Neuwahlen In welchem Fall wäre eine erneute Wahl nötig?
Düsseldorf Die Bundestagswahl 2021 hat historische Ergebnisse gebracht. Die Union erzielte mit 24,1 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Gründung der Bundesrepublik. Die Grünen landeten bei 14,8 Prozent und holten damit das beste Ergebnis der Parteigeschichte. Stärkste Kraft im neuen Bundestag wird laut vorläufigem amtlichem Endergebnis mit 25,7 Prozent die SPD unter Spitzenkandidat Olaf Scholz.
Die Regierungsbildung nach der Wahl könnte allerdings kompliziert werden. Sowohl Scholz als auch CDU-Chef Armin Laschet streben ein Dreierbündnis mit Grünen und FDP an. Doch was, wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern? In welchem Fall wären nach der Bundestagswahl 2021 Neuwahlen nötig? Zwei Szenarien.
Neuwahlen: Das ist im Grundgesetz geregelt
In der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz, sind zwei Szenarien festgehalten, in denen es zu Neuwahlen kommen kann.
Neuwahl Szenario 1: Kanzlerwahl scheitert (Art. 63 Grundgesetz)
Ein Szenario für Neuwahlen ist eine gescheiterte Kanzlerwahl. Spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl muss der Bundestag erstmals in der neuen Legislaturperiode tagen. Häufig dauern die Koalitionsverhandlungen dann noch an, wie etwa nach der Bundestagswahl 2017. Nach den Koalitionsverhandlungen folgt die Kanzlerwahl auf Vorschlag des Bundespräsidenten.
Erhält die vorgeschlagene Person keine absolute Mehrheit der Stimmen, hat der Bundestag nach Artikel 63 Absatz 3 des Grundgesetzes 14 Tage Zeit, um eine Person mit absoluter Mehrheit als Bundeskanzler oder Bundeskanzlerin zu wählen. Gelingt das innerhalb der Frist nicht, muss laut Absatz 4 unverzüglich ein weiterer Wahlgang abgehalten werden, bei dem die Person mit den meisten Stimmen gewählt ist.
Wurde die Person mit absoluter Mehrheit gewählt, muss sie vom Bundespräsidenten zur Kanzlerin oder zum Kanzler ernannt werden. War die Mehrheit aber nur relativ (weniger als 50 Prozent), hat der Bundespräsident die Wahl: Binnen sieben Tagen muss die Person entweder ernannt oder der Bundestag aufgelöst werden. Nach einer Auflösung käme es zu Neuwahlen.
Neuwahl Szenario 2: Die Vertrauensfrage (Art. 68 Grundgesetz)
Das zweite Szenario für Neuwahlen ist die sogenannte Vertrauensfrage. Im Falle von Regierungskrisen kann der Kanzler oder die Kanzlerin im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Erhält das Regierungsoberhaupt keinen Rückhalt von der Mehrheit des Bundestags, kann er oder sie dem Bundespräsidenten vorschlagen, den Bundestag aufzulösen. Die Auflösung des Bundestags muss laut Artikel 68 des Grundgesetzes binnen 21 Tagen erfolgen. Danach käme es zu Neuwahlen. Allerdings erlischt diese Möglichkeit, sofern der Bundestag vorher eine andere Person mit absoluter Mehrheit als Kanzlerin oder Kanzler wählt.
Im Gegensatz zum ersten Szenario kam es tatsächlich mehrmals in der Geschichte der Bundesrepublik zu Neuwahlen nach der Auflösung des Bundestags aufgrund der Vertrauensfrage: 1972 unter Willy Brandt (SPD), 1983 unter Helmut Kohl (CDU) und zuletzt 2005 unter Gerhard Schröder (SPD).
Auflösung des Bundestags: Wann kommt es zu Neuwahlen?
Kommt es zur Auflösung des Bundestags, müssen binnen 60 Tagen Neuwahlen durchgeführt werden. Diese Zwei-Monats-Frist regelt Artikel 39 Absatz 1 des Grundgesetzes. Über die Auflösung des Bundestags in den zwei beschriebenen Szenarien entscheidet der Bundespräsident.
Nach der Bundestagswahl 2021: Neuwahlen unwahrscheinlich
In der aktuellen Wahl ist die Regierungsbildung zwar schwierig, doch Neuwahlen sind sehr unwahrscheinlich. Sollten erste Versuche einer Regierungsbildung scheitern, würde Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Auflösung vermutlich vermeiden wollen. Denn Neuwahlen sind teuer: Die vergangenen Bundestagswahlen sorgten für Kosten im hohen zweistelligen Millionenbereich. Außerdem würde sich die Regierungsarbeit verzögern, auch wenn bis zur Ernennung des neuen Kabinetts die alte Regierung kommissarisch im Amt bleibt.
Auch zeigt ein Blick auf die vergangene Wahl, dass gescheiterte Koalitionsgespräche nicht ausreichen. So rief Steinmeier 2017 nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungsgesprächen alle im Bundestag vertretenen Parteien zur Regierungsbildung auf. Am Ende kam es zur Fortsetzung der Großen Koalition aus Union und SPD. Das wäre auch 2021 denkbar, allerdings mit anderen Kräfteverhältnissen: Erstmals seit 2002 holten die Sozialdemokraten mehr Sitze im Bundestag als die Konservativen.
Mehr: Koalitionsrechner – Welche Parteien haben Chancen auf die Mehrheit im Bundestag?
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