Regel die Kinder bis 12 Jahre einfach vergessen hat.
Die hätten im Winter draußen bleiben müssen, vielleicht zusammen mit dem Familienhund. Zur Belohnung müssen sie immer noch Maske in der Schule tragen und werden zweimal pro Woche getestet. Übrigens, bei den Klassenbesuchen von Olaf Scholz und Armin Laschet mussten die Kinder interessanterweise keine Masken tragen. Das hätte keine schönen Bilder gegeben.
Über all das können die Besucher von Nachtklubs nur müde lachen, wenn sie sich in den Rausch tanzen. Am Ende kann man nur sagen: In diesem Wahlkampf gibt es eine verlogene Doppelmoral auf Kosten der Kinder. Sie werden im Wahlkampf instrumentalisiert und danach interessiert sich keiner mehr für sie.
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