Regierungsbildung Scholz drückt aufs Tempo – Grüne und FDP loten Schnittmengen aus

Die Sozialdemokraten haben die meisten Stimmen bei der Wahl geholt.
Berlin Am Montag nach der Bundestagswahl, bei der die SPD das Tal der Tränen verließ und stärkste Kraft wurde, zeichnet ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein visionäres Bild: „Wenn drei Parteien, die den Fortschritt am Beginn der 20er-Jahre im Blick haben, zusammenarbeiten, kann das etwas Gutes werden, selbst wenn sie dafür unterschiedliche Ausgangslagen haben.“ Es gehe um eine „Fortschrittserzählung“, die der amtierende Vizekanzler gerne so bald wie möglich gemeinsam mit den Grünen und der FDP schreiben würde.
Die beiden Parteien – Platz drei und vier bei der Wahl – dürfen sich umschmeichelt fühlen. In einer Ampel-Koalition unter Führung von Scholz können sie auf prominente Posten im Bundeskabinett hoffen. Aber auch CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat trotz desaströser Verluste die Hoffnung auf eine Jamaika-Koalition nicht aufgegeben.
Er habe noch am Wahlabend mit Scholz, Laschet und Grünen-Parteichef Robert Habeck telefoniert, sagte FDP-Chef Christian Lindner – und mit allen könnten sich die Liberalen eine Koalition weiterhin vorstellen. Habeck sagte, es gebe zwar durch das Wahlergebnis eine gewisse Logik hin zu einer Ampel. „Das heißt aber nicht, dass wir nicht mit der Union reden werden.“
Wahlsieger Scholz drückt daher aufs Tempo: „Wir werden uns sehr schnell mit den anderen Parteien, mit denen wir eine Regierung bilden wollen, abstimmen über Gesprächsverläufe“, sagte er nach der SPD-Präsidiumssitzung.
Einen Zeitplan verriet Scholz nicht. Auch nicht, ob er mit Lindner und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock schon gesprochen habe – wovon in der SPD viele fest ausgehen.
Sondierungsteam der Sozialdemokraten steht
Ein sechsköpfiges Sondierungsteam soll für die SPD erste Gespräche mit den beiden Wunschpartnern führen. Der Parteivorstand hat nach Angaben aus Teilnehmerkreisen beschlossen, dass neben Scholz und den beiden Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans auch Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer mit dabei sind. Vor den Gesprächen sollen keine roten Linien formuliert werden.
Bevor sich die umworbenen Grünen und Liberalen aber auf Gespräche mit SPD oder Union einlassen, wollen sie zunächst untereinander Schnittmengen ausloten. Es werde in einem „sehr kleinen Kreis“ mit der FDP über eine gemeinsame Regierung gesprochen, kündigte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter an. „Da wird man sehen. Was gibt es an Gemeinsamkeiten? Was verspricht die andere Seite, damit das klappen kann?”

Der FDP-Chef hat am Montag Zweifel über eine Ampelkoalition geäußert.
Es sei sinnvoll, dass sich FDP und Grüne als Parteien der Mitte, die inhaltlich am weitesten auseinanderlägen, zunächst über mögliche gemeinsame Punkte austauschten, sagte Lindner. Bei Themen wie dem Klimaschutz sei man sich zwar über das Ziel einig, nicht aber über die Methoden: „Wir vertreten das technologische Modell, während die Grünen eine Lebensstilfrage daraus machen.“
Auch Habeck hält es noch nicht für ausgemacht, dass seine Partei mit den Liberalen zusammenfindet: In der Sozial- oder Wirtschaftspolitik seien die potenziellen Partner weit auseinander: „Da treffen Welten aufeinander.“ Schnittmengen gibt es hingegen bei Themen wie der Digitalisierung, Europa oder in der Wohnungspolitik. Zudem dürfte es auch um Ministerposten gehen. Beide Parteien wollen den Finanzminister stellen.
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Alles soll dieses Mal besser laufen als bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen 2017, an die sich viele Grüne mit Grausen erinnern. Sie scheiterten vor allem an inhaltlichen Differenzen mit der FDP. Die Gespräche seien damals auch deshalb schiefgegangen, „weil man alles permanent ausgeplaudert hat“, sagte Habeck. Es sei für alle Beteiligten ratsam, „nicht alles, was sie wissen, auf der Zunge und zu Markte zu tragen“.

Die Grünen sind nun drittstärkste Kraft in Deutschland.
Habeck äußerte sich deshalb auch nicht dazu, ob es schon Gespräche mit der FDP gegeben habe. Auch Lindner ließ sich am Montag keine Details zum Zeitplan entlocken. Er will die Gespräche mit der Grünen-Spitze gemeinsam mit FDP-Generalsekretär Volker Wissing führen.
Werden sich die beiden kleineren Parteien einig, wären sie Kanzlermacher – und könnten sich ihren Koalitionspartner aussuchen. Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock hatte schon vor der Wahl die Nähe zur SPD betont und die Union in die Opposition gewünscht. „Die CDU hat die Wahl klar verloren, da ist den Wählern ein Bündnis mit der SPD natürlich besser zu vermitteln“, sagt auch die wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge.
Jamaika ist für manche Grüne realistische Option
Trotz klarer Tendenz für die Ampel ist Jamaika auch für die Grünen noch eine realistische Option. Es gibt durchaus Grüne, die ein Bündnis mit der Union bevorzugen, weil die Konstellation in Ländern wie Schleswig-Holstein erfolgreich regiert. Auf jeden Fall müsse die künftige Koalition ein Bündnis „mit einer gemeinsamen Erzählung“ sein, in dem jeder „seinen eigenen Raum“ bekomme: Keiner wolle eine „Streitkoalition“, sagt Dröge.
Das sieht Scholz ähnlich: Es sei „völlig okay“, wenn FDP und Grüne zunächst miteinander redeten. „Ich möchte eine Regierung bilden, die auf Vertrauen beruht.“ Ganz klar sei aber, dass SPD, FDP und Grüne als Wahlgewinner den Auftrag zur Regierungsbildung hätten.
Die FDP erinnerte Scholz an die „sehr erfolgreiche sozialliberale Koalition“ unter den SPD-Kanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt. Dagegen sei das schwarz-gelbe Bündnis von 2009 bis 2013 doch ein „abschreckendes Beispiel“ gewesen.
Mehr: Gastkommentar: Goldene Brücke für die FDP: Die Ampelkoalition ist die einzige Möglichkeit
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Immerhin hat Laschet bewiesen, dass er das bevölkerungsreichste Land seit Jahren gut regieren kann.
Ein Bundesland, dass Jahrzehnte von den Sozialdemokraten dominiert total in jeder Art und Weise abgewirtschaftet hatte - zum Schluss mit Hilfe der Grünen.
Ihn jetzt von allen Seiten abzuschreiben wird seiner Leistung nicht gerecht.
Gut - er ist ein Kanzlerkandidat von Merkels Gnaden - und nicht der Parteibasis.
Scholz ist keine Alternative. Weder ist er durch Leadership aufgefallen (siehe Chaostage in HH während des G-7-Gipfels) noch trickst er sich durch seine Skandale um Wirecard, Schwarzgeldwäsche, Zoll, bundeseinheitliche Autobahngesellschaft in Richtung EU - Schuldenunion .