Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke

Regierungsbildung Koalitionsverhandlungen für Ampel-Bündnis beginnen – Diese Streitpunkte müssen SPD, FDP und Grüne lösen

Erst wurde vorsondiert, dann sondiert, jetzt geht es ans Eingemachte. Auf dem Weg zu einer Ampelkoalition warten allerdings noch ein diese Hindernisse.
21.10.2021 Update: 21.10.2021 - 14:42 Uhr Kommentieren
SPD, Grüne und FDP streben an, noch vor Weihnachten eine gemeinsame Regierung zu bilden. Quelle: Getty Images
Baerbock, Lindner, Habeck und Scholz

SPD, Grüne und FDP streben an, noch vor Weihnachten eine gemeinsame Regierung zu bilden.

(Foto: Getty Images)

Berlin Seit Donnerstagnachmittag führen SPD, Grüne und FDP ihre Koalitionsverhandlungen. Auf dem Berliner Messegelände kommen zum Auftakt die Hauptverhandler, je sechs hochrangige Vertreterinnen und Vertreter jeder Partei, mit den Leitern der Arbeitsgruppen zusammen.

Insgesamt 22 Arbeitsgruppen mit Fachpolitikern sollen dann in den kommenden Wochen die Details eines Koalitionsvertrags aushandeln. SPD, Grüne und FDP streben an, noch vor Weihnachten eine gemeinsame Regierung zu bilden. Es wäre die erste sogenannte Ampelkoalition auf Bundesebene.

Einige Hürden haben die Ampelpartner bereits mit ihrem am vergangenen Freitag vorgelegten zwölfseitigen Sondierungspapier aus dem Weg geräumt. So soll der gesetzliche Mindestlohn einmalig auf zwölf Euro pro Stunde steigen, eine Kernforderung von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Hartz IV soll durch ein Bürgergeld ersetzt werden. Ein Tempolimit auf Autobahnen wird es nicht geben, das hat die FDP durchgesetzt.

Doch viele Knackpunkte bleiben. Eine Übersicht:

Finanzen und Steuern

In der Finanzpolitik haben SPD, FDP und Grüne einen zentralen Konflikt bereits während der Sondierungen entschärft: die Steuerpolitik. Während die Liberalen ursprünglich große Steuersenkungen inklusive vollständiger Abschaffung des Solidaritätszuschlags wollten, plädierten SPD und Grüne für höhere Abgaben von Spitzenverdienern und der Wirtschaft. Der Kompromiss: Beides wird nicht kommen. In der Steuerpolitik soll es weitgehend Stillstand geben.

Doch ein großer Streitpunkt bleibt: die Haushaltspolitik – und damit die Grundlage für alle anderen Projekte. „Wir werden im Rahmen der grundgesetzlichen Schuldenbremse die nötigen Zukunftsinvestitionen gewährleisten, insbesondere in Klimaschutz, Digitalisierung, Bildung und Forschung sowie die Infrastruktur“, heißt es im Sondierungspapier. Wie das genau gelingen soll, ist bisher offen und dürfte noch für Kontroversen in den Koalitionsverhandlungen sorgen.

Grafik

Das Geld dafür und zur Finanzierung weiterer Wahlversprechen könnte eine Regierung über Investitionsfonds mobilisieren, die abseits der Schuldenbremse laufen. Hier müsste sich allerdings die FDP bewegen, sie sieht solche Schattenhaushalte skeptisch. Zudem wollen die Partner überflüssige und klimaschädliche Subventionen auf den Prüfstand stellen. Welche das genau sein sollen – auch diese Frage ist konfliktbeladen.

Klima und Energie

Für die Grünen ist das Klima Kern- und Topthema, darüber müssen sich Baerbock und Habeck profilieren. „Wir sehen es als unsere zentrale gemeinsame Aufgabe, Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad zu bringen, so wie es der Pariser Klimavertrag und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorgeben“, heißt es im Sondierungspapier. Doch wie genau das gelingen soll, muss nun verhandelt werden.

Bereits in den Sondierungen wurde vereinbart, den Ausbau der erneuerbaren Energien „drastisch“ zu beschleunigen. Ein paar Pflöcke haben sie schon eingeschlagen, etwa mit einer Solardachpflicht für gewerbliche Neubauten und einem beschleunigten Kohleausstieg, der „idealerweise“ bis 2030 gelingen soll. Klimaschützern und Teilen der Grünen geht das aber noch nicht weit genug.

Trotzdem wollen SPD, FDP und Grüne das Klimaschutzgesetz an einer wesentlichen Stelle entschärfen. Wesenskern des Gesetzes, das die Große Koalition 2019 verabschiedet und im Mai novelliert hat, ist es, den klimaschutzrelevanten Sektoren bis 2030 jahresscharfe Emissionsminderungspflichten aufzuerlegen. Verfehlt ein Sektor das Reduktionsziel eines Jahres, muss das zuständige Ministerium innerhalb enger Fristen ein Sofortprogramm auflegen, um die Zielerreichung so schnell wie möglich nachzuholen.

Das Sondierungspapier, auf das sich SPD, Grüne und FDP Ende vergangener Woche verständigt hatten, bricht mit dieser Systematik. „Die Einhaltung der Klimaziele werden wir anhand einer sektorübergreifenden (…) mehrjährigen Gesamtrechnung überprüfen“, heißt es darin. Damit verschaffen sich die möglichen Koalitionspartner Flexibilität. Grüne und SPD dürften aber Probleme bekommen, ihrer Basis den neuen Pragmatismus zu erklären. Die Spitzen der beiden Parteien hatten in der Vergangenheit stets den Wert der verbindlichen Ziele für jedes einzelne Jahr hervorgehoben.

Bei den Klimaverhandlungen kommt erschwerend der aktuelle Anstieg der Energiepreise hinzu. Die Preise an den Tankstellen oder für das Heizen schnellen in die Höhe. Hier müssen die potenziellen Koalitionäre Wege finden, den Anstieg für die Bevölkerung abzupuffern, ohne dass dies den Klimazielen im Wege steht.

Rente und Soziales

In der Rentenpolitik haben die möglichen Koalitionspartner bereits einiges festgelegt. Kürzungen soll es nicht geben, das war vor allem der SPD wichtig. „Es  wird  keine  Rentenkürzungen  und  keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben“, heißt es im Sondierungspapier. Im Gegenzug soll es – wie von der FDP gewünscht – einen Einstieg in eine Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung geben.

Vor den anstehenden Koalitionsverhandlungen für ein Ampelbündnis hat FDP-Vize Johannes Vogel die gemeinsamen Rentenpläne mit SPD und Grünen verteidigt. „Jetzt haben wir die Chance, das gesetzliche Rentensystem auf zwei Standbeine zu stellen, indem wir stärker auf Aktien setzen“, sagte Vogel im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Für SPD und Grüne war das, ähnlich wie unser Ja beim Mindestlohn, ein wirklich großer Schritt, das verdient Respekt.“

Das Sondierungspapier sieht ein stabiles Rentenniveau und -alter sowie den Einstieg in die Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente vor. Ökonomen wie Ifo-Chef Clemens Fuest hatten die Pläne scharf kritisiert. „Die Rentenreform wird schlicht vertagt“, sagte er. Vogel wies darauf hin, dass noch viele Punkte in den am Donnerstag beginnenden Koalitionsverhandlungen konkretisiert werden müssten. „Ohne echte Strukturreform gibt es keine sichere Rente“, sagte er.

Grafik

Das Sondierungspapier sieht etwa vor, dass die Rentenversicherung 2022 zehn Milliarden Euro vom Bund erhält, die am Kapitalmarkt angelegt werden. Was genau mit dem Geld passieren soll, ist allerdings noch völlig offen – und muss in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden.

Viele offene Fragen gibt es auch in der Gesundheitspolitik. Im Sondierungspapier finden sich hierzu nur vage Zusagen, etwa zu mehr Pflegepersonal und einer Reform der Fallpauschale in Krankenhäusern. Völlig ungeklärt ist beispielsweise die Frage, ob und wie die finanziell maroden gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen saniert werden sollen.

Wohnen und Mieten

Die Wohnungs- und Baupolitik könnte sich in den Gesprächen zwischen Grünen, FDP und SPD noch als harter Brocken erweisen. Einig sind sich die drei Parteien, dass mehr gebaut werden muss. Das Ziel seien 400.000 neue Wohnungen jährlich, so die Vereinbarung bei den Sondierungen.

Vor allem in der Mietenpolitik gibt es aber noch deutliche Unterschiede. Während SPD und Grüne gern weitere Mietenregulierungen durchsetzen würden, wollen die Liberalen nichts davon wissen. Im Sondierungspapier wurde der Konflikt vertagt: „Solange nicht genug bezahlbare Wohnungen gebaut werden, verhindert die Wohnraumknappheit vor allem in Ballungsgebieten, dass sich angemessene Mieten am Wohnungsmarkt bilden können. Daher werden wir die geltenden Mieterschutzregelungen evaluieren und verlängern“, heißt es darin. Was das genau bedeutet, muss nun in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden.

Personal

Und dann bleibt noch ein großer Streitpunkt: Die Besetzung der Ministerien. Vor allem um das Bundesfinanzministerium wird heftig gerungen. Schon vor Beginn der Koalitionsverhandlungen haben sowohl FDP als auch Grüne Anspruch angemeldet.

Bei den Grünen würde gerne Robert Habeck Finanzminister, bei der FDP Christian Lindner. Die Liberalen betonen deshalb, dass ein Klimaschutzministerium geschaffen werden soll. Das würden auf jeden Fall die Grünen besetzen. Somit stiegen die Chancen von Lindner auf das Bundesfinanzministerium. Ein Grund, warum die Grünen nur sehr zurückhaltend auf den Vorstoß reagierten.

Nach einem kurzen Streit haben alle drei Parteien wieder zur Sprachregelung zurückgefunden, dass man erst ganz am Schluss über die Personalien sprechen werde. Klar ist aber: Es kommt ein Personalstreit auf die Ampelpartner zu.

Mehr: CDU sucht neue Köpfe: Der Ruf nach der Doppelspitze wird lauter

Startseite
Mehr zu: Regierungsbildung - Koalitionsverhandlungen für Ampel-Bündnis beginnen – Diese Streitpunkte müssen SPD, FDP und Grüne lösen
0 Kommentare zu "Regierungsbildung: Koalitionsverhandlungen für Ampel-Bündnis beginnen – Diese Streitpunkte müssen SPD, FDP und Grüne lösen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%