Regierungsbildung Robert Habecks steiler Aufstieg zum Vizekanzler

Als „Superminister“ soll er die Ressorts Wirtschaft und Klima übernehmen.
Berlin Selbst für seine Verhältnisse wählte Grünen-Chef Robert Habeck große Worte, als er gemeinsam mit SPD und FDP den Koalitionsvertrag der künftigen Ampelregierung vorstellte. Die Parteien wollten eine neue Geschichte schreiben, die „die Vereinbarkeit von Wohlstand und Klimaschutz“ zeige, sagte er. Statt immer neue Klimaschutzziele zu setzen, habe man sich entschieden, konkrete Maßnahmen zu vereinbaren. „Wir sind auf einem 1,5-Grad-Pfad.“
Vor allem daran werden sich die Grünen in den kommenden vier Jahren messen lassen müssen – mit Habeck an der Spitze. Die Nummer zwei der Grünen im Wahlkampf ist die künftige Nummer eins. Habeck, 52, wird Vizekanzler der Ampelkoalition – Annalena Baerbock, die ehemalige Kanzlerkandidatin – muss sich unterordnen.
Seit dem für die Grünen eher enttäuschenden Ergebnis von 14,8 Prozent hatte Habeck bereits erkennbar die Führung übernommen, auch wenn es keinen offenen Streit über Baerbocks verpatzten Wahlkampf gegeben hatte und sich die 40-Jährige nach wie vor eines großes Vertrauens ihrer Partei sicher sein kann. Doch die Grünen waren angetreten, die führende Kraft im Land zu werden – das haben sie mit Baerbock als Kanzlerkandidatin nicht erreicht.
Die Kanzlerschaft schwebte ihm vor, später lockte ihn das Bundesfinanzministerium – jetzt übernimmt der studierte Philosoph, der bei den Wahlen ein Direktmandat in seinem Flensburger Wahlkreis geholt hatte, als „Superminister“ die Ressorts Wirtschaft und Klima als Minister und Vizekanzler.
Erfahrungen als Superminister, allerdings auf Landesebene
Der gebürtige Lübecker, der heute in Flensburg lebt, hat bereits Regierungserfahrung, hat Wahlen gewonnen, seine Partei zweimal in Schleswig-Holstein in eine Koalition geführt. Von 2004 bis 2009 war er Landesvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein, danach, bis 2012, Fraktionschef im Kieler Landtag.
2012 wechselte er auf die Regierungsbank, war bis 2018 Vize-Regierungschef im Norden und Minister für Energie, Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume und Digitalisierung. Habeck hat also reichlich Erfahrung mit einem „Superministerium“, in dem es viel zu gestalten gibt, wenn auch auf Landesebene.
Ende Januar 2018 wurde er Parteichef, ein Posten, den er als Minister nun aufgeben müsste, so sehen es die Statuten der Grünen vor. Auch Baerbock müsste als Ministerin ihren Posten im Bundesvorstand räumen.

Die designierte Außenministerin Baerbock, mit dem designierten Vizekanzler Habeck.
Als künftiger Vizekanzler wird Habeck die Wahl des ersten grünen Ministeriums gehabt haben – nicht Baerbock. Ansonsten wäre das Ministerium möglicherweise auch an die Klima- und Energieexpertin gegangen, die nun das Außenministerium übernimmt. Damit ist sie in der Geschichte der Bundesrepublik die erste Außenministerin.
Habeck dagegen muss beweisen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien mit einem Grünen an der Spitze schneller als bisher gelingen kann. Dass er Ökonomie mit Ökologie versöhnen kann. Dass er auch als Bundesminister mit den Menschen redet, sie von der Notwendigkeit einer grünen Energiewende überzeugen kann, aber auch die Unternehmen nicht auf der Strecke lässt. Für diesen Weg hat er immer geworben.
Habeck kann nun das tun, was er am liebsten tut: ausgetretene Pfade verlassen. Wiederholt hat Habeck „starke Leitplanken“ gefordert, worunter er allerdings nicht nur ordnungsrechtliche Vorgaben etwa für den CO2-Ausstoß bei Autos versteht, sondern auch eine starke Innovationsförderung, um die notwendige Transformation vor allem der energieintensiven Industrien zu beschleunigen und so im weltweiten Wettbewerb zu bestehen.
Habeck steht zur Marktwirtschaft, aber dem hyperglobalisierten Kapitalismus, wie er ihn nennt, will er neue Regeln geben. Manche seiner Reden waren immer wieder überraschend links, wobei er selbst von diesem Rechts-links-Schema nichts wissen will. Seine Lieblingsthemen der vergangenen Monate: der Ruf nach mehr Investitionen und die Weiterentwicklung der Schuldenbremse. Darum muss sich jetzt der künftige FDP-Finanzminister Christian Lindner kümmern.
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