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Kolumne: Mein Wahlsonntag In der Wahlnacht werden wir endlich die wirklichen Absichten erkennen

Sonntagabend können die Wähler endlich hinter die Fassade blicken. Dann geht es um die Macht im Land. Dafür gibt es berühmte Beispiele. 
26.09.2021 - 09:00 Uhr Kommentieren
Wer koaliert mit wem?
Bundestagswahl 21

Wer koaliert mit wem?

Spannung ist am Wahlabend garantiert. Stimmen die Umfragen, würden die Amerikaner sagen: too close to call. Es ist noch nichts entschieden – es ist zu knapp. Die Union liegt in Schlagweite zur SPD.

Eines steht aber schon fest: Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet braucht als Koalitionspartner die Grünen und die FDP, wenn er ins Kanzleramt einziehen will. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz muss ein Bündnis mit Grünen und FDP oder Linkspartei schließen.

Vor der Wahl hat sich keiner auf irgendeine Koalition festgelegt. Doch in der Wahlnacht können die Wähler endlich hinter die Fassade blicken, wenigstens einen Blick dahinter werfen. Es ist so, als würde man eine Folie abziehen und endlich die wirklichen Absichten erkennen. Die Taktiererei kommt an ihr Ende. Dann geht es um die Macht im Land. An Wahlabenden gibt es viele Überraschungen.

Ein kleines Schmankerl ist da nur, wie der damalige BDI-Chef Hans-Olaf Henkel 1998 in der niedersächsischen Landesvertretung Gerhard Schröder zum Wahlsieg gratulieren wollte. Im Wahlkampf hatte er gegen eine Koalition unter Führung der SPD noch Front gemacht. Kurz nach Schließung der Wahllokale musste er sich an den künftigen Kanzler ranrobben, und Schröder führte ihn nach allen Regeln der Kunst vor.  

An Wahlabenden werden Bündnisse geschmiedet oder verhindert. Heute ist die Kommunikation unter den Spitzenleuten durch Handy und WhatsApp-Nachrichten noch einmal direkter geworden. Es gibt aber immer noch kleine Zirkel, die sich spätabends treffen und zu denen auch die Spitzenleute dazustoßen. Das Protokoll in diesen entscheidenden Stunden sieht aber einige Fixpunkte vor.

Meistens kommen die Präsidien, also die Spitzengremien der Parteien,  um 16 Uhr zusammen. Da gibt es schon die sogenannten Exit-Polls. Das sind noch keine Prognosen. Doch der Trend ist schon klar. Diese Zahlen sind für die Öffentlichkeit natürlich nicht zugänglich, da die Wahllokale erst um 18 Uhr schließen. In diesen Runden kommt es zur Absprache über die ersten Sprachregelungen, wie das Ergebnis  nach draußen kommuniziert werden soll.

Vielleicht geht die eine oder andere Kurznachricht über die Parteigrenzen hinweg. Aber Tacheles geredet wird da noch nicht. Wenn eine Partei sich als Wahlsieger fühlt, geht die Spitzenkandidatin oder der Spitzenkandidat selbst früh vor die Kameras und die Anhänger. Wenn das Wahlergebnis unbefriedigend oder unklar ist, werden der Generalsekretär oder andere Getreue vorgeschickt.  Dann kommt um 20.15 Uhr die Elefantenrunde, und da kann es schon zur Sache gehen.

In der Elefantenrunde geht es ans Eingemachte 

Richtig ans Eingemachte ging es 2005. Unvergessen ist der mit Testosteron aufgeladene Auftritt des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Der beschied der angeschlagenen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, sie solle mal die Kirche im Dorf lassen. Er fragte, wie Merkel darauf komme, dass seine SPD sie zur Kanzlerin wählen würde. Das Ergebnis ist bekannt.

Es gibt immer noch mehrere Versionen, warum Schröder damals so aufgetreten ist. Die einen sagen, das sei dem Adrenalin geschuldet gewesen. Schröder habe in einer fulminanten Aufholjagd Merkel fast noch eingeholt. Damit hatte außer ihm kaum noch jemand gerechnet. Auch soll ein Wortgefecht mit dem ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender schuld gewesen sein, dass Schröder nicht an sich halten konnte.

Schließlich gibt es die Version, dass er Ampel-Signale über den rheinland-pfälzischen SPD-Landeschef Kurt Beck erhalten habe. Der regierte damals mit der FDP, und es soll Hinweise gegeben haben, die Liberalen würden ein Ampelbündnis im Bund mitmachen.

Diesen Träumereien bereitete Guido Westerwelle noch in der TV-Runde ein jähes Ende, indem er diese Konstellation rigoros ausschloss. Damit rettete er Angela Merkel über den Tag, denn die CDU-Granden um Friedrich Merz und Roland Koch hatten eigentlich schon den Daumen gesenkt. Gedankt hat Merkel es dem FDP-Chef nie. Im Gegenteil. 2013 sorgte sie mit dafür, dass die Liberalen aus dem Bundestag flogen. Viele in der FDP und Parteichef Christian Lindner haben sich das gemerkt.

Armin Laschet denkt an Willy Brandt 

Armin Laschet wird in diesen Tagen sicherlich auch an Willy Brandt denken. Der erklärte sich am Wahlabend 1969 zum Sieger, obwohl seine SPD hinter der Union lag. Seine Argumentationslinie lautete: Die SPD sei stärker als die CDU. Brandt rechnete einfach die CSU raus. Er wusste den Liberalen Walter Scheel an seiner Seite. Helmut Schmidt lässt mit seiner sozialliberalen Koalition ebenfalls grüßen.

Ob Laschet mit den Grünen und vor allem Parteichef Robert Habeck schon sondiert hat, weiß man nicht. Während die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stramm Richtung SPD marschiert, gibt es starke Kräfte bei den Grünen, die gerne mit der CDU regieren wollen.

Habeck, der in Schleswig-Holstein eine Jamaika-Koalition geschmiedet hat, sagte jüngst: „Die SPD war häufig Problembär.“ Er sieht in Baden-Württemberg, wie die Grünen die CDU überholt haben. Man braucht auch eine Perspektive über den Wahltag hinaus.

Laschet wird wahrscheinlich auch in eine Situation kommen, wo der Druck unmenschlich wird. In der CDU gibt es jetzt schon Planspiele, wer denn am Wahlabend den Rücktritt des CDU-Vorsitzenden fordern könnte. Noch hält sich der Mut der Putschisten in Grenzen.

Die Drähte laufen am Wahlabend heiß 

Egal, wie die Wahl ausgeht. Das Ergebnis der SPD wird die Überraschung des Abends sein. Noch vor Kurzem dümpelte die Partei bei 15 Prozent. Wenn die Stimmen ausgezählt sind, fliegen Olaf Scholz die Herzen der Sozialdemokraten zu. Das ist für ihn außerhalb Hamburgs ein neues Gefühl.

Vor nicht einmal eineinhalb Jahren wollte ihn die Mehrheit seiner Parteifreunde nicht einmal als Vorsitzenden. Seine erfolgreiche Wahlkampfstrategie war denkbar einfach und wurde vielfach belächelt. Die Wahlnacht gehört nun ihm. Wie es dann in den nächsten Tagen aussieht, weiß noch niemand. Die Parteivorsitzende Saskia Esken versteckt sich nicht immer an der Pommes-Bude. Und der Parteivize Kevin Kühnert wird immer noch von den Jungsozialisten getragen, die ein Linksbündnis wollen.

Am Sonntagabend können wir uns darauf einstellen, die üblichen Floskeln der Politiker zu hören. Man wolle dem Präsidium nicht vorgreifen, man wolle das Ergebnis erst analysieren und außerdem freue man sich über das Ergebnis. Aber intern laufen die Drähte längst heiß, und wahrscheinlich bekommen wir auch diesen ersten Blick hinter die Fassade.

Mehr: Die Programme der Parteien im Wahlcheck. 

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